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Die größte Hürde sind mittlerweile digitale Barrieren - Erfahrungsaustausch am BFW in Veitshöchheim mit Behindertenbeauftragten der Bundesregierung

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Sie wollen gemeinsam berufliche Barrieren abbauen: Sibylle Brandt, Gertraud Azar, Freya Altenhöhner, Cristina Lange, Jürgen Dusel, Bernd Rützel, Judith Faltl, Eva Maria Linsenbreder, Thomas Schmitt und Christine Haupt-Kreutzer.

PM des BFW vom 8.4.2024

„BFW - Barrierefreiheit führt weiter!“ so die Interpretation des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Jürgen Dusel.

Auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel und der stellvertretenden Landrätin Christine Haupt-Kreutzer besuchte Jürgen Dusel, der selbst eine Sehbehinderung hat, seine Heimat und machte Station im Berufsförderungswerk Würzburg (BFW) in Veitshöchheim.

Dusel interessierte sich bei seinem Besuch im BFW Würzburg besonders für die Barrieren, die die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung, auch im Kontext der Migration, verhindern. Am Berufsförderungswerk finden heute jährlich rund 200 Personen, die im berufsfähigen Alter erblinden oder sehbehindert werden, eine neue berufliche Perspektive oder erlernen in den Integrationskursen für blinde und sehbehinderte Migrantinnen und Migranten Deutsch.

Die größte Hürde stellen mittlerweile digitale Barrieren dar, so Judith Faltl, Geschäftsführerin des BFW. Immer wieder können Praktikums- oder Arbeitsplätze nicht angetreten werden, weil die am Arbeitsplatz verwendete Software nicht oder nur unzureichend von blinden und sehbehinderten Menschen bedient werden kann. Um sich den Bildschirminhalt vorlesen zulassen oder ihn in Braille abzutasten bzw. vergrößert anzuzeigen, müssen sogenannte Screenreader eingesetzt werden. Diese greifen an bestimmten Schnittstellen innerhalb der Software die Informationen ab, die Sehende am Bildschirm sehen und wandeln sie in Sprache, Großschrift oder Braille um. Findet der Screenreader keine Informationen, bleibt der Bildschirm schwarz, so Faltl, die selbst seit ihrer Geburt blind ist.  Dann ist es die Aufgabe des BFW, die Arbeitgebenden dafür zu gewinnen, das Tätigkeitsfeld anzupassen oder durch Anpassungen die Software zugänglich zu machen.

Als weitere Hürde erlebt das BFW die Unwissenheit von Arbeitgebenden über die beruflichen Fähigkeiten blinder und sehbehinderter Fachkräfte. In diesem Sinn unternimmt das BFW viel, um Vorbehalte abzubauen und zu informieren, beispielsweise in einer gemeinsamen Veranstaltung mit der einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgebende in Unterfranken (EAA) am 13. Juni 2024 im BFW in Veitshöchheim. Hier erfahren Arbeitgebende, wie blinde und sehbehinderte Menschen am BFW auf ihre neue berufliche Perspektive vorbereitet werden, um dann als Fachkräfte in der Verwaltung, im Gesundheitswesen, im Büromanagement oder der IT zu arbeiten.

Bei den Migrantinnen und Migranten reichen nach den Integrationskursen deren sprachliche Fähigkeiten leider häufig nicht aus, so Haupt-Kreutzer. Der Großteil der Berufsbilder, die sich für blinde oder sehbehinderte Menschen eignen, ist im kaufmännischen Bereich, in der IT oder der Verwaltung angesiedelt. Dafür sind sehr gute Deutschkenntnisse und eine ausgereifte berufsbezogene Sprach- und Schriftkompetenz erforderlich. Viele der Migrantinnen und Migranten haben hohes Potential. Aber dem BFW alleine fehlen die Mittel, sie auf diesem Weg zu begleiten und damit deren berufliche Teilhabe zu ermöglichen. "Spezielle Deutschvorförderung oder zusätzliche ausbildungsbegleitende Hilfen wären für das Bestehen der Prüfungen und den Start in den Arbeitsmarkt dringend notwendig." so Haupt-Kreutzer, stellvertretende Landrätin und Teamleiterin der kaufmännischen Ausbildung am BFW.

Barrierefreie Digitalisierung ist ein Schwerpunkt der aktuellen Amtszeit von Jürgen Dusel. Barrierefreiheit muss von Beginn an mitgedacht werden und darf nicht erst im Nachhinein aufgesetzt werden – dann wird es auch nicht umständlich und teurer. Abgesehen davon ist Barrierefreiheit kein „nice to have“ oder der Wunsch einer kleinen Gruppe. Sie ist ein verbrieftes Recht, das sich unter anderem aus Artikel 9 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ergibt. Barrierefreiheit ist die Grundlage für die umfassende Information und Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger – egal ob mit oder ohne Behinderungen. Für öffentliche Stellen sprechen das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) mittlerweile eine eindeutige Sprache.

25 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland ist digitale Barrierefreiheit in Deutschland leider noch immer keine Selbstverständlichkeit, so Faltl. Hier müssen neue Wege beschritten werden, um voranzukommen, die dann auf die beruflichen Teilhabemöglichkeiten blinder und sehbehinderter Menschen einzahlen!

Text und Foto: Eva Mildenberger

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