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Energiekrise: Gemeinde Veitshöchheim setzt in vorauseilendem Gehorsam den Rotstift an - "Liste der Grausamkeiten" bringt geschätzt 30 Prozent Energieeinsparung

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Im Juli 2018 stellte Bürgermeister Jürgen Götz zusammen mit seiner Kulturreferentin Karen Heußner das neue Logo vor, bestehend aus der Wortmarke „Veitshöchheim“ und der Bildmarke, die sich über dem Schriftzug befindet. Beides zusammen symbolisiere, so hieß es damals, die Lebensfreude und hohe Lebensqualität des Ortes, was durch den Claim „So lässt sich´s leben“ noch positiv unterstützt werde. Er stehe für alles, was Veitshöchheim  unter dem Schlagwort "Lebenslust" so alles zu bieten habe und was Veitshöchheim in der Summe ausmache. Die  Claimmarke drücke den feinen Unterschied aus, dass "es sich, so wie hier in Veitshöchheim gelebt wird, leben lässt" und nicht "hier lässt sich's leben".

Ab Februar 2020 war dann von "Lebenslust" in Veitshöchheim kaum noch etwas zu spüren, kam durch die Coronapandemie das gesellschaftliche Leben im Ort über zwei Jahre lang fast vollständig zum Erliegen, wie die gemeindlichen Jahreschroniken der beiden letzten Jahre dokumentieren. Hat sich in der letzten Zeit das Leben im Ort wieder einigermaßen normalisiert, finden wieder Vereinsfeste und große Veranstaltungen in den Mainfrankensälen statt, so kommt nun durch die durch den Ukrainekrieg verursachte Energiekrise eine neue "Liste von Grausamkeiten", so genannt von CSU-Fraktionssprecher Marc Zenner in der Ferienausschuss-Sitzung vom Dienstag, auf die Veitshöchheimer Bevölkerung zu.

Das Gremium beschloss einstimmig, einen zweistufig aufgebauten Notfallplan, den der gemeindliche Klimaschutzmanager Jan Speth  für die Versorgungssicherheit der Gemeinde aufgestellt hat, der bereits zu sofortigen Einschränkungen führt. Er umfasst alle gemeindlichen Liegenschaften, darüber hinaus auch die Weihnachts- und Straßenbeleuchtung, die Beleuchtung der Vituskirche bzw. Martinskapelle und die Kläranlage des Abwasserzweckverbandes.

Betroffen hiervon ist auch die Bevölkerung vor allem, wenn sie gemeindliche  Sportanlagen nutzt.

 

Wortlaut des gefassten Beschlusses: "Der Ferienausschuss ermächtigt die Verwaltung, den Notfallplan Versorgungssicherheit in Abstimmung mit den betroffenen Nutzerinnen und Nutzern umzusetzen. Wann welche Maßnahmenstufe greift, kann die Verwaltung in Orientierung an der aktuellen Versorgungslage und an behördlichen Vorgaben entscheiden."

Laut Beschlussvorlage und so steht es auch oben in der in der Sitzung auf der Leinwand präsentierten Folie sollen die Maßnahmen der Stufe 1 bereits zeitnah nach dem Gemeinderatsbeschluss umgesetzt werden.

Bürgermeister Jürgen Götz versichert im Nachhinein aber ausdrücklich, dass alle betroffenen Vereine und Gruppen vorab informiert und mit ihnen abgesprochen wird, ab wann und in welchem Umfang die in Stufe 1 aufgeführten Maßnahmen greifen.

So hatte in der Sitzung vor der Beschlussfassung CSU-Sprecher Marc Zenner ein gestuftes Vorgehen gefordert,  so zunächst erstmal Temperatur und Duschen zu reduzieren und nicht jetzt planlos die Vereine auszuschließen, sondern erst,  wenn die Verpflichtung von Bund oder Land kommt. 

Zu Beginn der Beratung hatte der Bürgermeister ausgeführt: "Aufgrund der momentanen sich anbahnenden Energiekrise haben wir im vorauseilenden Gehorsam die Pflicht, als Kommune entsprechend Gas und Strom einzusparen. Nachdem völlig unklar ist, wieviel Gas im Winter zur Verfügung steht und wie stark ggf. auch elektrische Heizsysteme in der Folge dann überlastet sind, müssen wir schon jetzt mögliche Einsparpotentiale nutzen."

Nach der Sitzung hatte der gemeindliche Klimaschutzmanager auf Nachfrage erklärt, dass allein durch die beschlossenen Maßnahmen der Stufe 1, die bereits zeitnah nach dem Ferienausschuss-Beschluss umgesetzt werden sollen, aber großteils, wie die Herabsenkung der Raumtemperaturen auf 20 Grad in Rathaus, Ratskeller, Mainfrankensäle, Bücherei, Eichendorff- und Vitusschule etc., erst mit Beginn der Heizperiode greifen, im Durchschnitt 30 Prozent Energie eingespart werden kann.

Unklar sei derzeit, so verdeutlichte der Bürgermeister, welchen Vorschriften letztendlich die Gemeinde unterliegt. So sei vom BuWiMin. angedacht, die öffentlichen Gebäude auf max. 19 Grad in der Temperatur zu begrenzen. Man müsse deshalb noch abwarten, was da noch an Aufforderungen bzw. rechtliche Auflagen vom Bund oder vom Land  auf die Kommunen zukommt, die sie umzusetzen haben.

Recht einschneidend für die Bevölkerung und die örtlichen Vereine sind die in der Stufe 1 für die Sportanlagen der Gemeinde vorgesehenen Einschränkungen. Möglich ist danach nur noch der Schulbetrieb, werden der Duschbetrieb und die Vereinsnutzung in Dreifachturnhalle und den Turnhallen der Eichendorff- und der Vitusschule eingestellt wird.

Eingestellt wird auf der Freisportanlage der Flutlichtbetrieb.

Auch im Lehrschwimmbecken wird der Duschbetrieb und die Raumnutzung für Vereine und die Öffentlichkeit (ausgenommen Schwimmkurse!) eingestellt, für den Schulbetrieb die Raum- und Wassertemperatur in Absprache mit der Schulleitung abgesenkt (Foto von der Wiedereröffnung im Jahr 2012).

Sofort werden in Veitshöchheim die Strahler für die Beleuchtung der Vituskirche und der Martinskapelle abgeschaltet.

Es soll geprüft werden, wo es möglich ist, dass sich in bestimmten Straßen nur noch jede zweite Leuchte einschaltet. Vorstellbar ist es für den Bürgermeister, dass man in der Günterslebener Straße entlang dem neuen Baugebiet Sandäcker keine Zweifachbeleuchtung für Gehwege und Radwege braucht.

Aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht, aber auch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kann laut Bürgermeister nicht gänzlich auf die Straßenbeleuchtung verzichtet werden. Entsprechend der Empfehlung des Bayerischen Gemeindetages werde die Gemeinde aber die Schaltzeiten anpassen und verkürzen. Generell ist in Veitshöchheim der Großteil der Straßenbeleuchtung bereits auf LED umgerüstet: So wurde der Stromverbrauch vom Referenzjahr 2008 (692.330 kWh) auf 2021 (270.515 kWh) mehr als halbiert.

Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung in der Kirchstraße

 So sah die Weihnachtsbeleuchtung vor dem Ausbau der Kirchstraße aus.

Ein Lichtvorhang im Abstand von 20 Meter quer zur Straße garniert mit dreidimensionalen Sternen unter Einhaltung eines Lichtraumprofils von 4,50 Meter über Straßenniveau: So soll laut Gemeinderatsbeschluss vom Dezember 2019 künftig die Weihnachtsbeleuchtung im Ortszentrum in der Kirchstraße aussehen. Die Vorhänge sollten nach dem damaligen Beschluss an temporären Masten direkt vor der Fassade oder wenn möglich auch an der Fassade befestigt werden.

Der Ausbau der Kirchstraße befindet sich nun, so sagte der Bürgermeister in der Ferienausschuss-Sitzung, in den letzten Zügen, so dass dann auch die vom Gemeinderat beschlossene neue Weihnachtsbeleuchtung aufgebaut werden könnte.  Götz: "Die Frage ist nur, wollen wir dies in so einer Situation tun oder wollen wir uns darauf verständigen, dass wir für die Durchführung des Weihnachtsmarktes 2022 nur im Rathausinnenhof eine Weihnachtsbeleuchtung anbringen und diese begrenzt auf die Markttage einschalten."

Das Einsparpotential sei zwar bedingt durch LED-Technik überschaubar, aber die Gemeinde könne hier eine Vorbildfunktion übernehmen. So folgte denn das Gremium einstimmig dem Vorschlag des Bürgermeisters, die Weihnachtsleuchtung heuer nicht in der Kirchstraße, sondern nur im Rathausinnenhof zu installieren.

Abgeschaltet werden auch die Zierbrunnen im Altort. Dies sind bereits aufgrund von Sanierungsmaßnahmen an der Pumpentechnik der Brunnen im Rathausinnenhof (rechts) bzw. an der Elektrik in der Bahnhofstraße (links). Die Pumpen sollen laut Bürgermeister nicht instandgesetzt, sondern abgewartet werden, wie sich die Energie-Situation weiter entwickelt.

 

Am Mittwoch liefen noch die Brunnen in der Gartensiedlung am Danziger Platz  (links) und am Dorfplatz in Gadheim (rechts). Dies soll laut Bürgermeister auch weiter so sein.

Gänzlich eingestellt werden bereits in Stufe 1 der Veranstaltungsbetrieb und die Vermietungen im gemeindlichen Bacchuskeller.

Vorgesehen ist auch im Mehrzweckraum des Feuerwehrhauses sowie auch in den Mainfrankensälen eine Beschränkung der genutzen / geheizten Räume bzw. Flächen.

Der Betrieb der Aussegnungsräume im Waldfriedhof (im Bild) und im alten Friedhof erfolgt nur noch im Frostschutz, ebenso auch alle öffentlichen WC-Anlagen.

Für alle Liegenschaften der Gemeinde gilt, dass Durchlauferhitzer und Boiler an den Handwaschbecken in der Stufe 1 deaktiviert werden.

Im Geisbergbad ist in Stufe 1 vorgesehen, die Warmwasser-Durchflussmenge in den Duschen einzuschränken bzw. den Duschbetrieb ganz einzustellen.

Bitte anklicken - Der Notfallplan (hier Auszug Stufe 1) erhebt laut Bürgermeister nicht den Anspruch, detailliert sämtliche Einsparpotentiale zu erfassen, sondern dient als Übersicht und roter Faden, an dem man sich orientieren kann.

Bitte anklicken - Der Notfallplan (hier Auszug Stufe 1) erhebt laut Bürgermeister nicht den Anspruch, detailliert sämtliche Einsparpotentiale zu erfassen, sondern dient als Übersicht und roter Faden, an dem man sich orientieren kann.

Auszug Notfallplan Stufe 2

Auszug Notfallplan Stufe 2

Aufgrund der angespannten Lage beinhaltet der Notfallplan auch „unpopuläre“ Maßnahmen, die nach den Worten des Bürgermeisters nicht bei allen Zustimmung finden werden, aber leider erforderlich sind.

Wann welche Stufe greift, ergibt sich im Hinblick auf die aktuelle Versorgungslage beim Gas und Strom. Die Verwaltung werde sich bei der Umsetzung auch an anderen Kommunen und den behördlichen Vorgaben orientieren.

Die betroffenen Nutzerinnen und Nutzer würden vorab über die Maßnahmen informiert. Maßnahmen der Stufe 1 sollen bereits zeitnah nach dem Ferienausschuss-Beschluss umgesetzt werden.

Text laut Vorlage der Gemeindeverwaltung

Fotos Dieter Gürz

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G
Grausamkeiten ist ein großes Wort für zeitlich befristete Einschränkungen, z.B. 20 Grad Temperaturbegrenzung.oder Hände waschen mit kaltem Wasser.
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D
Bitte ganz lesen: In der vom Ausschuss zugestimmten Liste steht in Stufe 1 bei den Sportanlagen, dass nur noch der Schul- aber nicht mehr der Vereinssport möglich ist (die Liste ist im Artikel abgedruckt!) - ist das nicht grausam?