Für die Leiterin des Veitshöchheimer Seniorenhauses St. Hedwig ist die ab heute geltende Besuchsregelung lebensfremd
Ab Muttertag, 10. Mai 2020 waren in Bayern nach vielen Wochen wieder Besuche in Pflegeheimen unter Auflagen erlaubt. So sorgten denn auch am 19. Mai Veitshöchheimer Heeresmusiker im Caritas-Seniorenhaus Sankt Hedwig in Veitshöchheim mit einem musikalischen Ohrenschmaus für Abwechslung im Hausalltag.
In die gleiche Kerbe schlägt auch Barbara Bender, die Leiterin des Hauses St. Hedwig in Veitshöchheim, das bislang Gottseidank von Corona-Infektionen verschont blieb: "Bei uns laufen die Telefone heiß, weil die Angehörigen jetzt bei Ankunft im Haus einen negativen Test vorlegen müssen.
Der Testzeitpunkt mit POC-Antigen-Schnelltests darf maximal 48 Stunden und mittels eines PCR-Tests darf höchstens drei Tage (72 Stunden) zurück liegen. Derzeit werden Ergebnisse von Testungen an der Teststrecke in Würzburg innerhalb 1-2 Tage per Mail mitgeteilt.
Bender fragt: "Wie sollen beispielsweise Ehemänner, die über 90 Jahre alt sind und ihre Ehefrauen hier seit Jahren täglich besuchen, immer einen aktuellen Test vorlegen können? Sie sind eingeschränkt körperlich mobil und froh, dass sie überhaupt das Haus St. Hedwig erreichen können. Sollen sie jetzt mehrmals wöchentlich mit dem Taxi zu einer Teststrecke fahren? Die Verordnung ist dermaßen lebensfremd …!"
Das Ergebnis werde sein, so befürchtet sie, dass wieder deutlich mehr der 94 Bewohner nach Hause abgeholt werden – und es weiß niemand, wer dort alles Kontakt mit dem Bewohner hat.
Keine eigenen Tests durchführbar
Im Haus St. Hedwig sind nach Benders Worten derzeit keine personellen Ressourcen vorhanden, um selber Schnelltests bei Besuchern durchzuführen zu können. Der Begriff „Schnelltest“ sei dabei irreführend, denn die Tests dürften nur von speziell geschulten Pflegefachkräften durchgeführt werden. Die Durchführung eines Tests liege bei rund 30 Minuten bis das Ergebnis vorliegt. Diese Zeit werde für die im Haus lebenden Bewohner benötigt.
Dazu führt sie als Beispiel an: "Wenn ein Angehöriger um 15:00 Uhr einen Besuchstermin hätte, müsste er sich bereits um 14:30 Uhr hier einfinden. Der dafür qualifizierte Mitarbeiter steht mit der entsprechenden Schutzkleidung bereit (die er ja schon vorher anziehen muss, also fehlen weitere Minuten für die Bewohner), testet die Person. Diese Person sitzt dann in einem „Wartezimmer“ (das wir nicht wirklich haben), bis das Testergebnis vorliegt."
Die Bayerische Teststrategie umfasst in voll- und teilstationären Einrichtungen der Pflege:
- Personal ((PoC-)Antigen-Schnelltest oder PCR-Testung)
- Bewohner ((PoC-)Antigen-Schnelltest; Ausnahme: bei Neuaufnahmen auch PCR-Testung möglich)
- Besucher ((PoC-)Antigen-Schnelltest)
Die Abstrichnahme, Durchführung, sowie Auswertung der (PoC-)Antigen-Schnelltests muss grundsätzlich als ärztliche Maßnahme von einem Arzt oder Ärztin vorgenommen werden. Der jeweilige Arzt oder die jeweilige Ärztin kann das Testgeschehen auch an von ihm ausgewählte, und damit beauftragte und zu schulende Pflegekräfte, ggf. auch Pflegehilfskräfte übertragen.
Quelle: https://www.stmgp.bayern.de/cor.../haeufig-gestellte-fragen/
Für Altenheime und Seniorenresidenzen, Pflege- und Behinderteneinrichtungen gilt ab 9.12.2020:
- Jeder Bewohner darf höchstens einen Besucher beziehungsweise einen Besucher pro Tag empfangen.
- Als Besucher wird nur zugelassen, wer einen aktuellen negativen Coronatest nachweisen kann (insbesondere Schnelltests).
- Das Betreten der Einrichtungen durch Besucher ist nur mit einer FFP2-Maske erlaubt.
- Alle Beschäftigten der Einrichtungen haben sich in regelmäßigen Abständen, mindestens zweimal wöchentlich, einem Coronatest zu unterziehen.
Die Staatsregierung bekräftigt hierzu ihren Beschluss vom 1. Dezember 2020, wonach in den Wintermonaten jede Woche jeweils ein Besucher eines Bewohners eines vollstationären Pflegeheimes und eines Behindertenwohnheimes eine FFP2-Maske erhält. Dafür stellt der Freistaat rund 2 Millionen Masken aus dem Pandemiezentrallager zur Verfügung.
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