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Wie vor 90 Jahren die NaturFreunde trotz Verbot und Enteignung ihres Hauses im Edelmannswald durch das Nazi-Regime ihr Vereinsleben fortsetzten - Das 95jährige Ehrenmitglied Helmut Försch war Zeitzeuge

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Als Zeitzeuge rief dieser Tage bei einem Treffen im NaturFreundehaus das Ehrenmitglied der NaturFreunde Würzburg-Veitshöchheim, der 94jährige Helmut Försch (* 4. Juli 1928 in Würzburg) die für alle NaturFreunde in Deutschland schreckliche Zeit der Nazi-Diktatur in Erinnerung, auf dem Foto v.l.n.r. Sigi Hofmann (Vergnügungs- und Wanderwart), Reinhold Gütling (Kultur- und Umweltreferent), Helmut Försch (Ehrenmitglied), Hans Hanke Ehrenmitglied und Liegenschaftsreferent), Christel Schramm (Wegewartin und Wanderleiterin) und Uli Birkhold (2. Vorstand, Schriftführer und Wanderwart).

Die 1913 gegründete Ortsgruppe folgte damit einem Aufruf des Landesverbandes zum bayernweiten Gedenken an die Ereignisse vor 90 Jahren, als am 30. März 1933 kurz nach Hitlers Machtübernahme das nationalsozialistische Regime neben den Arbeitnehmerorganisationen auch die damals 60.000 Mitglieder zählende Organisation der NaturFreunde verbot und mit einer Bekanntmachung im „Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Generalanzeiger“ vom 22. September 1933 auch das Vereinsvermögen inklusive der 220 NaturFreundehäuser in Deutschland beschlagnahmte und diese zweckentfremdete.

Das Schild über dem Türstock am Eingang des NaturFreundehauses mit dem Logo der NaturFreunde – ein Handschlag, aus dem drei Alpenrosen „sprießen“ und dem Gruß  „Berg frei!“ als das verbindende Element und Erkennungsmerkmal der Organisation offenbart auch das Baujahr 1921 des Hauses, das bis zur Eingemeindung Gadheims nach Veitshöchheim am 1. Juli 1976 noch zu Oberdürrbach gehörte.

Zwölf  Jahre  nach der festlichen Einweihung des NaturFreundehauses am 5. Juni 1921 befand sich der heuer sein 110jähriges Bestehen feiernde  Verein damals noch im Aufbau.

Was die schreckliche NS-Zeit für die bis zum Verbot 300 Mitglieder zählende Ortsgruppe brachte,  kann wie kein anderer als Zeitzeuge Helmut Försch wiedergeben, dessen Eltern damals als Mitglied den  NaturFreunden angehörten und mit denen er in seiner Kinheit und Jugendzeit fast jedes Wochenende dort verbrachte. Auch musste er während der Nachkriegswirren gemeinsam mit weiteren Familien ins Naturfreunde-Haus Veitshöchheim ziehen, da sein Elternhaus in Würzburg-Grombühl völlig zerstört war, wohin er erst nach mehreren Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern zurückkehren konnte. Das Ehrenmitglied hat 1947 die Naturfreundejugend in Würzburg gegründet und betätigte sich jahrzehntelang bei den Naturfreunden als Schriftführer, Hüttenwart und Kulturwart, ehe er im Jahr 1983 und von 1992 bis 2004 das Amt des zweiten Vorsitzenden innehatte. Er tat sich stets durch sein kräftiges Zupacken bei Baumaßnahmen hervor.

Zudem hat er als Reproduktions-Fotograf, Historiker und Schriftsteller seine persönlichen Erinnerungen mehrfach festgehalten, so auch in seinem 155seitigem Buch „Mein Würzburg. Erinnerungen an die Jahre 1928 – 1958“, verlegt beim Echter-Verlag, Würzburg. In Würzburg mischte er sich u.a. ein in der Umwelt-, Friedens- und Anti-AKW-Bewegung, fürs Würzburger Stadtbild. Für all seine Verdienste wurde er 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

1934: Gründung einer Ortsgruppe des Fränkischen Albvereins (FAV)

Försch: „Die meisten Mitglieder waren dem Nazi- System gegenüber zwar kritisch eingestellt, verhielten sich aber unauffällig.“ So traten 150 der 300 Mitglieder bereits 1934  in die neugegründete Ortsgruppe des 1914 in Nürnberg gegründeten Fränkischen Albverein e. V. für Wandern, Heimatpflege und Naturschutz (FAV) ein. Das Nazi-Regime akzeptierte in Nordbayern die Gründung von fünf derartigen Ortsgruppen des FAV. Voraussetzung war, dass zwei Vorstandsmitglieder der NSDAP angehörten. So konnten die Würzburger NaturFreunde, so erzählte Försch, ihr vom Nazi-Regime dem FAV übereigneten Haus schon nach einem Jahr wieder unbehelligt von den Nazi-Schergen nutzen. Dieses lag abseits vom Schuss der für sie damals zuständigen Gemeinde Oberdürrbach. Das Haus zierte nun anstelle des NaturFreunde-Logos die Silberdistel des FAV.

Försch: "Als wir 1.April 1945  die Tafel mit der Silberdistel über dem Emblem der Natur­freunde wieder abnahmen, war für uns der Touristenverein „Die Naturfreunde“ wieder geboren." Es sei zwar noch mehr als ein Jahr vergangen,  bis die von der Militärregierung eingesetzte Zivilverwaltung die Li­zenz zur Wiedergründung der Ortsgruppe mit der Adresse Natur­freundehaus, Oberdürrbach 45 erteilte. Dass im Grundbuch die "Hütte" noch im Jahr 1960 dem FAV gehörte, merkte die am 10. Februar 1946 wiedergegründete Ortsgruppe erst, als der Freistaat Bayern für die Gewährung eines Zuschusses von 40.000 Euro für den Bau des Gästehauses einen Grundbuchauszug forderte.

Vereinsleben in der Nazi-Zeit

Viel zu erzählen hatte das Ehrenmitglied über die unbeschwerte Zeit vor dem Krieg, die er hier als Junge im NaturFreundehaus mit seinen Eltern und seinen Freunden erlebte. Der Betrieb sei hier ganz normal weiter gelaufen mit Zutritt nur für Mitglieder, nachdem sich die FAV-Ortsgruppe als reiner Wanderverein deklariert hatte.

Für ihn war es eine tolle Jugendzeit mit großer Freiheit für die zehn bis zwölf Kinder, die hier jedes Wochenende da waren.  Försch: "Die ganze Gegend in einem Radius von mehreren Kilometern kannten wir wie unsere Hosentasche. Fuchs- und Dachsbauten, die unzähligen Kletterbäume und Aussichtskanzeln zwischen Schenkenschloss und Ravensburg, zwischen „Gebranntes Hölzle" und „Thüngersheimer Platte", die Schleichwege durchs Unterholz und die markierten Wanderwege, das alles war unser. Direkt am Haus, wo heute die Gerätehalle steht, gab es eine Gartenlaube, für flüchtige Spielchen oder Unterhaltung geeignet, aber leicht einzusehen. Das Schlupfloch unter der Veranda oder hinterm Haus die Holzlege eigneten sich als Versteck oder für stille Beobachtungen."

Bis dann die Bombennacht in Würzburg am 23. Februar 1945 kam und im NaturFreundehaus mit einer Küche, einem Aufent­halts­raum und zwei Schlafräumen  40 ausgebombte Wanderfreunde eine Zuflucht fanden, die ohne Strom und fließendes Wasser und mit je einem Trockenklo für Damen und Herren im Freien auskommen mussten. Licht gab es mittels einer Gasflasche.  Försch war zu der Zeit als 17jähriger zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Als er am 27. März 1945 zurückkam, fand er seine Mutter mit seinen jüngeren Brüdern in der Hütte am Edel­mannswald. Bis Ende April 1945 waren hier noch 20 Personen, Ende 1946 noch drei Familien  und die Familie von Försch als letzte noch bis Oktober 1948 untergebracht.

Die Versorgung mit Lebensmitteln war schwierig, denn wenn man schon etwas legal erwerben konnte, musste es erst kilometerweit hinauf zum Kalten Brunnen ge­schleppt werden. An Hilfe von irgend­ wel­chen Hilfsorganisationen war nicht zu denken. In den von den Alliierten zerbombten Verpflegungs­lagern im Bereich des Rangierbahnhofs trafen Försch und seine Freunde auf  unzählige Menschen, die wegschleppten, was sie tragen konnten, so Schokolade, Butter in 20 Kilo-Kartons, Käseräder, Fleisch und Wurst in Dosen.  In einem bren­nenden Silo stand das Speiseöl knöchel­tief und von oben tropfte bren­nen­der Zucker her­un­ter.  Ein Bauer nahm sie auf seinem Fuhrwerk mit den Schätzen mit bis Gadheim, wo sie  dann nicht mehr weit zur Hütte hatten.  Für einige Zeit war für Essen gesorgt, wenigstens für die Beilagen, denn Brot und Kartoffeln hatten sie nicht gefunden.

Die Vor­räte waren aber schnell aufgebraucht, die Väter noch in Gefangenschaft, Briefe wurden nicht be­fördert, es gab kein Geld und die Läden, so überhaupt welche geöffnet sind, anscheinend leer.  Und als dann die Amis da waren, sind die Jungs weiter unterwegs und ­schauten, wo sie was orga­nisieren können.  Försch: "Das Zusammenleben so vieler Menschen auf kleinstem Raum hat sich, durch das gemeinsa­me Schicksal genötigt, schnell einge­spielt.  Eine Gemeinschaft, aus der Tradition der Arbeiterbewegung und der Not geboren, hat sich wieder einmal bewährt."

Nachkriegszeit

Försch verdingte sich zunächst bei der Bahnmeisterei als Schweißer für die Wiederherstellung der Bahngleise. Er half mit beim Bau einer Baracke mit 18 Betten neben dem Haus. Dank eines Dieselgenerators gab es 1946 erstmals Licht im NaturFreundehaus.

1948 grub Försch selbst die Löcher für acht einfache und zwei A-Masten, um von Gadheim her die "Hütte" an die Stromversorgung anzuschließen. 1954 folgte der erste Bauabschnitt des Rückgebäudes für zwei Zimmer mit zwei und drei Betten, einer Toilette mit Senkgrube und einer Werkstatt. 

1956 gab es dann nach dem Bau einer Leitung vom Kalten Brunnen (Archivfoto links) mit Pumpe erstmals fließendes Wasser.

Die Gemeinde Veitshöchheim erlaubte dann 1965 die Verlegung eines Abwasserkanals mit rund 200 Meter Länge in einer Tiefe von 1,80 Meter bis zur Ortsgrenze, die Försch und seine Mitstreiter mit Pickel und Schaufel in der Ferienzeit bewerkstelligten. In den folgenden 20 Jahren wurde dann das Gästehaus in mehreren Bauabschnitten auf 40 Betten erweitert. Es erfolgte auch der  Ausbau der Zufahrtstraße mit Parkplätzen, Einzäunung, Außenbeleuchtung und der Bau der unteren Terrasse.

Nach der Eingemeindung Gadheims im Jahr 1976 schloss die Gemeinde Veitshöchheim für das NaturFreundehaus im Jahr 1980 die Wasser- und Stromversorgung sowie einen Abwasserkanal in neuer Trasse an ihr Versorgungsnetz an. Über die all Jahre war die Hütte im Sommerhalbjahr ehrenamtlich immer gastronomisch bewirtet.

Rückblickend stellt Helmut Försch fest, dass er als gelernter Maurer für das NaturFreundehaus so viel Zeit und Material investiert hat, dass er mit diesem Aufwand leicht ein Einfamilienhaus hätte bauen können.

 

Text und Fotos: Dieter Gürz, Archivfotos aus Festschrift 100 Jahre

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