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Erstmals in Bayern.: Ausstellung „100 Jahre Blindenführhundausbildung in Deutschland“ im Veitshöchheimer BFW

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Zur Vernissage der Wanderausstellung „Helfer auf vier Pfoten – 100 Jahre institutionelle Blindenführhundausbildung in Deutschland“ im Foyer des BFW Würzburg in Veitshöchheim freute sich Geschäftsführer Christoph Wutz neben Karen Heußner, der stellvertretenden Landrätin und Kulturreferentin der Gemeinde Veitshöchheim im Rahmen der Willkommenswoche auch die neuen Kursteilnehmer begrüßen zu können.

Zur Vernissage der Wanderausstellung „Helfer auf vier Pfoten – 100 Jahre institutionelle Blindenführhundausbildung in Deutschland“ im Foyer des BFW Würzburg in Veitshöchheim freute sich Geschäftsführer Christoph Wutz neben Karen Heußner, der stellvertretenden Landrätin und Kulturreferentin der Gemeinde Veitshöchheim im Rahmen der Willkommenswoche auch die neuen Kursteilnehmer begrüßen zu können.

Wenn vom besten Freund des Menschen die Rede ist, dann ist hierzulande der Hund gemeint. Blinden-Führhunde gelten jedoch nicht als Haustiere, sondern lebende Hilfsmittel. Ihre Ausbildung ist langwierig und aufwändig.

Von den Anfängen der Schulung bis zu den heutigen Standards führt dies bis 27. Februar 2017 die erstmals in Bayern in Veitshöchheim im BFW zu sehende und dann nach Berlin gehende Ausstellung vor Augen. Sie wartet mit spannenden historischen Abbildungen  und Grafiken auf, die die Meilensteine der Blindenführhundausbildung zeigen und die Entwicklung bis in die Gegenwart erläutern. Sie zeigt aber auch, was sehende Bürger tun können, um einem Führhundgespann die Arbeit zu erleichtern.

Wie Wutz sagte, werde im BFW im Rahmen des täglichen Lebens Inklusion gelebt, kämen also auch viele Sehende hierher, wie die hier wohnenden Jugendlichen vom Markushof, die hier ihr Mittagessen einnehmenden Schüler des Gymnasiums, die externen Teilnehmer von Sportangeboten im BFW und auch viele Tagungsgäste aus Politik und Wirtschaft. Für diese könne die Ausstellung neue Perspektiven eröffnen. Aber auch jeder sonst Interessierte aus der Bevölkerung sei natürlich herzlich willkommen.

Ausstellungsdauer bis 27.Februar 2017

Ort: Foyer BFW Würzburg gGmbH

Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte, Helen-Keller-Straße 5, 97209 Veitshöchheim

Öffnungszeiten: werktags 9 -17 Uhr

 

Auf neun Tafeln sind chronologisch einzelne historische Epochen dargestellt. Zwei Tafeln sind allgemein gültig und daher zeitlose Thementafeln
Auf neun Tafeln sind chronologisch einzelne historische Epochen dargestellt. Zwei Tafeln sind allgemein gültig und daher zeitlose Thementafeln

Auf neun Tafeln sind chronologisch einzelne historische Epochen dargestellt. Zwei Tafeln sind allgemein gültig und daher zeitlose Thementafeln

Karen Heußner (hinten links) bezeichnete Ausstellung, die einen tollen und zum Nachdenken anregenden Einblick in die Welt von Blinden gebe, eine Bereicherung für Veitshöchheim. Vor allem die Tafel mit den seit 1930 immer wieder erscheinenden „10 Bitten der Blindenführhunde“ hatten es ihr angetan, denn die meisten der Bitten seien zeitlos. Vor allem der  Wunsch nach einem angemessenen und respektvollen Umgang mit den Führhundgespannen sei heute so aktuell wie damals. Aber auch die fortlaufende Aufklärung der sehenden Bevölkerung sei wichtig.
Karen Heußner (hinten links) bezeichnete Ausstellung, die einen tollen und zum Nachdenken anregenden Einblick in die Welt von Blinden gebe, eine Bereicherung für Veitshöchheim. Vor allem die Tafel mit den seit 1930 immer wieder erscheinenden „10 Bitten der Blindenführhunde“ hatten es ihr angetan, denn die meisten der Bitten seien zeitlos. Vor allem der  Wunsch nach einem angemessenen und respektvollen Umgang mit den Führhundgespannen sei heute so aktuell wie damals. Aber auch die fortlaufende Aufklärung der sehenden Bevölkerung sei wichtig.

Karen Heußner (hinten links) bezeichnete Ausstellung, die einen tollen und zum Nachdenken anregenden Einblick in die Welt von Blinden gebe, eine Bereicherung für Veitshöchheim. Vor allem die Tafel mit den seit 1930 immer wieder erscheinenden „10 Bitten der Blindenführhunde“ hatten es ihr angetan, denn die meisten der Bitten seien zeitlos. Vor allem der Wunsch nach einem angemessenen und respektvollen Umgang mit den Führhundgespannen sei heute so aktuell wie damals. Aber auch die fortlaufende Aufklärung der sehenden Bevölkerung sei wichtig.

Marco Kaulbars So berichtet auch der 21jährige Marco Kaulbars, ein Kurswechsel-Teilnehmer und seit Mitte Dezember 2016 Führhundhalter, im Interview mit BFW-Pressereferentin Irene Girschner über seine Erfahrung, dass sehende Menschen häufig ihn und seine junge  Labradorhündin Jessy bei ihrer Zusammenarbeit im Verkehr bei ihrer anspruchsvollen Arbeit stören, etwa Kinder das Tier streicheln wollen.

Passanten könnten jedoch durchaus Hilfe anbieten, etwa indem man das Vorlesen eines Fahrplans vorschlägt oder bei der Überquerung einer Ampelkreuzung. Der Hund kann zwar die Ampel anzeigen, aber die Farben nicht deuten.

Der junge lebensbejahende und flott daherkommende Niederbayer, der vor gut zwei Jahren bei einem Verkehrsunfall schwere Kopfverletzungen erlitt und dabei sein Augenlicht verlor, als ein ausscherender Anhänger eines LKW in seiner Fahrerseite einschlug und  der Airbag nicht aufging, beherrscht zwar auch den Langstock perfekt. 

Marco zieht jedoch diesem eindeutig seinen Führhund vor, da dieser ihm nicht nur "sehende Assistenz" ist, sondern ein "Hilfsmittel mit Seele", das ihm neben der erhöhten Mobilität und Unabhängigkeit im Alltag rund um die Uhr Freundschaft bietet. Außerdem habe ihm Jessy in der kurzen Zeit, die er sie habe, ungeahnte Kommunikationsmöglichkeiten mit sehenden Personen eröffnet. Er komme durch den Hund leichter in einen Dialog.

Das macht Jessy für den jungen Mann, der nach der Grund-Reha im BFW eine Ausbildung als Kaufmann für Büromanagement anstrebt, einzigartig. Denn sein Hund gebe ihm Orientierung und Leitung. Bis heute könnten dies auch die sich stetig weiterentwickelnden Technologien allenfalls ergänzen, aber nicht ersetzen.

„Solch unbeschreibliches Glücksgefühl kennt nur der Führhundbesitzer: frei sich zu fühlen als Mensch, keinem zu hängen am Arm, Menschen nicht bitten zu müssen, auf Mitleid verzichten zu können.“ So erkannte schon, wie auf einer Tafel zu lesen ist, ein Führhundhalter im Jahr 1929.

Marcos Labrador-Hündin, mit einem Schäferhund als Großvater, wuchs zunächst ein Jahr in einer Pflegefamilie auf und absolvierte dann in einer Blindenführhundschule im thüringischen Arnstadt eine einjährige Ausbildung. Marco selbst arbeitete dort vier Wochen mit der Hündin, übte mit ihr die üblichen Befehle wie Sitz, Platz, Fuß und brachte ihr bei, dass er ihr Chef ist, ehe er zur Prüfung zugelassen wurde und einen Vertrag mit der Krankenkasse bekam.

Seine Jessy sei in der Lage, Hindernisse und Barrieren erkennen und umgehen, suche auf Kommando nach Treppen, Lifts, Türen, Bänken, Haltestellen oder anderen wichtigen Elementen. Im Bereich des öffentlichen Verkehrs leiste sie Hilfestellung in Bezug auf den Ein- oder Ausstieg von Verkehrsmitteln und gewähre  darüber hinaus ein sicheres Überqueren von Zebrastreifen und Fußgängerampeln. Im Falle einer Gefahrensituation, beispielsweise an der Kante eines Bahnsteigs, erkenne die Hündin die Notwendigkeit einer Verweigerung seiner Anweisungen, um ihn zu schützen. Dieser intelligente Ungehorsam sei für Hund und Halter überlebenswichtig.

Hellmuth PlatzDass nicht jeder Blinde für einen Führhund geeignet ist, machte Hellmuth Platz deutlich, der seit 30 Jahren im BFW als Rehabiliationslehrer für Orientierung & Mobilität tätig ist und so über eine reichhaltige Erfahrung im Umgang mit Führhundgespannen verfügt. Wie er sagte, gehöre Marco zu dem einem Drittel, bei dem es keine Probleme gebe. Viele Blinde hätten sich wieder von ihrem Führhund trennen müssen. Dies sei nicht ganz unproblematisch, denn ein Blindenhund  koste bis zu 40.000 Euro.

 

So wird auch in der Ausstellung als großes Dilemma die fehlende staatliche  Anerkennung des Berufs des Ausbilders von Blindenführhunden bezeichnet. Zwar gebe es Kriterien. Doch diese stammten aus dem Jahr 1993 und seien heute "total veraltet". Ein Beispiel ist allein die Ausbildung der Tiere. Früher seien sie mit Zwang – "unter Gewalt" – abgerichtet worden. Heute würden die Hunde als Partner des Menschen ausschließlich mit Belohnung ausgebildet.

Und es gebe "viele schwarze Schafe" in der Blindenführhund-Ausbildung. Der DBSV habe aber wenig Hoffnung, dass die im Sommer 2016 in den Bundestag eingereichte Petition zur Standardisierung dieser Ausbildung zugunsten der "Sicherheit der Menschen" Zustimmung findet.

Interessant ist auch, dass der Bundestag erst im Jahr 1957 beschlossen hatte, dass Blinde unbegleitet auf die Straßen dürften. Seither sei eine Menge in Sachen "Inklusion" geschehen.

Meilensteine in der Geschichte der systematischen Blindenhundausbildung

Bereits im 18. Jahrhundert wurden die Bewohner des französischen Blindenheims Quinze-Vingts von Hunden durch die Stadt Paris geführt. In den darauffolgenden Jahren gab es viele weitere wichtige Vorreiter für die Blindenführhundausbildung, wie wir sie heute kennen:

  • 1780: Der erblindete Siebmacher Joseph Reisinger bildet seinen Hund selbst zum Führhund aus
  • 1847: Der Schweizer Jakob Birrer dokumentiert die Selbstausbildung seines Hundes
  • 1916: Gründung der ersten Blindenführhundschule der Welt in Oldenburg
  • 1916: Übergabe des ersten systematisch ausgebildeten Blindenhundes an den Kriegsblinden Paul Feyen
  • 1919: Versorgung von 539 Kriegsblinden mit Führhunden
  • 1923: Eröffnung einer Blindenführhundschule durch den Verein für Deutsche Schäferhunde in Potsdam
  • 1929: Eröffnung der ersten Blindenführhundschule in den USA
  • 1930: Gründung der Gesellschaft für Hundeforschung zur Steigerung der Leistung von Hunden
  • 1965: Veröffentlichung einer Studie über die Bedeutung der ersten 12 Lebenswochen für die Sozialkompetenz von Hunden durch John Scott und John Fuller
  • 1975: Durchführung eines ersten Kurses „Orientierung und Mobilität“ für Blinde in Marburg
  • Seit 1990: Etablierung des Zugangsrechts für Blindenhunde zu allen Bereichen des öffentlichen Lebens

Die  Unterstützung von Blindenhunden und deren Halter

Damit Blindenführhunde ihrer Arbeit konzentriert nachgehen können, sollten einige Verhaltensregeln im Umgang mit dem vierbeinigen Helfer beachtet werden:

  • Vermeiden von Ablenkungen des Hundes durch Anstarren, Ansprechen, Streicheln oder Füttern
  • Verhindern von Sozialkontakten durch das Abhalten anderen Hunde von Blindenhund und Halter
  • Anbieten von Hilfe nie ohne Absprache mit dem Halter des Hundes, um Verunsicherung zu vermeiden
  • Gewähren eines barrierefreien Zutritts und Verständnis für Halter und Assistenzhund
  • Überlassen von ausreichend Freiraum in öffentlichen Verkehrsmitteln, um die Konzentration und Sicherheit des Hundes aufrecht zu erhalten
  • Hinweisen auf grüne Fußgängerampeln, da Blindenhunde Verkehrsampeln nicht lesen können

Paul Feyen

Tafel 1:  1916-2016 - Helfer auf vier Pfoten

Wie auf der ersten Ausstellungstafel zu sehen ist, wurde im Oktober 1916 vom Deutschen Verein für Sanitätshunde in Oldenburg erstmals ein systematisch ausgebildeter Blindenführhund, oft auch nur Blindenhund genannt, an den Kriegsblinden Paul Feyen übergeben.

Der Erste Weltkrieg und hier im Besonderen der Einsatz „moderner“ Kampfmittel hatte zur Folge, dass zahlreiche Soldaten erblindeten. Die Ausstattung von Kriegsblinden mit Führhunden ermöglichte ihnen eine wesentlich bessere Teilhabe am Alltagsleben, als dies zuvor der Fall war.

100 Jahre später werden nach einer Schätzung des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV), der die Ausstellung initiierte, in Deutschland jährlich etwa 300 Blindenführhunde ausgebildet.

Hunde 1. WeltkriegTafel 2: 1916 - Blinde Veteranen

Mehr als 30.000 Hunde dienten im Ersten Weltkrieg an der deutschen Front als Wächter, Meldeläufer oder Sanitätshelfer.

Blinde Veteranen – Im ersten Weltkrieg suchten Sanitätshunde die Kampffelder nach Verwundeten ab. Ausgebildet wurden die Hunde vom Deutschen Verein für Sanitätshunde (gegründet 1893) im Großherzogtum Oldenburg. Bereits während des Kriegs setzte sich dessen Vorsitzender, Geheimrat Dr. Heinrich Stalling, für die systematische Ausbildung von Hunden zu Führzwecken ein. Der Bedarf an „Blindenführern“ war da: Durch den Einsatz von Giftgasen, Schussverletzungen und Explosionen verloren mehr als 3.000 Soldaten ihr Augenlicht auf dem Schlachtfeld.
 

Ursachen von Blindheit in Deutshland

Verschieden große Tortenstücke zeigen den prozentualen Anteil bestimmter Krankheiten an. Mit 50 % besetzt Altersabhängige Makuladegeneration das größte Segment. Glaukom folgt mit 18 %. Nahezu ebenso groß ist das Segment für Diabetische Retinopathie - 17 %.  Vier wesentlich kleinere Tortenstücke nennen weitere Ursachen: Grauer Star 5 %, Hornhauttrübungen 3 %, Erblindung in Kindheit 2,5 % und andere Ursachen 4,6 %.
 

Sehvermögen StadienStadien von Sehvermögen

Diese Serie von vier Bildern zeigt am Beispiel des Bildausschnitts einer Straßenszene unterschiedliche Stadien von Sehvermögen: 100 %, ca. 30 %, ca. fünf %, und Sehrest von ca. zwei %. Viele Dinge, wie dieses Fahrrad, fallen sehenden Menschen gar nicht auf. Sie gehen automatisch darum herum. Für einen blinden oder sehbehinderten Menschen stellt dies ein Hindernis dar, welches auch mit dem Langstock nicht gut zu erfassen ist. Unfall- und Verletzungsgefahr sind die Folgen.

Auf dem ersten Bild der Serie sieht man deutlich die vordere Hälfte eines Fahrrads, das an einem Zaun lehnt. Auf dem zweiten Bild ist der Fahrradreifen noch unscharf zu erkennen, Farbe und Konturen des Autos im Hintergrund sind undeutlich zu erkennen. Auf dem dritten Bild ist das Fahrrad als solches nicht mehr zu erfassen. Das vierte Bild ist einheitlich hellgrau ohne Kontraste und jegliche Farben.

 

 

PotsdamSchuleTafel 4 1916 /1923 - Oldenburg / Potsdam

Ein historisches Schwarzweißfoto von der  Blindenführhundstelle Potsdam

1923 eröffnete der Verein für Deutsche Schäferhunde in Potsdam auf Initiative des Reichsarbeitsministeriums eine Blindenführhundschule, die sich als direkte Konkurrenz zur Oldenburger Schule sah. Aufgrund erfolgreicher Ausbildungsmethoden gewann die Schule weltweite Anerkennung.

 

Geldnote mit FührhundDie Ausgabe dieses Scheines ist von der Polizeikommission des Senats Bremen genehmigt. Er wird von der Commerz & Privatbank, Filiale Oldenburg jederzeit eingelöst und verliert seine Gültigkeit, wenn er nicht drei Monate nach erfolgter Aufrufung in den bremischen Zeitungen eingelöst wird. Deutscher Verein für Sanitätshunde Oldenburg i/O 1921.

 

 

 


 

Anzahl Führgespanne Europa

Die European Guidedog Federation (EGDF) hat in ihrer Jahreshauptversammlung 2015 die geschätzte Anzahl der Führgespanne in den europäischen Ländern vorgestellt:

Belgien 175, Dänemark 250, Deutschland 2100, Finnland 209, Frankreich 1500 Italien 1000, Niederlande 700, Norwegen 300, Österreich 250, Polen 120, Schweiz 350, Spanien 1013, UK 4770
Gesamt Europa 14.299

 


 

 

Hund an AmpelTafel 5 1930 - Wissenschaft trifft Praxis

Modernes Hundetraining – Moderne Führhundausbildung funktioniert über „positive Verstärkung“. Im Fokus stehen dabei die intakte Kommunikation zwischen Mensch und Tier und das partnerschaftliche Miteinander.

Der Führhund lernt, dass erwünschtes Verhalten belohnt wird. Bei Fehlern bleibt die Belohnung aus. Damit der Hund viele Belohnungen und Erfolgserlebnisse hat, werden die komplexen Lernaufgaben in einzelne aufeinander aufbauende und immer schwerer werdende Lernschritte zerlegt. Das Verhalten wird „geformt“ (shaping). Im Fokus des Trainings steht heute nicht mehr, falsche Verhaltensweisen zu bestrafen, sondern richtiges Verhalten zu fördern.

Die Gesamtaufgabe in kleine Lernschritte zerlegt: Ein Target (Zielfläche) wird in der Hand gehalten. Der Hund lernt, auf ein Signal hin das Target mit der Nase zu berühren.
Im nächsten Schritt klebt das Target an einem Ampelmast und der Hund berührt es auf sein gelerntes Signal hin mit der Nase. Schließlich kann das Target weg gelassen werden. Der Hund hat gelernt, auf Signal die Ampel anzuzeigen, indem er seine Nase an den Ampelmast hält.

Hundezucht1965 - Hundezucht und Welpen

Von links oben nach rechts unten: Labrador Retriever, Pudel, Schäferhund, Golden Retriever, Riesenschnauzer, Australian Shepard, Kurzhaarcollie, Elo, Airdale Terrier.

Die Fähigkeiten eines Blindenhundes

Besonders Schäferhunde, Labrador Retriever sowie Golden Retriever eignen sich optimal für eine Ausbildung zum Blindenführhund, da sie wichtige Charaktereigenschaften, wie z.B. Intelligenz, Nervenstärke und Belastbarkeit, aufweisen.

Nur so kann gewährleistet werden, dass eine enge Bindung zwischen Mensch und Tier aufgebaut wird. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist es für den Hund nach seiner erfolgreichen Ausbildung kein Problem, Mitmenschen zu mindern und sich ein selbstsicheres Erscheinungsbild anzueignen, was die Unsicherheit in Bezug auf die eigene Sehschädigung mindert.

Unter den Führhunden sind heute die Labrador Retriever am häufigsten vertreten, gefolgt von Pudeln und Mischlingen aus Labrador und Pudel (Labradoodle). Sporadisch werden Golden Retriever, Deutsche oder Weiße Schweizer Schäferhunde, Riesenschnauzer, Australian Shepards, Collies, Elos oder Airdale Terrier eingesetzt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sahen Züchter ihre Aufgabe nur darin, nach rein äußerlichen Merkmalen Elterntiere zu verpaaren. Heute übernehmen sie auch große Verantwortung für die Verhaltensentwicklung, indem sie die Welpen behutsam mit der menschlichen Umwelt vertraut machen.

Eignungskriterien – Damit ein Hund zum Blindenführhund werden kann, muss er körperlich gesund sein und eine Schulterhöhe von etwa 50 bis 70 cm haben. Weitere spezielle Voraussetzungen sind zum Beispiel Intelligenz, Nervenstärke, Friedfertigkeit, Freundlichkeit
und Belastbarkeit. Zu Aggressivität neigende Tiere oder solche mit ausgeprägtem Jagdverhalten dürfen nicht ausgebildet werden.

ZebrastreifenTafel 8 : 1975 - Orientierung & Mobilität

1975 fand in Marburg nach amerikanischem Vorbild der erste Kurs „Orientierung und Mobilität“ statt. O&M-Training hilft, sich im Straßenverkehr, im häuslichen Umfeld oder auch in fremder Umgebung sicher und selbständig fortzubewegen, Ziele mit Hilfe des weißen Langstocks und der nicht visuellen Sinne zu bestimmen sowie Sicherheit und Selbständigkeit wieder zu erlangen und zu erhalten.

Heute ist das O&M-Training Voraussetzung für die Bewilligung eines Blindenführhundes „auf Rezept“, denn Führhunde sind keine Autopiloten. Damit das Gespann das Ziel erreicht, müssen sich Mensch und Hund ergänzen: Der Mensch kennt anhand seiner „inneren Landkarte“ den Weg und sagt dem Hund, welche Richtung einzuschlagen ist. Der Hund führt um Hindernisse herum, zeigt Bordsteinkanten, so dass der Mensch die Querstraßen wahrnimmt oder zeigt Ampeln, Eingänge oder andere markante Punkte, anhand derer sich der Mensch orientieren kann.

Zusammenarbeit zwischen Mensch und Hund am Beispiel einer Ampelanzeige

Zusammenarbeit zwischen Mensch und Hund am Beispiel einer Ampelanzeige

Tafel 9 - Drum prüfe....

Drum prüfe, wer sich ewig bindet – Grundlage für die volle Leistungsfähigkeit eines Führgespannes ist, dass Mensch und Hund gut zusammen passen. Daher ist die Auswahl, welcher Hund welchem Menschen zugeteilt wird, ganz besonders wichtig. Ist diese Entscheidung gefallen, lernen Hund und Mensch in einer etwa dreiwöchigen Einarbeitungszeit, miteinander umzugehen. Am Ende der Einarbeitung legt das Gespann eine sogenannte Gespannprüfung ab: Unabhängige Gutachter überprüfen, ob das Mensch-Hund-Gespann verkehrssicher ist, ob sich Mensch und Hund gut verstehen und der Hund gut versorgt wird.

FührhundHunde lernen und sind daher technischen Hilfsmitteln überlegen. Der Nachteil: Hunde lernen nicht nur erwünschtes, sondern auch unerwünschtes Verhalten. Das kann in Bezug auf die Führleistungen zum Risikofaktor werden. Deshalb müssen Führhundhalter ein ganzes Hundeleben lang das Gelernte mit dem Hund üben. Bereits 1926 wurden die Nachsorgeterminen überprüft und die Qualität in Formularen dokumentiert.

Tafel 10: 1990er -Technische Hilfen

Die Welt blinder und sehbehinderter Menschen ist geprägt von technischen Hilfen. Aber egal, ob Ampeln mit akustischem Signal, Navigationsgeräte oder andere Errungenschaften – nichts davon  kann den Führhund ersetzen. Im Gegenteil, manch Neues birgt sogar neue Gefahren: Elektroautos sind für blinde und sehbehinderte Menschen aufgrund ihres fehlenden Fahrgeräusches (im englischen Sprachgebrauch deshalb auch „silent cars“ genannt) völlig unberechenbar. Ein Führhund sieht aber das leise heran nahende Auto und bleibt stehen oder weicht aus.

Tafel 11: 2016 - Aktuell

Forderungen – Noch immer ist es in Deutschland nicht gelungen, …

… rechtlich und gesellschaftlich zu verankern, dass Menschen, die einen Blindenführhund nutzen, freien Zutritt zu allen Bereichen des öffentlichen Lebens haben. Blinde und sehbehinderte Menschen kommen durch ihre Führhunde überall hin, aber bei weitem nicht überall hinein.

… verbindliche und zeitgerechte Maßnahmen zur Qualitätssicherung zu etablieren, durch die Standards für die Blindenführhundausbildung und -vergabe etabliert und gesichert werden. Für alle anderen medizinischen Hilfsmittel gibt es solche Standards, die von Krankenkassen verlangt und kontrolliert werden.

… Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote für angehende Blindenführhundtrainer zu schaffen. Im Prinzip kann jeder Mensch, der ein Gewerbe anmeldet und beim örtlichen Veterinäramt eine Erlaubnis einholt, Blindenführhunde ausbilden.

Führhunde gewährleisten ihren Menschen sichere und selbstständige Mobilität. Von ihnen geht keine Gefahr und auch kein Hygienerisiko aus. Denn sie sind speziell ausgewählt, ausgebildet und werden von ihren blinden Bezugspersonen sorgfältig gepflegt und regelmäßig dem Tierarzt vorgeführt. Deshalb muss Führhunden als Bestandteil der Barrierefreiheit der Zugang zu Orten gestattet werden, der anderen Hunden verschlossen bleibt.

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