Vom Junkie zum Buchautor und gefragten Referenten: Dominik Forster aus Nürnberg klärte Veitshöchheimer Mittelschüler über den Drogenkonsum auf
In seinen Bann zieht der 30jährige Dominik Forster aus Nürnberg 120 Schüler der achten bis zehnten Jahrgangsklasse der Veitshöchheimer Mittelschule: Es ist mucksmäuschenstill als er sich als Ex-Junkie, Ex-Deale und Ex-Knackie vorstellt, der gesoffen, gekifft, gezogen, harte Drogen auf dem Schulhof verkauft, jede Menge Bitches geknallt und immer gedacht hat, er wär der Allergrößte, aber dann ganz unten gelandet ist.
"Das Schlimme an meiner Geschichte ist", so sagt er zu seinem Publikum, "sie ist nichts Besonderes, es kann absolut jeden von Euch zu jeder Zeit treffen". Er habe zwei Jahre sechs Monate Haftstrafe kassiert wegen des Besitzes von eineinhalb Kilo Speed. Besonders knallhart war für ihn der Hochsicherheitsjugendknast. Forster: "Da gibt es nur Opfer oder Täter und nichts anderes, entweder du fickst oder du wirst gefickt."
Man sah es Schulleiter Otto Eisner an, dass solche Worte aus der vulgären Gossensprache eigentlich an seiner Schule verpönt sind. Doch der mit seiner Käppi nach hinten leger und drahtig wirkende junge Mann verwendet mit Absicht eine harte Sprache, weil er so, wie er sagt, die Jugendlichen vor ihm am besten erreichen kann. Und tatsächlich lauschen alle im Saal über eine Stunde lang gebannt seinen Worten.
"Eine solche Masse von Schülern habe ich noch nie so lange, so ruhig erlebt," staunt die schulische Jugendsozialarbeiterin Heidi Körbel, die den Vortrag als besonderes Highlight im Rahmen der „Prävention-im-Team“-Aktionen der Schule organisiert hat. Forsters Honorar wird zum überwiegenden Teil vom Elternbeirat und dem Förderverein der Mittelschule getragen und ein jeder Schüler beteiligt sich mit zwei Euro.
Aus berufenem Munde erfuhren die Schüler durch den Referenten, wie man als Süchtiger lebt, wie es im Jugendknast zugeht, die Motivation zum Entzug, wie man es schafft clean zu werden und zu bleiben und was die körperlichen Spätfolgen einer Drogensucht sind.
Dominik Forster veranschaulichte seinen Vortrag in der Veitshöchheimer Mittelschule mit einem Teufelskreis, den er an die Tafel malte. Dass Drogen zu Beginn wahnsinnig toll sind, verglich er mit einer Rakete, die man steigen lässt, die explodiert und dann abstürzt, die einen kleinen Spasti wie ihn, der ständig in der Schule gemobbt und geprügelt wurde, zunächst zu einer Art Superhelden, dann aber auf Lebenszeit zu einem gesundheitlichen Wrack machten, .
Mit harten Drogen in Kontakt kam er erstmals nach der Hauptschule 2004 während einer Jugendfreizeit. Der Coolste der Gruppe war der, der am meisten geraucht, gesoffen und gekifft hat. Und weil er dazugehören wollte, habe er mitgemacht. Von 17 bis 19 habe er ständig gekifft, Speed gezogen und Ecstasy geworfen die Wochenenden seien einzige Party gewesen. Er erzählte, wie er sich als "King" fühlte und auch so auftrat. Die Drogen waren für ihn wie ein Magnet. Er freundete sich mit allen möglichen Drogenleuten in einschlägigen Drogenclubs in Nürnberg an. Die ihn in der Schule immer auf die Fresse gehauen haben, waren jetzt seine neuen Freunde. Er habe täglich bis zu 50 Bong-Köpfe geraucht und fünf Gramm Speed gezogen, in zwei Jahren so zwei Kilo Speed geschnupft und auch selbst gedealt, um seinen Konsum finanzieren zu können.
Aber jede Rakete explodiere irgendwann und falle zu Boden. Auf phänomenale Tage seien solche mit unfassbaren Schmerzen gefolgt, die sich anfühlten, als müsse man sterben. Irgendwann habe sein Körper angefangen zu rebellieren. Er musste die ganze Zeit kotzen. Sein Herz habe wild gerast, die Zunge war richtig aufgequollen und mit offenen Schnitten und er habe gedacht, seine Zähne wachsen. Im Dauerrausch schlief Forster tagelang nicht mehr, sein Gehirn konnte das Erlebte nicht mehr verarbeiten. Hinzu kamen mit 20 die Paranoia. Er saß in seinem Zimmer schnitt sich die Haut auf, weil er dachte, darunter seien Käfer geschlüpft.
Sein Absturz war komplett, als ein Sondereinsatzkommando der Polizei seine Bude stürmte und er zu zweieinhalb Jahren verknackt wurde. In der für ihn schrecklichen Jugendhaft kam er, so sagt er, mit richtigen Psychopathen zusammen. Da würden Leute sitzen, die ihre Mutter bei lebendigem Leib mit der Axt zerstückelt haben. 912 Tage voller Vergewaltigungen und anderer Erniedrigungen habe er im Gefängnis erlebt .Um dem Alltag des Jugendknast zu entfliehen, wo er dreiundzwanzig Stunden in einer Zelle von acht Quadratmeter ohne Blick nach außen eingesperrt war, habe er eine Therapie gemacht. 2012 gelangte er dann als Zwischenschritt zwischen Therapie und normalem Leben in Adaption, d.h. in eine betreute Wohngemeinschaft .
"Nach Knast und Therapie 2012 war ich traumatisiert und dermaßen vom Leben gefickt, dass meine beste Option es gewesen wäre, mir in den Kopf zu schießen", so erzählt der Mittelfranke in drastischen Worten das Drama seines Drogenkonsums. Er habe viele Freunde und Weggefährten durch den Drogentod verloren, sein alkoholsüchtiger Vater und seine medikamentensüchtige Mutter seien Pflegefälle und er selbst wäre fast an einer Überdosis LSD gestorben.
96 Prozent, so erzählte er auf Nachfrage aus dem Kreis der Jugendlichen, würden das erste Jahr einer Therapie nicht überstehen, stünden dann ohne Hartz IV und ohne Wohnung obdachlos da. Er sei einer von 1000 Junkies, die gerettet werden konnten. Zu verdanken habe er dies seiner Freundin und dem Sozialarbeiter Norbert Wittmann von der Nürnberger Drogenberatung Mudra, der ihm sehr geholfen habe ins normale Leben zurückfinden. Dieser sei in Schulen gegangen, um die Schüler über Drogen aufzuklären und habe ihn eines Tages mitgenommen. Es hätten alle zugehört, als er seine Geschichte erzählte. Forster: "Da wusste ich: Das ist deine Aufgabe." Bis zu seinem 25. Lebensjahr habe er nicht gewusst, was abgeht.
Jetzt sei er nun schon acht Jahre clean bis auf zwei kurzzeitige Drogenrückfälle, fünf Jahre trocken, habe vor kurzem die Liebe seines Lebens geheiratet und reise nun schon seit einigen Jahren durch ganz Deutschland, um Schulklassen wie hier in Veitshöchheim "die ganze Wahrheit" über den Teufelskreis Drogen zu erzählen, damit sie so aufgeklärt alles kritisch hinterfragen.
Über 500 solcher Kampagnen gegen den Drogenkonsum hat der Nürnberger inzwischen schon bestritten, die erste Hälfte noch ehrenamtlich. Er hat als Autor seinen Weg in die Drogensucht und zurück ins Leben in zwei autobiographischen Büchern veröffentlicht, die mehrfach ausgezeichnet wurden. Für die Schulen habe er dafür ein Arbeitsheft entwickelt. Nun sei er auch dabei, aus seiner größten Schwäche ein Bühnenprogramm zu entwickeln und ein Comic herauszugeben.
Zu den Jugendlichen sagte er, es sei ihm wichtig, dass sie aus seiner Geschichte lernen, er ihnen die Wahrheit erzählen müsse, damit sie nicht da landen, wo er war. Verhindern könne dies ein jeder wenn er drei Prinzipien beherzige, das heißt vernünftige Beziehung eingehen, einen Beruf ergreife, der einem Freude bereitet und eine Leidenschaft im Leben entdecken, beispielsweise für das Fußballspielen oder wie er persönlich nun für den Boxsport. Partys, Feiern und Drogen würden nur in eine Scheinwelt führen. Er riet ihnen, das zu machen, was ihnen wichtig ist und zu finden, was ihnen Lust macht. Da habe niemand etwas reinzureden.
Der erklärte große Fan von Rap-Musik hatte noch eine Warnung an die Schüler parat: "Wenn wir das nachmachen, was unsere Hip-Hop-Stars in ihren Geschichten über Drogen, Sex und Gewalt erzählen, dann werden wir nicht Millionär, sondern landen im Knast oder gehen sogar drauf.“
Dominik Forsters Geschichte scheint jedoch noch nicht zu Ende geschrieben. Obwohl er bei seinem Vortrag gesund aussah, leide er an den Folgen des Drogenkonsums, bezeichnet sich nach wie vor als drogensüchtig. So sei sein Körper durch die Drogen ziemlich zerstört, habe er eine posttraumatische Belastungsstörung, psychische Krankheiten, Panikattacken, Paranoia. Seine Bauchspeicheldrüse sei kaputt, irgendeine Stelle seines Körpers immer entzündet und er habe chronisches Asthma.
Dominik Parker beeindruckt bei seinem Vortrag vor allem das weibliche Geschlecht. Viele himmeln ihn an wie einen Popstar, wollen am Ende Selfies mit ihm machen.