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Bauvoranfrage für Gästehaus-Ersatzneubau der NaturFreunde führte zu Irritationen im Hauptausschuss - Der TOP wurde deshalb vertagt

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Das bestehende, immer genutzte, in den 1960er Jahren baurechtlich genehmigte Gästehaus der NaturFreunde Deutschlands, Ortsgruppe Veitshöchheim/Würzburg ist nach den aktuellen Anforderungen des Baurechts insbesondere zum Brandschutz, Fluchtwegkonzept, Wärmeschutz, Heizung, Sicherung gegen Baumfall, bereits für die frühere und die geplante Nutzung und auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit nicht mehr geeignet. Es soll daher zur Sicherstellung der Vereinsziele "Naturschutz, Erhaltung der Umwelt und der Verpflichtung zur Nachhaltigkeit" für 5,0 Mio. Euro durch einen  Neubau als Passivhaus mit möglichst geringem ökologischem Fußabdruck ersetzt werden.

Der Ersatzneubau besteht aus einem viergeschossigen Flachdachbau. Im UG sind die Toiletten, Lagerräume, Personalräume und ein Jugendraum geplant. Im EG ist ein Seminarraum, Speisesaal, Küche und diverse andere Räume vorgesehen. Das 1.OG und 2.OG sind pro Stockwerk sechs 4-Bett-Zimmern und jeweils ein Rollstuhlgerechtes Zimmer, sowie ein Leiterzimmer geplant. Auf dem Flachdach soll eine 1,3 Meter hohe aufgeständerte Photovoltaikanlage errichtet werden.

Große Irritationen gab es in der Hauptausschuss-Sitzung am Dienstag, 12.12.2023 beim TOP "Antrag auf Vorbescheid für einen Ersatzneubau Gästehaus Naturfreunde, Sendelbachstraße 146". Wie  Bürgermeister Jürgen Götz vortrug, sei nur die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens Gegenstand der Bauvoranfrage. Aber dazu hatte eigentlich der Gemeinderat bereits am 8. Juni 2021 eine Entscheidung getroffen. Seitdem hat sich laut Bürgermeister an der Beurteilung als sonstiges Vorhaben im Außenbereich durch das Landratsamt Würzburg nichts geändert.

Nachdem Ratsmitglied Simon Kneitz (CSU) erklärte: "Es fällt mir extrem schwer, zu erkennen, auf welcher Grundlage wir jetzt noch einmal eine Entscheidung treffen sollen", stimmte das Gremium einstimmig dem Vorschlag des Bürgermeisters zu, den TOP zu vertagen, um mit dem Bauherrn nochmal ein gemeinsames Gespräch mit Landratsamt und Planer zu führen.

Nicht verstehen kann NaturFreunde-Vorsitzender Jürgen Schrader diese Handhabung. Wie er auf Nachfrage erklärte, sei dem Bürgermeister bekannt gewesen, dass der Verein durch die Bauvoranfrage eine Beurteilung des Gästehaus-Ersatzbaus als privilegiertes Vorhaben im Außenbereich erreichen wollte (anstelle sonstiges Vorhaben). Dazu habe der Verein mit der Bauvoranfrage die ergänzende Projektbeschreibung vom  23. September 2023 mit  Argumentation für die Privilegierung ihres Bauvorhabens vorgelegt.

Diesen Plan hatte Architekt Professor Wolfgang Fischer dem Gemeinderat im Juni 2021 vorgestellt,  nach der das vordere Bestandshaus als das „Markenzeichen“ der Naturfreunde saniert und das hintere Gebäude abgerissen und durch ein neues, modernen und ökologischen Gesichtspunkten gerecht werdendes, dreigeschossiges Gästehaus (+ Untergeschoss)  mit 60 Betten ersetzt wird. Der Neubau wird danach als eingeschossiger, quadratischer Anbau mit zwei „aufgesetzten“ Schlafgeschossen für die Schulklassen erstellt. Wie im Schnitt zu sehen, werden die Giebel des alten Gästehauses vom Neubau nicht überschritten.

Das Landratsamt Würzburg ging bislang davon, dass das Bauvorhaben der NaturFreunde  ein sonstiges Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 sei, nach dem Vorhaben im Einzelfall zugelassen werden können, wenn ihre Ausführung "öffentliche Belange nicht beeinträchtigt". Allein die formale Feststellung, dass das Naturfreundehaus-Grundstück im Flächennutzungsplan der Gemeinde als "landwirtschaftliche Fläche" dargestellt sei, reichte dem Landratsamt bereits für eine Beeinträchtigung der öffentlichen Belange aus. Das Landratsamt verlangte zur Ausräumung der Beeinträchtigung öffentlicher Belange eine Flächennutzungsplanänderung und einen bauvorhabenbezogenen Bebauungsplan als Grundlage für eine Baugenehmigung.

Einstimmig hatte damals  im Juni 2021 der Gemeinderat dem Beschlussvorschlag des Bürgermeisters für eine  vorhabensbezogene Bauleitplanung nach Abschluss eines städtebaulichen Vertrages mit dem Verein zugestimmt. Den Vertragsabschluss machte die  Gemeinde jedoch von der Vorlage eines Leistungsfähigkeitsnachweises des Vereins abhängig, d. h. einen Nachweis, dass die NaturFreunde in der Lage sind, das Kapital für das 5,0 Mio. Euro teure Bauvorhaben aufzubringen (vorgesehen waren 1,0 Mio. Euro Eigenmittel und 4,0 Mio. Euro durch Förderprogramme).

Die Leistungsfähigkeits-Forderung  der Gemeinde stellte jedoch für die NaturFreude das ganze Vorhaben gänzlich in Frage. Denn Zusagen erteile eine Förderstelle, so Schrader, erst nach Vorliegen einer Baugenehmigung. Für ihn stellte sich so das Ganze als Teufelskreis heraus oder volkstümlich "beißt sich die Katze in den Schwanz".

Mit 36 Ja- bei sechs Neinstimmen sprach sich die  Mitgliederversammlung der NaturFreunde im Juli 2022 gleichwohl mit großer Mehrheit für die Fortsetzung des 5 Millionen-Projektes "Gästehaus-Neubau" aus. Die Vereinsmitglieder waren der Auffassung, dass mit politischem Einfluss versucht werden muss, dass das Landratsamt Würzburg das Projekt, wie in anderen Landkreisen bei ähnlichen Baumaßnahmen der NaturFreunde üblich, als „privilegiertes Vorhaben“ einstuft.

Wie der Vorsitzende mitteilte, fand Anfang Mai 2023 diesbezüglich eine Besprechung mit Bürgermeister Jürgen Götz, Landrat Thomas Ebert und MdL Volkmar Halbleib statt, mit dem Ziel das Vorhaben als „Privilegiertes Vorhaben“ im Sinne des § 35 Absatz 1 BauGB einzustufen. Dann könnte die Erlangung des Baurechtes als Grundlage für die Finanzierung wesentlich einfacher und kostengünstiger erreicht und gesamte Vorhaben deutlich beschleunigt werden.

Dazu haben die NaturFreunde die  ergänzende Projektbeschreibung vom  23. September 2023 zusammen mit der Bauvoranfrage vorgelegt (siehe nachstehende tabellarische Darstellung).

 

Von den NaturFreunden angeführte Gründe für eine Privilegierung
1. Bildungs- und Erholungszentrum

Der geplante Ersatzbau für das Gästehaus verbessert nicht nur die bereits in der Vergangenheit und künftig für die Allgemeinheit gegebene Nutzung über die Erholung in der Natur als Bildungsstätte für das unmittelbare Kennenlernen von Natur, Wald und Flur. Tatsächlich ist der Neubau für die Aufrechterhaltung und Verbesserung dieses Bildungsbetriebs sogar erforderlich.

Die Besucher des NaturFreundehauses sollen sich in der Natur erholen, indem sie diese direkt erfahren und sie so besser kennenlernen. Damit verbunden ist deren Wertschätzung und Schutz. Dafür ist der Betrieb des nur dem zeitweisen Wohnen dienenden Gästehaus mit Unterrichtsräumen und Übernachtungsmöglichkeiten auf die geografische Lage am Rande des FFH-Gebietes angewiesen.

Diese besondere Zweckbestimmung benötigt die gegebene Lage im Außenbereich,
um das Lernen in unmittelbarer Verbindung von Innen und Außen zu ermöglichen und intensiv zu gestalten. Hierzu schafft in den Unterrichtsräumen wie auch dem Speisesaal die dort verglaste neue Fassade unmittelbar den Bezug vom Gebäudeinneren zu Landschaft außen. Dies wäre im Zusammenhang einer Ortsbebauung nicht möglich. Der erwartete Effekt eines tatsächlichen Erlebens der Natur und dadurch angestoßener und durchgeführter Weiterbildung kann im Ort nicht abgebildet werden und wäre auf eine reine Informationsaufnahme reduziert.

Auch ggf. im Ort mögliche domestizierte Formen oder Nachbildungen von natürlichen Lebensräumen können dem Anspruch des NaturFreundehauses an ein Erleben der echten Natur nicht gerecht werden. Wirkliche Natur gibt es nicht im Ort, sondern nur im Außenbereich.

Ein Beispiel für den nachhaltigen Umgang mit der Natur  sind die von dort aus geführten Wanderungen mit den Gästen in die umgebende Natur oder der naturkundliche Unterricht von bei Klassenfahrten einquartierten Schulklassen.
Auch die Lage zur unmittelbaren Nähe des geografischen Mittelpunkts der europäischen Gemeinschaft als zusätzlichen Anreiz für die Wahrnehmung der geplanten Bildungsangebote ist zu beachten. Dies wird über das Bildungsangebot für Natur- und Umweltschutz hinaus auch Angebote zu Themen der EU zur Folge haben, die mit der vorhandenen Lage besonders verknüpft sind.

2. Gastronomie

Der Bestand sowie das Vorhaben eines Ersatzbaus dient mit dem Gastronomie- und Übernachtungsangebot mit seiner Lage im Außenbereich am Edelmannswald als Erholungslandschaft bereits seit Jahrzehnten und auch künftig der Allgemeinheit für die Erholung in der Natur.

Das NaturFreundehaus ist ein über Veitshöchheim hinaus beliebtes Ausflugsziel für die ganze Region mit Gästen aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland.

Der Betrieb des Gästehauses mit der Gastronomie ist dann über das ganze Jahr vorgesehen. Damit wird das Angebot für die Bevölkerung der Umgebung, der Nachfrage entsprechend, deutlich verbessert.

Der zum Angebot der Freizeitnutzung für die Allgemeinheit gehörende Biergarten wird wetterabhängig vorwiegend in den Monaten Mai bis Oktober betrieben werden.

Der Gastronomie selbst muss zwar nicht zwingend im Außenbereich errichtet werden, sie ist jedoch in räumlicher Beziehung zum Naturfreundehaus erforderlich, um die anderen Angebote zu unterstützen bzw. möglich zu machen. Dies gilt zur Versorgung der Besucher, zur Steigerung der Attraktivität generell und auch in finanzieller Hinsicht als wirtschaftliche Grundlage.


3. Öffentliches Interesse
Das Ersatzbauvorhaben liegt im Allgemeininteresse. Es ist kein Vereinsheim, das nur für die Vereinsmitglieder zugänglich ist. Es wird dann künftig auch Familien und Schulklassen einen heimatnahen Erholungs- bzw. Bildungsurlaubaufenthalt inmitten der Natur ermöglichen.
4. Nachhaltigkeit

Einer der wesentlichen Vereinszwecke der NaturFreunde ist die Förderung von Nachhaltigkeit und des Schutzes der Umwelt. Auch daher wird das Vorhaben in flächensparender Bauweise als ökologisches Musterprojekt mit möglichst geringem ökologischem Fußabdruck auf der Grundfläche des abzubrechenden Bestandes und weitgehend auf bisher bereits versiegelten Flächen errichtet.

Zum Ausgleich und der Verbesserung der ökologischen Situation wird das Gebäude mit
einem begrünten Flachdach und auf der Nordseite zum Wald hin mit einer Fassadenbegrünung versehen.

Die Bepflanzung der neu anzulegenden Freiflächen um das Gebäude wird mit der ortsüblichen Flora unter besonderer Berücksichtigung der in der Nähe befindlichen Trockenrasenvegetation erfolgen.

Begehbare Bereiche werden mit versickerungsoffenen Belägen versehen. Das sich am Gebäude sammelnde Niederschlagswasser wird aufgefangen und direkt genutzt, im Gegensatz zum vorhandenen Bestand.

Das Vorhaben soll, so Vorsitzender Jürgen Schrader ein Leuchtturmprojekt für die eigene Organisation mit ihren 400 Häusern in Deutschland werden und auch beispielgebend für die Region und die Gemeinde Veitshöchheim sein, was unter baulichen, ökologischen und nachhaltigen Aspekten machbar ist.

Der Bereich des NaturFreundehauses Am Kalten Brunnen ist im Bayernatlas des Bayerischen Staatsministerium der Finanzen nicht als landwirtschaftliche Fläche, sondern entsprechend der in den 1960er Jahren rechtsgültig erteilten Baugenehmigung und jahrzehntelangen Nutzung als Siedlungsfläche dargestellt. Nach Meinung der NaturFreunde wurde bei der damaligen Aufstelllung des Flächennutzungsplanes diese Nutzung falsch dargestellt.

Diskussionsbeiträge in der Hauptausschuss-Sitzung vom 12.12.2023

Marc Zenner

(CSU/VM)

2021 hatte Zenner, als der Bürgermeister fragte, wer der Änderung des Flächennutzungsplanes zustimmt, um  eine Sitzungsunterbrechung gebeten und danach erklärt, dass seine Fraktion dem Vorhaben grundsätzlich offen gegenüberstehe und einer vorhabensbezogenen Änderung des Flächennutzungsplanes zustimme.

Nun positionierte sich Zenner eindeutig gegen das Vorhaben: So ein Projekt in dieser Dimension ist für ihn eine gewerbliche Nutzung, die in dieser Größenordnung an diesem Standort nach seiner Meinung an der Peripherie Veitshöchheims nicht genehmigungsfähig ist. Er müsse es deshalb ablehnen.

Anmerkung: Zenner ist beruflich als Fachanwalt für Agrarrecht tätig, neuerdings auch einer der Veitshöchheimer Jagdpächter, Jagdberater des Landkreises und Mitglied im Bayerischen Jagdverband. Die Kreisgruppe Würzburg, deren Schriftführer Zenner seit 2018  ist, hat zu verstehen gegeben, dass sie das neue Gästehaus der NaturFreunde ablehnt, da sie befürchtet, dass durch mehr Schulklassen und Erholungssuchende das Wild im angrenzenden Wald  Schaden leidet. Wie Zenner auf seiner Homepage schreibt, habe er sich in seiner politischen Arbeit  vorgenommen, nicht nur die Interessen der von ihm vertretenen Landwirtschaft, sondern auch der Jäger zu vertreten und für Ausgleich zu sorgen.

Oswald Bamberger (CSU/VM)

Für Bamberger gibt es sehr viele Unwägbarkeiten bei dieser Planung. Das Landratsamt Würzburg habe ganz klar Auskunft gegeben, unter welchen Voraussetzungen, das Vorhaben zulässig sei. Er sieht von der Erschließung her Probleme. Wie schon 2021 forderte er,  zum Schutz der nur wenige Meter entfernt liegenden Trinkwasserstube die Verlegung eines doppelt ummantelten Kanals zum NaturFreundehaus. Ansonsten sprach er sich dafür aus, die Bauvoranfrage an das Landratsamt zur Entscheidung, was machbar ist, durchlaufen zu lassen

Bedenklich ist für Bamberger,  dass nach seiner Meinung als Voraussetzung für die Förderung die Gemeinnützigkeit der NaturFreunde bislang nicht geklärt sei, was er als Mitglied des Vereins schön des Öfteren angemahnt habe.

Anmerkung: Vorsitzender Schrader kapiert, wie er sagt, diesen ständig von Bamberger erhobenen Vorwurf zur Gemeinnützigkeit nicht. Der Verein habe schon immer jährliche Freistellungsbescheide des Finanzamtes für seine gemeinnützigen Zwecke und habe so auch immer Spendenquittungen erteilen können.

 

Christina Feiler (Grüne) Feiler sprach einerseits von einem positiven Vorhaben im Blickfeld der Natur und der  Nachhaltigkeit. Andererseits sieht sie das Vorhaben in dieser Größenordnung als problematisch an und fragt sich zur Situation der Stellplätze, ob diese in Schräglage genehmigungsfähig sind. Aber auch sie plädierte dafür die Bauvoranfrage ebenso wie Ute Schnapp (SPD) an das Landratsamt zur Entscheidung durchlaufen zu lassen.
Da wie eingangs beschrieben Simon Kneitz (CSU/VM) geltend machte, es sei unklar, über was der Hauptausschuss eigentlich entscheiden soll, beschlossen die Ausschussmitglieder einstimmig, zur Abklärung mit Bauherrn , Landratsamt und Planer ein gemeinsames Gespräch zu führen und deshalb den TOP zu vertagen.

ERGÄNZUNG

Laut Bürgermeister wurde zwischenzeitlich eine Potentialabschätzung zum Artenschutz mit dem nachstehenden Fazit erstellt:

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