Veitshöchheim beschreitet neue Wege im Bestattungswesen - 1000 m² großes Urnengrabfeld "Lebenfluss" übergeben
"Lebensfluss" nennt sich das modellartige Projekt, das Bürgermeister Rainer Kinzkofer heute im Waldfriedhof mit Gesamtkosten von 120.000 Euro seiner Bestimmung übergab. Auf einer etwa 1000 Quadratmeter großen, lichtdurchfluteten Fläche entstand nach der Planung des hiesigen zertifizierten Friedhofsplaners Thomas Struchholz ein neuartiges Grabfeld, das als Alternative zu Kolumbarien neue Maßstäbe in der Urnenbestattung setzt und auch ein besonderes Grabstelen- und Grabpflegemodell bietet. Insgesamt sind es 135 Urnenerdgräber und 86 Urnenkammern, die laut Bürgermeister Rainer Kinzkofer den Bedarf der nächsten zehn Jahre abdecken.
Anstelle der bisher starren Ausrichtung von Urnenwänden oder Grabreihen plante Struchholz hier alles fließender. So schlängelt sich ein Schotterbett durch die Fläche. Dadurch entstehen halbrunde, von einander getrennte Räume mit Sitzmöglichkeiten, die zur Meditation, Besinnung und zum Gebet einladen. Die Schotterspur führt symbolisch auch über ein Brücklein, vom Diesseits ins Jenseits und verliert sich im Efeu der Randbepflanzung.
Ins Auge fällt sogleich am Zugang ein 2,9 Meter hohes Signum, den die Steinmetzgemeinschaft, die auch die Grabsteine zur Verfügung stellte, entsprechend der Bedeutung des Grabfeldes „Lebensfluss“ als Grenzstein des Lebens erstellte.
Die Steinsäule aus Tittlinger Grobkorn stellt im übertragenen Sinne einen Leuchtturm dar, in dessen vier Seiten ein Glasstreifen eingearbeitet und als Abschluss der Säule eine Glaspyramide aufgesetzt ist. Die Gemeinde ließ sich diese "Kunst am Bau" 17.648 Euro kosten. Es sind dies die reinen Materialkosten, die Arbeitszeit berechneten die Steinmetze nicht.
Landschaftsarchitekt Struchholz gelang es, das neue Bestattungsquartier "Lebensfluss" im Einklang mit der Natur harmoisch in die natürliche Umgebung der Waldszenerie einzubetten, mit viel Grün und schattenspendenden, kleinwüchsigen Bäumen. Die Anlage soll wie bei der Übergabe auch künftig gepflegt und sauber erscheinen, ohne steril zu wirken. Dies gewährleistet eine ganzjährige Pflege durch professionelle Kräfte.
Einzelne Bereiche wurden vollständig einschließlich Grabstelen angelegt , so dass Hinterbliebene vor Ort den Urnenplatz auswählen können, der ihnen hinsichtlich Motiv und Gestaltung am besten zusagt. Bei einer Bestattung muss dann nur noch die Grabstele mit einer Inschrift versehen werden, um alles andere, auch um die Pflege des Grabplatzes, braucht sich der Bürger nicht mehr zu kümmern.
Hierfür bietet die Gemeinde den Angehörigen zur Auswahl fünf Modelle an:
Auf der gesamten Anlage erfolgt die Aufstellung sowie Bewirtschaftung der Grabdenkmale durch die IG Naturstein GbR Geisendörfer in Würzburg . Beim Erwerb eines Urnenpartnergrabes sowie Gemeinschaftsurnengrabes ist ein Vertrag mit der IG Naturstein für den Erwerb sowie der Beschriftung und sonstiger Arbeiten von Grabmalen, Grabplatten oder Stelen abzuschließen.
Die Pflege und weitere Bepflanzung wurde an die TBF Treuhandgesellschaft bayerischer Friedhofsgärtner mbH vergeben, so dass so wenig wie möglich Arbeitsaufwand für den gemeindlichen Bauhof anfällt. Vor Ort erfüllen diese Leistungen die Gärtnereien Friedrich Reim und Hans Steger. Eine Komplettpflege für den gesamten Nutzungszeitraum von 15 Jahren kostet laut Michael Hüser von der TBF je nach Grabmodell zwischen 1.000 und 3.000 Euro.
Die an dem Projekt Beteiligten freuen sich über das gelungene Werk v.l.n.r. Friedrich Reim (Gärtnerei), Anni Straub (Landschaftsbau), Joachim Steger (Treuhandverband bayerischer Friedhofsgärtner - TBF), Veitshöchheimer Friedhofsreferent Klaus Krautschneider, Friedhofsplaner Thomas Struchholz, Bürgermeister Rainer Kinzkofer, Hans Stahl (Geisendörfer Steinmetzbetrieb), Martin Straub (Landschaftsbau), Hans-Dieter Grünewald (Steinmetz) und Michael Hüser (TBF)
Ausgangspunkt für die Neuanlage war, dass in der bestehenden Urnenwandanlage des Waldfriefhofes nur noch wenige Grabstätten vorhanden sind. Der ursprüngliche Gedanke, keine Pflege bei der Bestattung in Urnenwänden zu haben, erwies sich laut Bürgermeister als Trugschluss. Es habe sich fast täglich ein teilweise ungepflegter Zustand des Gesamtbereiches gezeigt, so dass der Bauhof ständig mit Aufräumarbeiten befasst sei.
Der Hinterbliebene möchte nämlich nach wie vor am Bestattungsort trauern, auch wenn er nur einmal im Jahr vorbei kommt. Diese Möglichkeit ist an den Urnenwänden nur sehr stark eingeschränkt möglich und war so nicht angedacht. Ein rigoroses Entfernen von Blumenschmuck und Kerzen würde jedoch auf Unverständnis stoßen.
War also bis vor einigen Jahren die Errichtung von Urnenwänden der große Trend bei der Urnenbestattung, erfolgte mittlerweile nach den Feststellungen des Friedhofsexperten Struchholz wieder ein Umdenken hin zu Grabstätten, die die Möglichkeit bieten, eine persönliche Trauerhandlung vorzunehmen.
Struchholz lobte die Aufgeschlossenheit des Gemeinderates und der Verwaltung, den Wandel von den Urnenwänden weg zu landschaftlich gestalteten Urnengrabfeldern mit Auflösung der tradierten Friedhofsstrenge durch unkonventionelle Anordnung der Gräber zu vollziehen.
Durch den Einbau von Urnenkammern in den verschiedenen Bereichen ist nach Ablauf der Ruhefrist jederzeit eine Wiederverwendung der Grabstelle möglich. Es dürfen nur noch vergängliche Urnen ohne Schmucküberurnen aus Porzellan eingebracht werden. Es ist so gewährleistet, dass eine Nutzung der Anlage über einen langen Zeitraum, auch bis 60 Jahre gegeben ist.