Die Turngemeinde Veitshöchheim feierte beim traditionellen Ehrungsabend im Feuerwehrhaus ihr 140jähriges Wiegenfest
Erinnerungsfoto 140 Jahre TGV beim Ehrungsabend im Feuerwehrhaus mit Verantwortlichen, Ehrengästen und Geehrten
In aller Bescheidenheit gedachte die derzeit über 2.000 Mitglieder zählende Turngemeinde Veitshöchheim im kleinen Kreis beim 1999 eingeführten Ehrungsabend für langjährige Mitglieder, Verantwortliche und Übungsleiter im Vereinsraum des Feuerwehrhauses ihrer Gründung vor 140 Jahren.
Repräsentative Festschrift ersetzt aufwändige Jubiläumsfeier
Mit der Herausgabe einer reichbebilderten 72seitigen, durch eine Vielzahl von Anzeigen finanzierten Festschrift mit ausführlicher Darstellung der Angebote, der Sportstätten und des Service für die Mitglieder, an alle Haushalte im Ort verteilt, möchte die Vereinsführung der Bevölkerung dieses Jubiläum und den unschätzbaren ehrenamtlichen Einsatz in der TGV der Bevölkerung ins Bewusstsein rücken.
"Die finanziellen Risiken der 2019 anstehenden (0,9 Mio. Euro teuren) Sanierung des TGV-Sportzentrums verbieten aufwändige Feiern; finanzielle Belastungen für Mitglieder sollen begrenzt werden" so begründet Vorsitzender Wolfgang Diedering in der Festschrift, dass das ein Jahr zuvor in in der Delegierten-Versammlung angekündigte Vorhaben, das 140-jährige Jubiläum am 14. Oktober 2017 mit einem bunten Programm in der Dreifachturnhalle unter Einbeziehung der Freisportanlage feiern zu wollen, nicht zum Tragen kam, da laut Erklärung von Diedering die Abteilungen überwiegend keine eigene Jubiläums-Veranstaltung wollten.
18 Mitglieder für langjährige Treue geehrt
Beim Ehrungsabend im Feuerwehrhaus zeichneten Diedering und die Sportvorsitzende Ruth Lehrieder langjährige Treue zum Verein mit einer Urkunde des BLSV und Essensgutscheinen aus: Für 70 Jahre Dieter Scholz, für 60 Jahre Günther Röhm, Rotraut Götz und Gabriele Siebenlist, für 50 Jahre Christa Röhm, für 40 Jahre Hannelore Baumgart, Ernst und Renate Bukowski, Helmtrud Hornung, Ulrike Ißleib, Rainer Kinzkofer, Inge Lutz und Margot Strohmenger, sowie für 25 Jahre Manuel Deisenberger, Toska Schlehr, Christoph Trampe, Oliver Wohlmuth und Helga Zolnhofer.
Eine Sonderehrung erfuhr der Ehrenvorsitzende Herrmann Muth, der nach 30 Jahren Dienst für die TGV in den verdienten Ruhestand gehen wollte. 1986 zum Vorsitzenden gewählt und bis 1996 in dieser Funktion tätig, war Muth immer wieder der TGV hilfreich zur Seite gestanden, insbesondere 2008 als kommissarischer Vorsitzender und 2010 für sechs Monate als nochmals gewählter Vorsitzender. Als Laudator hat er sich bei anstehenden Ehrungen immer wieder zur Verfügung gestellt.
Ein etwas anderer Rückblick auf 140 Jahre TGV
Vorsitzender Diedering hielt vor der Ehrung einen etwas anderen Rückblick auf 140 Jahre Turngemeinde. Um Licht in das teilweise Dunkel der Vereinsgeschichte vor allem vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu bringen, hatte er in den Unterlagen des Vereinsregisters im Amtsgericht gestöbert, um die unterschiedlichen Zielsetzungen des Vereins in den jeweils geltenden Satzungen und wie sich der Verein im Laufe der Zeit verändert hat, vor Augen zu führen. Doch waren dort die Unterlagen 1945 kriegsbedingt verbrannt. Jedoch fand er in den Vereinsannalen die Satzung von 1893, die als Zweck die körperliche und geistige Ausbildung junger Leute im Orte Veitshöchheim durch Turnübungen, Gesang und Vorträge zum Inhalt hatte.
Befähigt zur Aufnahme war damals als Turner jeder junge Mann nach zurückgelegtem 18. Lebensjahr, der einen unbescholtenen Lebenswandel führt. Der reine Turnverein erweiterte sich ständig. 1914 kam eine Sängerriege und 1919 eine Faustballabteilung dazu. Die Damen wurden 1924 mit einer Turnriege aktiv.
Die von der nationalsozialistischen Staatsführung 1935 aufgezwungene Satzung bezweckte die leibliche und seelische Erziehung der Mitglieder im Geiste des nationalsozialistischen Volksstaates durch die planmäßige Pflege der Leibesübungen, insbesondere des deutschen Turnens im Geiste Friedrich Ludwig Jahns. 1945 wurde die TGV von den Amerikanern aufgelöst und die örtlichen Vereine 1947 zusammengefasst in der „Kultur- und Sportgemeinschaft Veitshöchheim“.
Die Neugründung der TGV erfolgte 1948 zu dem Zweck "Förderung des Sports und der Geselligkeit, körperliche Ertüchtigung und geistige Bildung der Mitglieder in den Sportarten Fußball und Leichtathletik. 1957 wurde der Zweck unter Darstellung von zehn Abteilungen geändert in "Hebung und Förderung der Volksgesundheit, Hygiene und Erholung durch Pflege des Sports in allen seinen Arten, des Spiels, der Wanderungen und des Gesangs auf volkstümlicher Grundlage und der Pflege kultureller und geselliger Veranstaltungen (Tanz und Faschingsveranstaltungen) zur Förderung des Vereinslebens.“ 1964 fiel die „Hygiene“ als Vereinszweck weg und seit der grundlegenden Satzungsreform 1998 ist die TGV ein reiner Sportverein nach der Mustersatzung des BLSV.
Seit 1964 gibt es aktive und passive Mitglieder sowie Jugendliche und seit langem ist aus dem ursprünglichen Verein für junge Männer ein Verein für Alle geworden, für Jung (34 Prozent sind minderjährig) und Alt (20 Prozent sind über 61 Jahre alt), zu je 50 Prozent männlich und weiblich. Allerdings verzeichnet die TGV derzeit nur noch 187 passive Mitglieder, 2012 waren es noch 231. Nicht zuletzt durch den hohen Grundbeitrag von 68 Euro verlassen viele Mitglieder nach ihrer aktiven Zeit wieder den Verein. Rund 8.500 Stunden Regelsportprogramm hat der Verein laut Festschrift im Vorjahr durchgeführt und dafür 360.000 Euro aufgewendet, zur Hälfte aus Beiträgen finanziert.
Lebendig und fit bleibt die Jubilarin TGV laut Diedering vor allem durch die derzeit 80 Übungsleiter, an die hohe Anforderungen gestellt werden und durch die ehrenamtlichen Mitarbeiter in unterschiedlichsten Funktionen und bei vielen Anlässen wie die Übernahme von Aufgaben in den Abteilungen, der Vereinsleitung und der Mitwirkung beim Weinfest und sonstigen Veranstaltungen.
Vom fünfköpfigen Vorstand müssen nach dem Ressortprinzip 80 Übungsleiter, acht Mitarbeiter, 4.200 Quadratmeter Gebäudenutzfläche mit Ausstattungen auf 12.500 Quadratmeter Grundstücksflächen betreut, kontrolliert, erhalten und verwaltet werden.
Bürgermeister Jürgen Götz übergab beim Ehrungsabend den bei Vereinsjubiläen obligatorischen Scheck der Gemeinde an den TGV-Vorsitzenden Wolfgang Diedering, für 140 Jahre sind dies 700 Euro. Das Ortsoberhaupt gratulierte dem Verein zu diesem stolzen Jubiläum und unterstrich, wie in seinem und dem Grußwort des Landrates in der Festschrift, dass der Sport schon immer ein wichtiger Punkt im Veitshöchheimer Leben als unschätzbarer "Gesundheitserreger" darstellte, der Stress abbauen helfe und wohltuende Gemeinschaftserlebnisse fördere.
Jeder fünfte Veitshöchheimer sei Mitglied bei der TGV, die mit ihrem vielfältigen Angebot in den 16 Abteilungen in den drei Bereichen Leistungssport (Beispiel Turntalentschule), Breitensport (Sportabzeichen) und Gesundheitssport, von Aquafitness über Handball, Klettern, Pilates und Tennis bis hin zu Yoga-Stretching einen wichtigen Beitrag zur Lebens- und Wohnqualität des Ortes und vor allem auch zur Integration in jeder Hinsicht leiste.
In Anerkennung dessen habe die Gemeinde schon unter seinem Vorgänger Rainer Kinzkofer ideale Rahmenbedingungen u.a. durch das gemeindliche Schulsportzentrum und das Sportförderprogramm wie auch durch großzügige Investitionszuschüsse wie derzeit von 225.000 Euro für die Dachsanierung der TGV-Hallen geschaffen. Er freute sich, dass die TGV seit der außerordentlichen Delegiertenversammlung am 26. Oktober 2017 nun wieder einen kompletten Vorstand hat und dankte allen Funktionsträgern des Vereins auch in den Abteilungen für ihren engagierten Einsatz.
Sportvorsitzende Ruth Lehrieder verabschiedete beim Ehrungsabend die Leichtathletin Tanja Balling, die bei der TGV ein Freiwilliges Soziales absolviert hat und stellte mit der Turnerin Eva Hausmeyer ihre Nachfolgerin vor.
Herausforderungen
Wie Lehrieder in der Festschrift schreibt, habe die TGV sportlich gesehen, trotz sehr üppiger Konkurrenz im Ort sehr gut gefüllte Kinder- und Jugendgruppen in allen Bereichen. Die TGV stehe hier aber vor der Herausforderung, zu den Nachmittagsstunden das Übungsleitergefüge auszubauen. Dies gelinge derzeit nur mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Sport, das Jugendliche nach ihrer Schulausbildung seit über zehn Jahren gerne bei der TGV ausüben. Diese finanzierbare Vollzeitstelle sei aus dem Turngemeindealltag nicht mehr wegzudenken und für beide Seiten eine einzige Erfolgsgeschichte. So absolvierte nun auch Eva Hausmeyer zu Beginn ihrer Tätigkeit einen dreiwöchigen Übungsleiterlehrgang, um dann mit der Hälfte ihrer Arbeitszeit im Sportbetrieb tätig zu sein und zur anderen Hälfte die Geschäftsstelle zu unterstützen.
Vor dem gleichen Problem steht die Sportvorsitzende auch im Seniorenbereich. Auch hier wachsen die Wünsche, auch regelmäßig in den Vormittagsstunden Sport treiben zu können, wie dies bereits seit mehr als 25 Jahren in der Fitness- und Kraftsportabteilung an zwei Vormittagen der Fall ist. Lehrieder sucht deshalb rüstige Rentner, die bereit sind, in eine Übungsleiterausbildung einzusteigen.
Neben der Vielfalt des Breitensportangebotes nimmt aber auch der Leistungssport eine ganz wichtige Rolle im Vereinsalltag ein. Jährlich werden so an die 100 Sportler für ihre hervorragenden Leistungen im zurückliegenden Jahr geehrt. Dazu zählen regelmäßig Mannschaftserfolge in den Sportarten Badminton, Handball, Leichtathletik, Tischtennis, Tennis, Volleyball und vor allem auch im Gerätturnen. Voller Stolz blicke die TGV, so Lehrieder, auf die Verleihung des Turntalentschulenprädikats vor acht Jahren zurück.
Dass die TGV in ihrer langjährigen Geschichte nicht isoliert und diese geprägt war, von einem Hinzukommen und Ablösen von Gruppen, auch dies dokumentiert eindrucksvoll die Festschrift. So war der Fußballverein SV 1928 Veitshöchheim von 1937 bis 1953 eine Abteilung der TGV. Gemeinsamkeiten gibt es auch mit den Sängern und dem Karneval. Der gemischte Chor der TGV wechselte 1994 zum Männergesangverein. Eine Karnevalsabteilung gab es in der TGV ab 1957, die auch Prunksitzungen und Faschingsumzüge durchführte, bis dann 1966 Veitshöchheimer Carnevals-Club gegründet wurde. 1975 löste sich der Tennisclub auf und wurde eine Abteilung der TGV. Die seit 1963 bestehende Leichtathletikabteilung kooperiert seit 2003 mit dem LAZ Kreis Würzburg.
Seit der außerordentlichen Delegiertenversammlung am 26. Oktober 2017 ist der fünfköpfige Vorstand der TGV nun wieder komplett.