Nachtwächter erzählte aus Veitshöchheims alter Zeit über Kleinpariser, Schlösser, Kirchen und Gaststätten
Historisches über Schloss, Kirche und Gaststätten erzählte der Nachtwächter Professor Dr. Karl-Peter Sorge auf seiner Tour durch das Veitshöchheimer Altortzentrum.
„Passt‘s auf aufs Feuer und aufs Licht, dass heut Nacht kein Unglück gschiecht! Gelobt sei Jesus Christus!“ Mit diesem allgemeinen Ruf gingen in Veitshöchheim Nachtwächter noch bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges nachts durch die Straßen und Gassen, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen, vor Feuer, Dieben und Feinden zu schützen. Mit diesem Ruf brachte auch heuer wieder der Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Karl-Peter Sorge diesen alten Brauch am Ende der Altortweihnacht wie schon im Vorjahr in Erinnerung.
In Gestalt eines historischen Nacht- und Feuerwächters und ausgestattet mit einer Hellebarde, einer Laterne und einem Horn nahm er rund 60 Interessierte mit auf eine unterhaltsame Zeitreise durch ein Veitshöchheim, das es schon lange nicht mehr gibt. Mit sonorer Stimme und profunden Kenntnissen betrachtete der Hobbyhistoriker dieses Mal, mitunter mit kabarettistisch anmutenden Aussagen und Fragestellungen, wie sich der Ort durch den Schlossbau verändert hat, wie die Vituskirche entstand und welche Gaststätten es hier in alter Zeit gab.
So wusste ein jeder seiner Zuhörer zwar Bescheid, dass auf der anderen Mainseite die „Marokkaner“ zu Hause sind, aber nicht, dass hier die „Kleinpariser“ wohnen und auch nicht warum sie so genannt werden. Veitshöchheim heiße deshalb „Kleinparis“, so seine Aufklärung, weil der Hofgarten das Versailles des Fürstbischofs gewesen sei. Und heute habe seit einigen Jahren der Ort mit Bürgermeister Rainer Kinzkofer einen von Pfarrer Neeser bei einem Neujahrsempfang kirchlich geadelten Sonnenkönig.
Auf dem Podest vor dem historischen Gebäude des Ratskellers stehend, erzählte Sorge, dass es hier um 1680 sogar drei Schlösser gab,nämlich das Jagdschloss des Fürstbischofs sowie um den Rathausplatz das untere und das obere Schloss, das ein altes Wasserschloss war.
1748 bis 1753 wurde dann das Jagdschloss zur größeren Sommerresidenz des Fürstbischofs ausgebaut und der Hofgarten zu dem gemacht, was er heute ist. Dabei machte man auch die zwei weiteren Schlösser nieder, denn der Fürstbischof, so Sorge, brauchte eine gute Küche. Deshalb wurde da, wo heute der Ratskeller steht, ein Küchentrakt errichtet und von hier das Essen zur Anrichtküche ins Schloss getragen.
Wo heute der Mittelbau ist, wurde damals eine Wachstation für den Fürstbischof errichtet. Der Kavaliersbau, wo seit den 70er Jahre das Rathaus untergebracht ist, diente damals als Gästehaus des Fürstbischofs.
Später dienten die Bauten im heutigen Rathaushof mehreren Funktionen. Schon immer war Veitshöchheim Fremdenverkehrs-, Luft- und Kneippkurort. So wurde der Kavaliersbau einige Jahre bis 1903 als Kneippanstalt genutzt, bis dann die Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau einzog.
Der Küchentrakt gegenüber diente der Lehranstalt als Chemielabor zur Untersuchung von Weine und Mösten, bis schließlich die Landesanstalt an der Steige gebaut wurde und die Gemeinde in den 70er Jahren den Trakt zum Ratskeller umbaute.
An der nächsten Station, am Ende des 12. Jahrhunderts erbauten Turms der Vituskirche, erläuterte der Nachtwächter die Entwicklung der Kirche.
Früher ging man durch den jetzt großteils zugebauten Torbogen des Turms in die Kirche Sankt Veit, die 1290 dem Ort den Namen gab. Sie war damals sehr schmal und hatte eine Tiefe von 20 Meter. Erst unter Fürstbischof Johann Gottfried von Guttenberg (1645 bis 1698) entstand die Kirche in der heutigen Form. Der Erbauer stiftete der Kirche denn auch 1691 einen Altar. Der Friedhof um die Kirche musste damals an die Martinskapelle verlegt werden.
Nach der Erzählung, wie früher hier an der Kirche Weihnachten gefeiert wurde, stimmte Sorge die Weihnachtslieder „O Du Fröhliche“ und „O Tannenbaum“ an, die seine Zuhörer denn auch fleißig mitsangen.
Veitshöchheim hat sich damals nach seinen Worten ziemlich verändert, vor allem was die Gaststätten anbelangt. Die Würzburger kamen immer nach hier zur Sommerfrische. So wurde 1652 urkundlich erwähnt, dass die Gemeinde eine Schankstätte am Main hatte, wo heute die „Fischerbärbel“ ist.
Nicht mehr wieder zu erkennen ist die Situation an der dritten Station in der Würzburger Straße. Das 1689 errichtete Gasthaus „Goldener Stern“ wich im Rahmen der Altortsanierung dem neu erbauten Bilhildishaus.
Der nächste Halt an der vierten Station erfolgte in Höhe des bereits 1739 mit Unterstützung des Fürstbischofs gebauten Würzburger Hofs, der damals „Roter Ochsen“ hieß. 1874 wurde er zum Würzburger Hof umgebaut und wie auch sonst im Ort ein Saal und ein Biergarten angegliedert, weil laut Nachtwächter die Freizeit am Wochenende immer größer wurde. Es gab dann zur Körperertüchtigung Turnerschaften und zur Lungenertüchtigung Sängerschaften. Darauf hätten sich auch die Gaststätten eingerichtet.
Das Spundloch kam erst sehr spät um 1880 als kleine Schankstube in den Altort, damals noch „Rose“ genannt. Im Dritten Reich hieß sie „Tückelhäuser Braustube“, ehe dann in den achtziger Jahren durch die Familie Obert der Umbau der Rose mit Erweiterung nach hinten zum Gasthaus „Spundloch“ erfolgte.
An der fünften Station im Kreuzungsbereich zur Bahnhofstraße erzählte der Nachtwächter dann, dass da, wo heute die Sparkasse ist, nach Umzug des Schankrechts vom Main die älteste Gaststätte stand, die „Goldene Krone“ mit großem Saal. Später war hier der Konsum und das „Späteck“ drin.
In Sichtweite wurde das Weiße Lamm 1780 gebaut mit einem Saal oben, bevor es nach längerem Leerstand im Rahmen der Sanierung umgebaut wurde. Wo heute das Escavinum ist, war früher der Veitshöchheimer Küfer zu Hause, die Familie Sebold, die auch Weinbau hatte und deshalb hier eine Probierstube unterhielt. Aus dieser wurde später dann die Büttnerschänke, daneben gab es eine Metzgerei.
Wie der Nachwächter schon im letzten Jahr berichtet hatte, gab es in den 50er Jahren im Altort für die etwa 4.000 Einwohner noch vier Metzger, fünf Bäcker, fünf Lebensmittelgeschäfte und sieben Wirtshäuser.
Aufwärmen konnten sich die Teilnehmer nach all diesen interessanten Ausführungen des Nachtwächters mit einem „Orangenpunsch“, serviert im Escavinum, gesponsert durch den Verkehrs- und Gewerbeverein.