Berufsschule plus ermöglicht Mittelschülern: Parallel zur Berufsausbildung in nur drei Jahren zur Fachhochschulreife
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Ob auf dem Bau oder im Handwerk, in Deutschland fehlen junge Menschen, die statt zu studieren nach der Schule eine Ausbildung machen. 2019 blieben 53.000 Lehrstellen unbesetzt. Unternehmen aller Branchen suchen händeringend nach Nachwuchs. Die Betriebe müssen sich einiges einfallen lassen, um Azubis für sich zu gewinnen. Eine Möglichkeit, beides zu vereinbaren, ist für Schüler mit mittlerer Reife das Berufsabitur Plus.
Ein Notendurchschnitt von mindenstens 3,5 in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik im Zeugnis über den mittleren Schulabschluss reicht, um parallel neben einer mindestens zweijährigen betrieblichen Berufsausbildung oder zweijährigen Berufsfachschule mit Berufsabschluss in nur drei Jahren die Fachhochschulreife zu erlangen.
Diese nur wenig bekannte Möglichkeit unseres durchlässigen Bildungssystems, während der Berufsausbildung das Fachabitur zu erlangen, machte jüngst Studienrat Manuel Loschert von der Staatlichen Berufsschule Mainspessart in Karlstadt zusammen mit seinen beiden Berufsschule PLUS-Schülern Franz Marschall und Pauline Wenzel auf Einladung der Handwerkskammer-Übergangsmanagerin Theresia Öchsner den 28 Schülern der Klasse 10 M der Veitshöchheimer Mittelschule schmackhaft.
Die Vorteile des Besuchs der Berufsschule Plus liegen auf der Hand. Gegenüber dem Besuch der Fachoberschule dauert sie zwar ein Jahr länger, dafür haben die Absolventen aber dann zwei Abschlüsse, Franz Marschall so den Gesellenbrief als Mechatroniker und das Fachabitur und sie verdienen bereits ab dem ersten Jahr Geld. Bei Auszubildenden wie bei Franz Marschall bei Rexroth in der Metall- und Elektroindustrie sind dies in Bayern im Durchschnitt rund 1.111 Euro im Monat.
Wesentlich länger dauert das Fach-Abi über die Berufsoberschule, die erst nach der Lehre und dann zwei Jahre in Vollzeit besucht werden muss. Und von Vorteil ist für Franz und Pauline in Karlstadt, dass ihre Klasse nur acht Schüler umfasst, die Lehrer sich deshalb intensiv um jeden einzelnen Schüler kümmern können. Und noch einen gravierenden Vorteil zählt der 20jährige Franz Marschall auf: Er möchte nach dem Fachabi ein Studium aufnehmen und dafür habe ihm seine Firma eine Übernahme als Werkstudent in Teilzeit maximal 20 Stunden in Aussicht gestellt, so dass er auch schon während seines Studiums ein Gehalt bekommt.
Allerdings brauchen Loscherts Schüler schon ein gewisses Durchhaltevermögen, denn sie müssen neben der Berufsschule Plus auch die normale Berufsschule besuchen, allerdings in anderen Fächern.
In Unterfranken gibt es Klassen der Berufsschule Plus an drei Standorten, neben Karlstadt noch in Bad Kissingen und Aschaffenburg. 83 Schüler besuchen aktuell in drei Jahrgangsstufen die Klassen aller drei Schulen. Ein Einstieg ist im ersten und zweiten Ausbildungsjahr möglich.
Während in Karlstadt Unterrichtszeiten Montag und Donnerstag, jeweils von 18.30 bis 20.45 Uhr sind, bietet Bad Kissingen Unterrichtszeiten an einem Tag, nämlich Samstag von 8.00 bis 13.45 Uhr an. Die Veitshöchheimer Mittelschüler, von denen einige durchaus Interesse zeigten, könnten sich deshalb aussuchen, ob sie lieber zwei Mal in der Woche in den Abendstunden oder lieber jeden Samstag die Berufsschule Plus besuchen möchten.
Der Karlstädter Berufsschule Plus-Leiter Loschert brachte zum Ausdruck, dass die erste Schulwahl nach der Grundschule noch keine abschließende Entscheidung über die schulische Laufbahn des Kindes bedeutet. Er selber habe die neunklassige Hauptschule absolviert, dann einen Beruf als Werkzeugmacher erlernt, sei dann auf die Berufsoberschule gegangen, um schließlich an der Uni Lehramt in Mathe zu studieren.
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Für Loschert ist die Berufsschule Plus für leistungsstarke, praxisorientierte Jugendliche, wie dies seine mitgebrachten Schützlinge sind, ohne Zweifel eine sinnvolle Alternative, für die er allen Interessenten Mut machte. Das Berufsabitur könne durch die Vereinigung von Hochschulreife und Berufsausbildung auch dazu beitragen, den Fachkräftemangel im Handwerk zu lindern. Und bisher sei an seiner Schule, so Loschert, noch keiner durchgefallen.
Für Theresia Öchsner, als Übergangsmanagerin der Handwerkskammer Service GmbH seit zwölf Jahren an der Veitshöchheimer Mittelschule tätig, war es ein Anliegen, nach der Premiere im Vorjahr, auch heuer ihr Klientel über diesen noch nicht so bekannten Bildungsweg zu informieren.
Denn viele ihrer M-Schüler stünden zum Schulschluss vor der Frage, sollen sie eine Ausbildung beginnen oder weiter zur Schule gehen?
Wie eine Umfrage von Loschert zu Beginn seiner Ausführungen ergab, weiß die Hälfte der 28 Schüler der M 10 bereits, wie es ab September weitergehen soll. So haben bislang sieben bereits einen Ausbildungsvertrag, wollen fünf in die zehnte Übergangsklasse des Gymnasiums und zwei auf die FOS gehen.