Veitshöchheimer Gemeinderat strebt nach einstündiger Beratung mehrheitlich den Neubau von Sozialwohnungen nach Abbruch des Altgebäudes Würzburger Straße 58 an
Es kommt im Veitshöchheimer Gemeinderat höchst selten vor, dass bei einem Vorhaben zwei konträre Standpunkte und Meinungen aufeinanderprallen. In der Sitzung am Dienstag war es wieder einmal der Fall, als es um die zukünftige Nutzung des seit über zehn Jahren leerstehenden gemeindlichen Wohngebäudes Würzburger Straße 58 ging.
Genau eine Stunde lang dauerte die Beratung, wurde kontrovers diskutiert, gingen mitunter auch die Emotionen hoch, fielen Begriffe wie Neiddebatte, Armutszeugnis und Feigenblatt. Zur Abstimmung standen zwei Wohnungen, die nur für Flüchtlinge sieben Jahre nutzbar sind mit einer Bindung für insgesamt 25 Jahre oder sechs Wohnungen oder mehr bei Zuerwerb in zwei Neubauten, gleichermaßen vermietbar an anerkannte Flüchtlinge oder sozialschwache Bürger.
Bei der Abstimmung unterlagen die Fraktionen der UWG und der Grünen am Ende gegen die CSU-Fraktion und mehrheitlich der SPD-Fraktion, die sich mit ihrem Antrag durchsetzten, das Wohngebäude aus dem Jahr 1925 abzubrechen und das 993 Quadratmeter große Grundstück einer Neubebauung mit Sozialwohnungen zuzuführen.
Für diese Alternative hatte das hiesige Architektur-Büro Anton Wilhelm im Auftrag der Verwaltung eine Konzeptstudie erstellt. Danach ist der Neubau von zwei Wohngebäuden mit sechs 3-Zimmer-Sozialwohnungen mit geschätzten Kosten von 1,26 Mio. Euro möglich. Die Zielgruppe umfasst entsprechend dem Kommunalen Wohnraumförderungsprogramm des Freistaates Bayern nicht nur anerkannte Flüchtlinge, sondern auch Haushalte, die sich aus eigener Kraft nicht am Wohnungsmarkt versorgen können.
Um das Grundstück durch den Zukauf von Flächen noch zu optimieren, hat der Bürgermeister mit den Eigentümern des westlichen Nachbargrundstücks (Fl.Nr. 410/1) zum Main hin Verhandlungen wegen Abstandflächenübernahme oder Verkauf aufgenommen.
Die Fraktionen der UWG und der Grünen hatten dagegen dafür plädiert, die beiden Wohnungen im EG und 1. OG minimalst nach dem Städtebauförderungsprogramm „Leerstand nutzen – Lebensraum schaffen“ zu sanieren, um Flüchtlingsfamilien, die schon in Veitshöchheim ansässig sind, hier unterzubringen.
Die dafür überschlägig ermittelten Sanierungskosten bezifferte Bürgermeister Jürgen Götz auf 260.000 Euro. Im Haushaltsplanentwurf, den der Gemeinderat in Sitzung vor 14 Tagen absegnete, waren die Mittel bereits eingeplant (heuer 50.000 Euro, 2019 250.000 Euro und 2020 nochmals 50.000 Euro). Eine Nutzung des Dachgeschosses für Wohnzwecke wurde vom Hochbaureferat der Gemeinde wegen rechtlicher Probleme und zu niedriger Geschoßhöhen nicht empfohlen. Geprüft wurde vom Architektur-Büro Wilhelm auch ein Anbau an das Bestandsgebäude, aber aufgrund von Problemen mit dem Abstandsflächenrecht, voraussichtlich hoher Investitionen für Kellerabdichtung und Brandschutz im Bestandsgebäude als unwirtschaftlich verworfen.
Bei der ersten Abstimmung in der Sitzung war diese Bestandssanierung dann allerdings vom Tisch. Denn dafür votierten neben den sieben Ratsmitgliedern von UWG und Grünen bei 24 anwesenden Ratsmitgliedern nur noch zwei Mitglieder aus den Reihen der SPD.
Der Bürgermeister machte jedoch noch Vorbehalte bei der Neubebauung geltend. Er führte als Probleme an zum einen die Finanzierbarkeit der 1, 3 Millionen Euro im Haushalt darzustellen und zum anderen seien auch die personellen Ressourcen im Hochbaureferat begrenzt.
Denn die SPD-Sprecherin Marlene Goßmann hatte dafür plädiert, die Planung für die Neubebauung sofort anzugehen. Darauf wollte sich aber CSU-Sprecher Marc Zenner noch nicht festlegen. Zur Begründung führte er an, dass die Errichtung eines Seniorenzentrums mit Tagespflege durch die Caritas auf dem benachbarten im Gemeindebesitz befindlichen alten Rewe-Markt-Gelände noch offen sei. Denn sollte die Caritas von dem Projekt sich zurückziehen, würden die Karten wieder völlig neu gemischt, wie das Gesamtgelände zu nutzen ist. Vielleicht wäre es dann die allerbeste Lösung einen Investor für Sozialwohnungen auf beiden Grundstücke zu finden. Zenner: "Dann hätten wir noch mehr erreicht."
So lautete dann der Beschluss, bis längstens Ende Mai 2019 abzuwarten, ob der in der Gemeinderatssitzung im September 2018 beschlossene Verkauf des REWE-Gelände an die Caritas-Einrichtungen gGmbH zustande kommt. Das Finanzierungskonzept soll laut Bürgermeister nach Mitteilung des Caritas-Einrichtungen-Geschäftsführers im März 2019 den Gesellschaftern zum Beschluss vorgelegt werden. Aufgrund der derzeitigen angespannten finanziellen Situation der Diözese Würzburg, die mit der Caritas-Einrichtungen gGmbH wirtschaftlich verbunden ist, ist ein Zustandekommen des Grundstücksgeschäftes momentan noch ungewiss. Sollte bei einem Nichtzustandekommen des Vertrages ein neuer Investor für das alte REWE-Gelände gesucht werden müssen, wäre es durchaus sinnvoll, das Grundstück Würzburger Straße 58 zunächst mitvermarkten zu können.
Für den Fall, dass das Grundstücksgeschäft aber zustandekommt, soll die Verwaltung die Planungen für den Abriss des Bestandsgebäudes und eine Nachverdichtung unter bestmöglicher Nutzung der vorhandenen Grundstücksfläche für sozialen Wohnungsbau ausschreiben, Fördermöglichkeiten prüfen und in Frage kommende Förderungen beantragen.
Der Bürgermeister erklärte, er könne sich aber auch vorstellen, zur raschen Realisierung des verfolgten Ziels eine Vergabe des Grundstückes an einen privaten Investor zur Errichtung von Sozialwohnungen in Betracht zu ziehen und so die finanzielle und personelle Belastung der Gemeinde zu vermeiden.
Das Gremium beauftragte deshalb die Verwaltung alternativ zu prüfen, ob das Projekt auch von einem externen Dritten (Investor) umgesetzt werden kann, mit potenziellen Bewerbern Verhandlungen zu führen und die Verhandlungsergebnisse bei Entscheidungsreife dem Gemeinderat erneut zur Beschlussfassung vorzulegen.
Fördermöglichkeiten des Neubaus von Sozialwohnungen laut Vorlage der Verwaltung:
Zur Schaffung von Wohnraum für Einheimische und anerkannte Flüchtlinge hat der Freistaat Bayern im Oktober 2015 den Wohnungspakt Bayern beschlossen, dessen sog. zweite Säule, das Kommunale Wohnraumförderungsprogramm, sich an Gemeinden wendet. Die Gemeinden können in diesem Rahmen preisgünstige Mietwohnungen selbst bauen, bereits bestehende umbauen, aber auch neu errichtete, bisher noch nicht genutzte Wohngebäude schlüsselfertig zu marktüblichen Preisen erwerben und sind damit von der Organisation und Abwicklung der Baumaßnahme entlastet. Bei Konzeption, Planung und Bau der Projekte haben die Gemeinden großen Gestaltungsspielraum. Die Mietwohnungen sollen aber allgemein üblichen Wohnstandards entsprechen und die Wohnflächen angemessen sein.
Auch die Wohnungsvergabe steuern sie eigenverantwortlich. Die Zielgruppe umfasst Haushalte, die sich aus eigener Kraft nicht am Wohnungsmarkt versorgen können. Die Miethöhen sind von der Gemeinde so zu gestalten, dass die Wohnungen insbesondere auch von einkommensschwachen Personen wie Empfängern von Transferleistungen genutzt werden können. Die Bindungsdauer beträgt 20 Jahre. Die Zuschusshöhe beträgt 30 % der förderfähigen Kosten. Ergänzt werden diese Zuschüsse durch ein Darlehensprogramm der Bayerische Landesbodenkreditanstalt mit sehr günstigen Finanzierungskonditionen in Höhe von bis zu 60 % der zuwendungsfähigen Kosten. Förderfähig sind auch der Grunderwerb und das Freimachen von Grundstücken sowie Planungen und Gutachten. Einen 10 %igen Anteil müssen die Gemeinden selbst leisten, dieser kann auch in einem bereits im Eigentum der Gemeinde befindlichen Grundstück bestehen.
Diskussionbeiträge
Winfried Knötgen (UWG):
Für ihn wäre die Bestandssanierung mit Nutzung des Förderprogramms für Flüchtlingswohnungen die wirtschaftlichste Lösung. Als Kompromiss wäre auch möglich, so sagte er, später im rückwärtigen Bereich noch ein zweites Haus auf das Grundstück zu stellen.
Der 2. Bürgermeister hält es auch für sozialverträglicher und von den Kosten her für wirtschaftlicher 260.000 Euro für die Sanierung von zwei Altbau-Sozialwohnungen für Flüchtlinge auszugeben, als 1,26 Mio. Euro in einen Neubau für Sozialwohnungen reinzustecken, in dem dann sowohl Flüchtlinge als auch einkommensschwache Bürger unterkommen können. Knötgen äußerte schließlich die Meinung, wenn dann in einen teureren Neubau Flüchtlinge reinkämen, würde dies die Neiddebatte schüren.
Dazu stellte der 1. Bürgermeister klar, dass der Gemeinderat entscheide, wer da reinkommen.
Aus der sozialen Verantwortung heraus, so Knötgen weiter, seien auch an Flüchtlinge mit Kindern geeignete Wohnungen zu vermieten, auch im Hinblick darauf, wie sich der Helferkreis aus Privatleuten für Flüchtlinge engagiere. Deshalb plädierte er dafür, dass Städtebauförderprogramm „Leerstand nutzen – Lebensraum schaffen“ wahrzunehmen und sprach von einem Armutszeugnis, wenn man das dann nicht macht.
Stefan Oppmann (UWG) ergänzte, dass seine Fraktion mit der Sanierung des Bestandes mit zwei Wohnungen einem Neiddenken vorbeugen möchte. Die Fraktion sehe die kleine Lösung auch deshalb als sinnvoller an, weil auch noch bei anderen Gemeindewohnungen wie die Friedensstraße 7 Sanierungen anstehen würden.
Christina Feiler (Grüne) erläuterte, dass auch ihre Fraktion für den Erhalt des Altbestandes sei, zum einen aus Finanzierungsgründen, um den Haushalt nicht noch weiter mit größeren Investitionen und auch die Verwaltung nicht über Gebühr zu belasten. Außerdem gehe sie davon aus, dass es bei einem Neubau deutlich länger dauert, bis hier Menschen einziehen können als bei der Bestandssanierung. Auf Kritik stieß bei ihr die Mentalität, lieber etwas Neues hinzustellen, als alte Bausubstanz zu erhalten.
Marcus Zenner (CSU/VM) entgegnete, seine Fraktion lehne es ab, für eine Sanierung des Bestandsgebäudes aus dem Jahr 1925 Geld aufzuwenden für zwei Wohnungen, an der die Gemeinde 25 Jahre hänge und viel Geld investiert habe sowie ein Grundstück in guter Ortslage nicht optimal genutzt zu haben.
Zum Vorbringen von Feiler, man sollte alte Substanz würdigen, widersprach Zenner: "Wer einen Altbau saniert hat, weiß, dass man an einer Stelle anfängt und dann es im Dominoeffekt weitergeht und die Kosten explodieren." Das Grundstück sei ein klassischer Fall der Nachverdichtung und biete die Chance, ohne großen Flächenverbrauch effizient Wohnraum zu schaffen.
Zu Knötgens Vorbringen, in dieses Objekt Flüchtlinge unterzubringen, um eine Neiddembatte zu verhindern, vertrat Zenner die Auffassung, eine Familie mit sechs Kindern in einer Wohnung mit 80, 90 Quadratmetern unterzubringen, sei nicht menschenwürdig, ebenso dass nach dem Förderprogramm nur eine Minimalst-Sanierung gefördert wird, unter dem Standard von Sozialwohnungen. Für den Fraktionssprecher der CSU ist es deshalb nichts anderes als ein Feigenblatt, wenn man bei der Sanierung des Altbestandes in den zwei Wohnungen Flüchtlinge unterbringt.
Stefan Oppmann wies unter Hinweis auf sein ehrenamtliches Engagement Zenners Vorwurf, ein Feigenblatt hochzuhalten, entschieden zurück. Hier habe sich für ihn die Gelegenheit geboten, sich im Gemeinderat auch politisch für Flüchtlinge zu engagieren.
Nach mehr als einem Jahrzehnt Leerstand des gemeindlichen Mietshauses Würzburger Straße 58 mit einer Grundstücksfläche von 993 Quadratmeter machte sich der Gemeinderat in seiner heutigen Sitzun...
Link auf Vorbericht vom 9. Oktober 2018