Generalsanierung der Bundeswehrwohnanlage: Gemeinde Veitshöchheim errichtete zur Rettung von Schwalben zehn Meter hohen Turm
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Passanten, die derzeit die Wolfstalstraße passieren, können sich keinen Reim darauf machen, weshalb auf einer Rasenfläche der im Eigentum der Gemeinde stehenden Bundeswehrwohnanlage ein zehn Meter hoher Holzturm errichtet wurde. Des Rätsels Lösung: Wie v.r.n.l. Bürgermeister Jürgen Götz, Marc Sitkewitz von der LbV-Bezirks-Geschäftsstelle in Veitshöchheim sowie Juliane Strifler und Sabine Hartmann vom gemeindlichen Hochbaureferat beim Pressetermin erläutern, befinden sich im Dachbereich des Turmes 30 Kunstnester für Schwalben.
Für die auf 4,8 Millionen Euro veranschlagte Generalsanierung der 54 Wohnungen der im Eigentum der Gemeinde stehenden, in den 60er Jahren gebauten Bundeswehrwohnanlage Heidenfelder Straße 20 - 28 und Wolfstalstraße 30 - 34 vergab der Gemeinderat In der Sitzung am Dienstagabend nach Beschränkten Ausschreibungen durch die Planer (Architektur: Ruhl + Albert GmbH, Würzburg und Technik: Ingenieurbüro Martin, Uettingen) die ersten Gewerke, so die Dämmarbeiten (für Heizung und Sanitär) an die Firma Hartmann Isoliertechnik GmbH, Gerolzhofen in Höhe von 13.381 Euro und Abbrucharbeiten an die Firma PK Abbruch GmbH, Marktbreit in Höhe von 85.871 Euro.
Insgesamt ist vorgesehen, die Fassade neu zu dämmen, die Dächer zu sanieren und in diesem Zusammenhang auch die oberste Geschoßdecke und die Kellerdecken zu dämmen, die ungenützten Kamine und die alten Balkone abzubrechen und gegen vor die Fassade gestellte Stahlkonstruktionen zu ersetzen, die Terrassen zu erneuern sowie die zentrale Heizanlage auszutauschen gegen effiziente Gasthermen mit Erneuerung der Warmwasserversorgung und Installation von Solarthermie auf den Dächern.
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A-23-19 Mehlschwalbe - Zdenek Tunka_LBV Bildarchiv
Vor der Auftragsvergabe musste die Gemeinde als Bauherr noch eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme in die Wege leiten. Die Wohnanlage hat nämlich den Status eines "Schwalbenfreundlichen Hauses". Im Rahmen der Voruntersuchungen wurden in den Traufgesimsen 24 bewohnte Schwalbennester entdeckt, mit der Folge, dass die in Veitshöchheim ansässige Bezirksgeschäftsstelle des Landesbundes für Vogelschutz Bayern (LbV) aufgrund der Vorschriften des § 44 Bundesnaturschutzgesetz die Fassadensanierung ökologisch zu begleiten hat. Nach dieser Vorschrift, so Geschäftsstellenleiter Marc Sitkewitz, ist es verboten, geschützte Vogelarten, zu denen auch die Mehlschwalbe gehört, zu beeinträchtigen. Der rechtliche Schutz erstrecke sich nicht nur auf den Vogel selbst, sondern auch auf seine Lebens- bzw. Brutstätten (Nester), die nicht zerstört werden dürfen. Dieser gesetzliche Schutz ist ganzjährig gültig. Die Schwalbennester dürfen auch im Winterhalbjahr, wenn sie leer sind, nicht beseitigt werden. Da die Mehlschwalben ortstreu sind, werden sie bei ihrer Rückkehr aus dem Winterquartier im April/Mai die leerstehenden Nester wieder annehmen.
In begründeten Fällen, wenn wie hier eine Wärmedämmung an einer Hausfassade angebracht wird, dürfen entgegen den Verboten, die leeren Nester entfernt werden. Hierzu bedurfte es einer Befreiung nach § 67 BNatSchG von den Schutzvorschriften des § 44 (1) BNatSchG durch die Untere Naturschutzbehörde.
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Bevor die Befreiung erteilt wurde, hatte die Fachbehörde gemeinsam mit der Gemeinde als Hauseigentümer und dem LbV vor Ort erörtert, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, damit die Mehlschwalben nach der Maßnahme das Gebäude als Brutplatz wieder annehmen können. Als Lösung ergab sich, in der Nähe der Gebäude Kunstnester vorzuhalten. Da diese genau so hoch sein müssen, wie die alten Nester, blieb der Gemeinde nichts anderes übrig, als für 5.500 Euro aufwändig einen zehn Meter hohen Holzturm durch die Zimmerei Geiger errichten zu lassen.
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Der Turm wird nach Beendigung der Fassadensanierung wieder abgebaut und die Kunstnester an die alten Stellen im Dachgesims verlegt. Darunter sollen dann jedoch Kotbretter installiert werden.
Rauch- und Mehlschwalben kämpfen nicht nur mit Insektensterben – LBV-Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“
Merkblatt des LbV vom 09.04.2019 – Auszug
Schwalben sind eigentlich Sympathieträger. Früher galten sie als Boten des Glücks, die das Haus vor Feuer und Blitz sowie das Vieh im Stall vor Krankheiten bewahrten. Grundsätzlich fühlen sich die Vögel in einer vom Menschen geprägten Umgebung auch wohl, aber es werden von Jahr zu Jahr weniger. Grund dafür: es wird ihnen immer schwerer gemacht, geeignete Quartiere zu finden. „Oft erwartet die ortstreuen Langstreckenzieher nach teilweise über 12.000 Flugkilometern eine böse Überraschung bei ihrer Rückkehr: ihre Nester sind verschwunden und Netze oder Stacheln hindern sie am Anflug ihrer Brutplätze“, sagt LBV-Gebäudebrüterexpertin Sylvia Weber. Der LBV verleiht deshalb jedem schwalbenfreundlichen Haus eine Plakette, um andere Menschen darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig der Schutz von Schwalben ist.
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Rauchschwalbe---Andrea-Kammer---LBV-0373e138
Obwohl sie die beiden häufigsten Schwalbenarten in Bayern sind, ist die Rauch- wie auch die Mehlschwalbe bedroht. „Schwalben haben mit mehreren Herausforderungen gleichzeitig zu kämpfen. Es fehlt ihnen an Insekten als Nahrung, an Lehmpfützen als Material zum Nestbau und an Toleranz gegenüber ihren Nistplätzen an Gebäuden“, so Weber. „Doch jeder kann etwas für die Schwalben tun und mit dem aktiven Schutz von vorhandenen Nestern gleich anfangen.“ Denn der LBV zeichnet Gebäude mit vorhandenen und erhaltenen Nistplätzen für Schwalben als „Schwalbenfreundliches Haus“ mit einer Plakette aus. Alle Infos und ein Bewerbungsformular zur LBV-Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“ unter: www.lbv.de/schwalbenhaus.
Der Insektenmangel macht, wie vielen Vögeln, auch den Schwalben zu schaffen. Besonders zur Brutzeit benötigen sie viele Insekten, um die hungrigen Küken zu füttern. „Schwalben ernähren sich ausschließlich von Insekten, die sie im Flug erbeuten. Ausgedehnte Jagdgebiete mit artenreichen Wiesen und vielen Insekten werden aber unter anderem durch den Einsatz von Pestiziden immer seltener - in Städten wie auch auf dem Land“, erklärt die LBV-Expertin.
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A-23-19 Rauchschwalben_im_Nest - Andreas Hartl_LBV Bildarchiv