Nach über 35 Jahren vergeblichen Bemühens: Endlich Tempolimit 70 km/h an den Ein- und Ausfahrten der B 27 in Veitshöchheim
Sehr zur Freude von Bürgermeister Jürgen Götz und seinem Bauverwaltungsreferenten Gerhard Reichert stehen nun tatsächlich die 70 km/h Schilder im Bereich der drei Auffahrten auf die B 27 ohne Einfädelspur in Veitshöchheim (im Bild an der Nordabfahrt in Höhe der Aussegnungshalle des Friedhofes an der Martinskapelle). Auch für Altbürgermeister Rainer Kinzkofer ist es eine Genugtuung, dass das jahrzehntelange Bemühen der Gemeinde nun doch noch von Erfolg gekrönt wurde.
Wofür Rainer Kinzkofer während seiner 27jährigen Amtsperiode als Bürgermeister der Gemeinde Veitshöchheim vergeblich kämpfte, erreichte nun sein Nachfolger Jürgen Götz nach 22monatiger Amtszeit: Seit kurzer Zeit gilt an drei von vier Stellen der beiden Anschlüsse der B 27 in Veitshöchheim ein Tempolimit von 70 km/h.
Bereits seit 1980 ist das zu schnelle Fahren auf der im Jahr 1970 als Ortsumgehung des Altortes übergebenen B 27 in Höhe der Ortsdurchfahrt von Veitshöchheim ein Dauerthema. Es stand mit regelmäßiger Wiederholung immer wieder auf der Tagesordnung des Gemeinderates, war sehr häufig Gegenstand von Bürgerversammlungen und von zahlreichen Anträgen der Gemeinde auf verkehrsregelnde Maßnahmen an die zuständigen übergeordneten Stellen.
Bereits in den Jahren 1980 und 1982, also vor Kinzkofers Amtszeit hatte so die Gemeinde nach den Recherchen von Bauverwaltungsreferent Gerhard Reichert aufgrund einiger schwerer Verkehrsunfälle vergeblich beim Landratsamt Würzburg ein Überholverbot und eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h zwischen den beiden Abfahrten beantragt.
Damals ergab im Jahr 1980 die amtliche Verkehrszählung eine tägliche Belastung von 20.759 Fahrzeugen Richtung Würzburg und von 8.420 Fahrzeugen Richtung Thüngersheim.
Schon kurz nach seinem Amtsantritt 1986 hatte dann Rainer Kinzkofer aufgrund der Unfallhäufigkeit und aus Lärmschutzgründen erneut einen entsprechenden Antrag gestellt, der ebenfalls vom Landratsamt abschlägig verbeschieden wurde. Dieses begründete die Ablehnung damit, dass aufgrund von Messungen eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h aus Lärmschutzgründen nicht angeordnet werden könne. Die zunächst zugesicherte Unfallanalyse durch die HUK Coburg wurde nicht durchgeführt. Ohne Erfolg blieb auch der vierte Antrag der Gemeinde 13 Jahre später im Mai 1999.
Ermutigt durch die sehr bürger- und gemeindefreundliche Anordnung des damaligen Landrats Waldemar Zorn ein Jahr zuvor, auf der Umgehungsstraße von Erlabrunn Tempo 80 anzuordnen, sahen wenig später auch die Veitshöchheimer ihre Chance gekommen. Bürgermeister Rainer Kinzkofer bat im Oktober 1999 den damaligen Landrat Waldemar Zorn um seine Unterstützung. Dieser kam dann im Februar 2000 zusammen mit der Polizei vor Ort, um sich ein Bild über die von der Gemeinde geschilderten Gefahrensituationen zu machen. Er konnte sich dabei davon überzeugen, dass es an den Auffahrten ohne Einfädelspur (im Süden an der Auffahrt Richtung Karlstadt, im Norden an den Auffahrten in beiden Richtungen) fast täglich zu gefährlichen Situationen kommt, die man durch eine Geschwindigkeitsreduzierung vermeiden könnte. In den wenigen Minuten von Zorns Anwesenheit kreischten die Bremsen und ertönte ein Hupkonzert, als ein Autofahrer, vom Birkental kommend in die B 27 in Richtung Karlstadt einbog und ein aus Richtung Würzburg kommender Verkehrsteilnehmer offensichtlich zu schnell heranbrauste, so das er nur noch durch eine mehr oder weniger Vollbremsung einen Aufprall verhindern konnte.
Der Landrat erließ daraufhin im März 2000 eine verkehrsrechtliche Anordnung mit einer Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h. Das für die Aufstellung der Schilder zuständige Straßenbauamt negierte jedoch die Anordnung, legte sie vielmehr der Regierung von Unterfranken zur Überprüfung vor. Im Oktober 2010 erfuhr dann die Gemeinde, dass die verkehrsrechtliche Anordnung des Landratsamtes auf Weisung der höheren Straßenverkehrsbehörde bei der Regierung, nach Rücksprache mit Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer nicht vollzogen wird.
Wieder verstrich ein Jahrzehnt, bis die Gemeinde aufgrund eines schweren Verkehrsunfalles mit Todesfolgen im Dezember 2009 wieder tätig wurde und einen erneuten Antrag stellte. Das Landratsamt verwies allerdings im Februar 2010 darauf, dass der Verkehrsunfall nach polizeilichen Feststellungen nicht auf dem Geschwindigkeitsverhalten des Unfallverursachers beruhe. Nach Überzeugung der Unfallkommission sei die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auch weiterhin nicht zulässig, da die straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.
Gegenüber 1980 war inzwischen das Verkehrsaufkommen auf der B 27 drastisch gestiegen. Die letzte veröffentlichte Verkehrszählung aus dem Jahr 2010 ergab auf der Strecke Veitshöchheim Richtung Würzburg am Nordanschluss 34.400 Kfz, davon 3,8 Prozent Schwerlastverkehr und am Südanschluss 56.400 Fahrzeuge, davon 5,1 Prozent Schwerlastverkehr.
Kaum im Amt brachte Bürgermeister Jürgen Götz im Oktober 2014 anlässlich einer Besprechung bei Landrat Eberhard mit Beteiligung der Fachbehörden erneut das Anliegen vor. Ihm wurde jedoch verdeutlicht, dies werde von allen Beteiligten abgelehnt, da diese Strecke kein Unfallschwerpunkt sei.
Der Bürgermeister ließ jedoch nicht locker und beantragte im April 2015 erneut für die Abfahrten eine Geschwindigkeitsbegrenzung anzuordnen. Ergänzend fragte er nach einer Möglichkeit, bei der Abfahrt „Nord“ die Auffahrt so zu verschieben, um damit eine Verlängerung des Beschleunigungsstreifens zu ermöglichen. Dies lehnte jedoch das Staatliche Bauamt im Mai 2015 ab.
Aber schon im August 2105 ging Götz den Behörden erneut mit einem Antrag auf Geschwindigkeitsreduzierung auf den Wecker, dieses Mal aus Lärmschutzgründen unter Hinweis auf die neue Lärmkartierung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt.
Im Februar 2016 erfuhr er, dass das Staatliche Bauamt eine Geschwindigkeitsbeschränkung aus diesen Gründen im fraglichen Bereich rechtlich nicht für zulässig hält.
Als dann sowohl an der Regierung als auch beim Landratsamt die Sachbearbeiter gewechselt hatten, wagte der Bürgermeister im Oktober 2016 schließlich wieder einen Vorstoß. Dieses Mal mit Erfolg. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2016 teilte das Staatliche Bauamt nun der Gemeinde mit, dass im Bereich der drei Auffahrten auf die B 27 ohne Einfädelspur 70 km/h angeordnet werden können.
Die Behörde ging nun nach Ortseinsicht mit dem Landratsamt als Verkehrsbehörde und der Polizeiinspektion Würzburg-Land davon aus, dass die B 27 eine im bayernweiten Vergleich deutlich überdurchschnittliche Verkehrsbelastung aufweist. Laut Polizei ereigneten sich speziell an der südlichen Anschlussstelle Vorfahrtsunfälle durch einbiegenden Verkehr Richtung Karlstadt und zahlreiche Auffahrunfälle im Bereich der Fahrstreifenaufteilung in Verbindung mit der Anschlussstelle und innerhalb der Auffahrtsrampe Richtung Karlstadt.
Aufgrund des Unfallgeschehens und der Verkehrsbelastung sei man schließlich nun zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen nach der Straßenverkehrsordnung erfüllt sind, um eine Geschwindigkeitsbeschränkung anzuordnen. Es wurde festgelegt, dass die B 27 im Bereich der Anschlussstellen Süd und Nord auf eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h beschränkt wird. Diese Beschränkung gilt an der südlichen Anschlussstelle nur für die Fahrtrichtung Norden. An der nördlichen Anschlussstelle gilt die Beschränkung in beide Fahrtrichtungen. Im Bereich zwischen den beiden Anschlussstellen beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit weiterhin 100 km/h, da für diesen Streckenabschnitt die Straßenverkehrsordnung eine Geschwindigkeitsbeschränkung nicht zulasse.
Zweites Schild: an der Südabfahrt für den Verkehr aus Würzburg kommend - hier ereignete sich erst vor wenigen Tagen trotz Geschwindigkeitsreduzierung ein schrecklicher Auffahrunfall
Anschlussstelle Süd
Hier kommt es wiederholt zu gefährlichen Situationen, weil Ortsunkundige sich erst im letzten Moment dazu entscheiden die Fahrspur zu wechseln und mit fast unvermittelter Geschwindigkeit geradeaus Richtung Karlstadt weiterfahren (Fahrzeug 2).
Fahrzeuge, die zeitgleich auf die B 27 auffahren wollen (Fahrzeug 1) müssen dadurch plötzlich stoppen. Immer wieder kommt es dann dazu, dass nachfolgende Fahrzeuge (hier Fahrzeug 3) auf die plötzlich abbremsenden bzw. stehenden Fahrzeuge (Fahrzeug 1) auffahren.
Gleiches passiert sehr häufig auch, weil die Geschwindigkeit der Fahrzeuge, welche aus Richtung Würzburg kommen falsch eingeschätzt wird, das einfahrende Fahrzeug (1) erst anfährt, dann im letzten Moment stoppt und das nachfolgende Fahrzeug (3) auffährt.
Nicht zu unterschätzen sind die regelmäßig entstehenden Lücken, die von den Verkehrsteilnehmern oftmals falsch eingeschätzt werden und dadurch zu einer zusätzlichen Gefährdung des fließenden Verkehrs führen.
Nach Informationen der Gemeinde ist die Anzahl der Unfälle an dieser Auffahrt ca. 4 x höher als an der nördlichen Auffahrt. Da nach den Feststellungen des Straßenbauamtes aufgrund des Raumbedarfes keine Möglichkeit besteht, die zwingend erforderliche Beschleunigungsspur baulich zu verwirklichen, können diese täglich entstehenden, gefährlichen Situationen nur durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung an den Einmündungen minimiert werden.
Während des Berufsverkehrs kommt es häufig auch zu Staubildungen auf der rechten Fahrspur (Ausfahrt nach Veitshöchheim). Aus Richtung Würzburg kommende Fahrzeuge fahren derzeit mit unverminderter Geschwindigkeit auf das Stauende zu.
Anschlussstelle Nord
Immer wieder kommt es hier in Fahrtrichtung Karlstadt vor, dass trotz durchgezogener Linie in diesem Bereich abbremsende Fahrzeuge, welche in Richtung Ort abbiegen wollen, (hier Fahrzeug 1) von geradeaus, mit unverminderter Geschwindigkeit fahrenden Fahrzeugen überholt werden, wobei diese auch die Gegenfahrbahn nutzen. Bei gleichzeitigem Auffahren eines Fahrzeuges auf die B 27 in Fahrtrichtung Würzburg (hier Fahrzeug 3) kommt es nicht selten zu gefährlichen Situationen, da der Fahrzeugführer von Fahrzeug Nr. 3 seinen Blick in der Regel nach hinten in Richtung Karlstadt gerichtet hat.
Auch hier kommt es an den Auffahrten in beiden Fahrtrichtungen des Öfteren zu Auffahrunfällen, weil die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge auf der B 27 falsch eingeschätzt werden. Hinzu kommt noch, dass die B 27 nördlich der Auffahrt eine langgezogene Kurve macht, was die Einsichtnahme zusätzlich erschwert und man so die herannahenden Fahrzeuge aus Richtung Karlstadt erst spät erkennt.
"Auffahrunfälle" werden in aller Regel nicht der Polizei gemeldet und tauchen deshalb auch nur zum Teil in der Statistik der Polizei auf. Diese "Kleinunfälle" führten vielmehr dazu, dass eine Vielzahl der Verkehrsteilnehmer diese Auffahrt meiden und durch "umfahren" den Ortskern zusätzlich belasten.
Der bereits vorgetragene Hinweis, dass die Zahl der Auffahrunfälle an der Auffahrt Süd ca. 4x höher ist als an dieser Auffahrt wird dadurch bestätigt. Die Anzahl der auffahrenden Pkw hat sich in diesem Bereich erheblich reduziert. In den letzten Jahren kam es zudem im kurvigen Bereich zwischen beiden Auffahrten immer wieder zu teils schweren Unfällen.
Der bisherigen Argumentation, dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 StVO nicht vorliegen und deshalb eine Verkehrsanordnung mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung nicht möglich ist, muss widersprochen werden. Die Rechtsprechung geht mittlerweile davon aus, dass zum Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung für eine Geschwindigkeitsbeschränkung, Unfallursache und Unfallstatistiken nicht ausschließlich das Kriterium einer Ablehnung sein können. Es wird vielmehr darauf hingewiesen, dass regelmäßig durch verminderte Geschwindigkeit zumindest der Schweregrad geschehener oder zu erwartender Unfälle positiv beeinflusst werden kann. Dies bestätigen auch die Verkehrsbeschränkungen im Bereich der B 8 bzw. der B 19.
Die Gemeinde bat deshalb erneut aufgrund der örtlichen Verhältnisse und des überdurchschnittlichen Verkehrsaufkommens sowie zur Abwehr von Gefahren in diesem Streckenabschnitt der B 27 den Ermessensspielraum des § 45 Abs. 9 StVO anzuwenden und eine Geschwindigkeitsbegrenzung mit 80 km/h anzuordnen, wie auch in gleichgelagerten Fällen anderen Orts.
Darüber hinaus wäre eine Geschwindigkeitsreduzierung auch ein erheblicher Schutz der Wohnbevölkerung. Zur Minderung des Schalldruckpegels haben die Straßenverkehrsbehörden nach StVO § 45 Absatz 1 Nr. 3, zum Schutz derWohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen die Möglichkeit Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Fahn/erbote anzuordnen. Auf etwa 80 Prozent der Autobahnen in stadtnahem Gebiet bestehen bereits Tempolimits zwischen 60 und 120 km/h. Dabei ist die Geschwindigkeitsreduzierung sicherlich als wirtschaftlichste Möglichkeit zur Lärmreduzierung anzusehen.