An Ostern vor 70 Jahren: Wie Veitshöchheim das Kriegsende erlebte - am 6.4.1945 kamen die Amerikaner
Zeugnis des Krieges im Veitshöchheimer Hofgarten: Am 31. März 1945 wurde die 1772/73 vom Stukkateur Materno Bossi und dem Hofbildhauer Johann Peter Wagner erstellte Kaskade durch eine Fliegerbombe, die eigentlich die außerhalb der Hofgartenmauer angrenzenden Bahnanlagentreffen sollte, völlig zerstört. An die historische Gartenstaffage erinnern die wieder aufgestellten Säulen. Das historische Foto wurde von der im Hofgarten aufgestellten Tafel abfotografiert (es stammt von Gundermann vor 1935), das untere Foto wurde heute mit dem Handy gemacht.
/image%2F1394268%2F20150403%2Fob_601063_fleckenstein.jpg)
Gegen Ende des Krieges war Professor Dr. habil. Heinrich Fleckenstein Pfarrer in Veitshöchheim (von 1943 bis 1946). Wie auch andere Pfarrer des Bistums Würzburg dokumentierte er das Kriegsgeschehen der letzten Wochen in seiner Pfarrei.
Veröfentlicht wurde dieses Dokument in dem 2005 im Echterverlag Würzburg erschienenen Buch "Kirche in Trümmern? Krieg und Zusammenbruch 1945", das im Auftrag des Diözesanarchivs Würzburg von Verena von Wiczlinski unter Mitwirkung von Petra Ney und Verena Spinnler herausgegeben wurde.
So berichtet Pfarrer Fleckenstein (1907-1995), dass in der Karwoche 1945, am Montag und Samstag in der Gemeinde zwei Bombenangriffe auf den Rangier- und Verschiebebahnhof Würzburg-Zell/Veitshöchheim zu verzeichnen waren.
Die erste Bombenwelle am Montag lag zu früh und traf die Weinberge, Felder und zwei Häuser hinter dem Friedhof. Die nächsten Wellen lagen unmittelbar rechts und links des Bahnkörpers und zerstörten zehn Wohnhäuser und richteten große Schäden im Hofgarten an. Im Feld und in den Kellern kamen insgesamt acht Menschen aus der Pfarrei und 18 Soldaten ums Leben.
Am Karsamstag, 31. März, lagen dann die Bomben nur in der ersten Welle im Ortsbereich, drei Wohnhäuser wurden total, mehrere schwer beschädigt, fünf Tote. Im Pfarrhaus wurden am 26. März fast alle Fensterscheiben zerstört, das Dach verlor die Hälfte der Ziegel. Im Pfarrgarten lag eine Bombe unmittelbar vor dem großen Tor und zerstörte das Tor sowie die Umfassungsmauer auf etwa zehn Meter. Die Kirche bekam durch einige Steine von der Bahn her geringfügige Ziegelschäden und einige Fensterschäden.
Von Karsamstag bis Freitag nach Ostern war die gesamte Gemeinde täglich und nächtlich in den Kellern bzw. den kleinen Landhäuschen in den Weinbergen und Wäldern.
Donnerstags um elf Uhr begann ein zweistündiges Artillerie-Bombardement auf das Dorf, bei dem viele Wohnhäuser beschädigt wurden und eine Flak-Helferin von auswärts auf der Straße getötet wurde. Dasselbe wurde die ganze Nacht von Donnerstag bis Freitag fortgesetzt. Wieder wurden viele Häuser, namentlich um den Bahnkörper, teilweise recht stark beschädigt (darunter auch das Haus des Pfarrers i. R. A. Schmitt in der Friedhofstraße).
Am Freitag forderte die Bevölkerung vom Bürgermeister stürmisch die Übergabe, nachdem die Nachbargemeinde Margetshöchheim schon tags zuvor die weißen Fahnen gesetzt hatte. Die meisten der hier vor Anker liegenden Rhein- und Mainschiffe widersetzten sich mit Erfolg den Versenkungsbefehlen.
Übergabe an die Amerikaner
Am Freitag, 6. April 1945, nachmittags 14 Uhr erschien die amerikanische Abordnung, die Gemeinde wurde übergeben und ohne Schuß besetzt. Die Amerikaner besetzten Schule, staatliche Lehreranstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau, die Gasthäuser "Würzburger Hof" und "Stern". Die teilweise zerstörten und vereinzelt noch brennenden Heeres-Proviantämter wurden von den abziehenden Deutschen und dann von den Amerikanern der Gemeinde, dann auch der Bevölkerung freigegeben, die sich reichlich mit Lebensmitteln eindeckte. So war die gröbste Not, die Ernährungsnot, auf längere Zeit abgewehrt. Dafür erhebt sich groß die Wohnungsnot, da außer den Deutschen aus dem Westen noch fast 2.000 Würzburger hier weilten und nun auch noch für die Menschen aus den von den Amerikanern besetzten Wohnungen Unterkunft beschafft werden mußte und über 30 Wohnungen durch den Krieg zerstört waren. Noch heute zählt die Gemeinde statt ihrer 2.500 Einwohner fast 4.500.
Pfarrer Fleckenstein: "Wir danken dem Herrn, daß wir trotz des wichtigen Bombenzieles und der zwei schweren Angriffe darauf verhältnismäßig gnädig durch die Endphase des Krieges kamen. Sämtliches Kirchengut: Pfarrkirche, Martinskapelle, Bilhildisheim und Pfarrhaus kamen mit Dach- und Fensterschäden ohne irreparablen Schaden davon.
Die Häupter der NSDAP, darunter der amtierende Bürgermeister, wurden bald verhaftet, nur einer war geflohen. Lange Wochen führte der bisherige Zweite Bürgermeister Sebold, ein unbescholtener Mann, die Geschäfte, bis Mitte Juni ein neuer ernannt wurde, ein früherer Sozialdemokrat, der aber seine religiösen Pflichten als Katholik stets erfüllt hat. Die Leute mußten einen Teil der Lebensmittel wieder abgeben, die dann von Polen, Italienern und anderen Fremdarbeitern rasch verbraucht wurden. Die Lehranstalt büßte in dieser Zeit einmal in einer Woche für gut 3.000.Reichsmark Wein ein. An den Proviantämtern kam noch ein Mann ums Leben.
Bei den Aufräumungsarbeiten am Bahnhof wurde von dem Neger-Bautrupp eine kleine Wasserunterführung zugeschüttet, in der noch 12 bis 15 tote deutsche Soldaten liegen sollen.
Die Amerikaner benehmen sich im wesentlichen anständig. Prozessionen wurden gehalten und, soweit um Genehmigung nachgesucht wurde, auch anstandslos genehmigt. Bei der Überquerung der Hauptstraße bei der Fronleichnamsprozession regelten amerikanische Posten den Verkehr. Gewisse Häuser nehmen zwar Amerikaner nachts auf, aber ein Fall von Vergewaltigung ist hier nicht vorgekommen. Hoffentlich wird es gelingen, die materiellen und die noch größeren moralischen Kriegsschäden nach und nach zu beheben."
Zur Übergabe des Ortes an die Amerikaner schreibt Thomas Struchholz in seiner 2012 erschienenen Veitshöchheim-Chronik:
"Am Mittwoch 4.4.1945 wurde Margetshöchheim kampflos an die Amerikaner übergeben. Am Donnerstag erhielt der hiesige Landsturm noch Anweisungen zur "Verteidigung bis zum letzten Mann", was man sich aber aufgrund der am anderen Ufer sichtbaren Stellungen reiflich überlegte, sodass man die Anweisungen nur schleppend oder unzureichend befolgte.
Am Freitag setzten am späten Vormittag die Amerikaner von Margetshöchheim aus über den Main in einem Schelch über und verhandelten beim stellvertretenden Bürgermeister Sebold in der Unteren Maingasse. Die ersten weißen Fahnen hingen in den Fenstern einiger mutiger Leute, sie riskierten zu diesem Zeitpunkt, von einigen übereifrigen SS-Leuten standrechtlich erschossen zu werden.
Schließlich verhandelte der amerikanische Offizier mit dem Truppenrest nördlich der Eremitenmühle, sodann mit dem Rest südlich des Dorfes bei der Neuen Anlage. Sie wurden vor die Wahl gestellt, entweder ohne Waffen abzuziehen oder sich zu ergeben. Beide Truppenteile ergaben sich, damit war das Dorf "frei" und gerettet. Die amerikanische Artillerie hätte sonst nicht mehr lange gezögert und das Dorf dem Erdboden gleichgemacht, sie hatte sich ausreichend eingeschossen.
Zunächst übernahmen Franzosen und Italiener, die aus der Kriegsgefangenschaft befreit wurden, das örtliche Regiment, bis am 16.4.1945 die Amerikaner in das Schulhaus und den Kavaliersbau einrückten und die Ordnung wieder herstellten. Damit war für Veitshöchheim der Krieg offiziell beendet.
Zu diesem Thema wurde hier auf Veitshöchheim News auch schon 2012 ein Artikel veröffentlicht: