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Ergebnis der Befragungsanalyse eines P-Seminars: Das Gymnasium Veitshöchheim ist kein gewaltfreier Lebensraum

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

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Soziale Schlüssel-Kompetenzen zu erlangen hatten sich die 13 Schülerinnen und ein Schüler zum Ziel gesetzt, die sich am Gymnasium Veitshöchheim vor gut eineinhalb Jahren für das P-Seminar "Das Gymnasium Veitshöchheim – ein gewaltfreier Lebensraum?" im Fach Deutsch unter der Leitung des Lehrers Franz Hofmann einschrieben.

Aufgeteilt in drei Arbeitsgruppen untersuchten sie in Teamarbeit Mobbing und Gewalt an der Schule sehr intensiv in allen Facetten.

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Zum Abschluss dieses Projektseminars zur Studien- und Berufsorientierung präsentierten nun die angehenden Abiturienten eindrucksvoll ihre Untersuchungs-Ergebnisse per Powerpoint in einer zweistündigen Abendveranstaltung der Öffentlichkeit.

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Zudem hatten die Jugendlichen ein Drehbuch erstellt und Rollenspiele eingeübt, um dem Publikum die Arten von Mobbing auch plastisch vor Augen zu führen.

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Der Themenabend des P-Seminars gewährte so einen umfassenden Einblick in den Schulalltag: Über 90 Prozent der Schüler fühlen sich hier sehr wohl. Nach der Analyse der Zwölftklässler läuft aber doch nicht alles so perfekt ab, ist der Schulalltag auch von Gewalt geprägt. Auch am Gymnasium gibt es rund sechs Prozent Schüler, die ständig verbaler und die gleiche Zahl, die körperlicher Gewalt ausgesetzt sind. Insgesamt gaben 18 Prozent der 354 befragten Sechst- bis Zehntklässler an, schon einmal gemobbt worden zu sein. Allerdings äußerten nur sieben Prozent, dass sie tatsächlich Angst vor Mobbing haben.

Lehrer Hofmann lobte abschließend seine 14 P-Seminaristen: Alle haben sich sehr ernsthaft mit dem Thema beschäftigt. Der Abend habe verdeutlicht, welch unvorstellbares Leid Mobbingopfer erfahren. Weil dieses Leid so unsäglich sei, schickte der Beratungslehrer einen Wunsch auf die Reise: "Ich wünsche mir,  dass wir beherzt eingreifen, wenn wir merken, dass jemand unter den Angriffen anderer leidet."

 

 


So hatte sich die Gruppe eins eingehend mit der Literatur und Ursachenforschung befasst. Diese Gruppe führte mit dem Spiel „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ von Robert Musilin in die Thematik ein und informierte allgemein über das Thema Mobbing.

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Immer aktueller wird Cyber-Mobbing in Gruppenchats im Internet, sprich die Belästigung anderer Personen wie in etwa Facebook oder in Gruppenchats nach dem Zitat des spätantiken Philosophen Plutarchos "Verleumde nur frech, es bleibt immer etwas hängen."  Die Hemmschwelle im Internet zu mobben, so die Erkenntnis der Schüler, sei sehr gering, da die Anonymität im Web Schutz biete. Die gigantische Internetmaschine Google vergesse aufgrund ihrer automatischen Stichwortverknüpfung nichts. Leider gebe es für Internettäter nur geringe gesetzlichen Sanktionen, es sei denn es ist öffentliches Mobbing beispielsweise durch Bilder und Videos (Verletzung des Rechts auf das eigenen Bild) oder durch Beleidigungen, Nötigung oder Erpressung ein Straftatbestand gegeben. 

Am Gymnasium Veitshöchheim, so wurde berichtet, spiele Cybermobbing im Gegensatz zu einer Forsa-Umfrage der Mainpost vom 3.1.2013 (32 Prozent der Jugendlichen werden online gemobbt, 71 Prozent kennen ein Opfer) nur eine sehr geringe Rolle.  Die Moderatorinnen führten dies auf eine frühzeitige und wirksame Medienerziehung an der Schule zurück. 


   

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Die Gruppe definierte aufgrund der Schlagzeilen von Winnenden, Erfurt und in den USA was ein Amoklauf ist und was auch dessen Spätfolgen sind.

Erläutert wurden die Anzeichen, Ursachen und Folgen von Mobbing und warum sich Mobbing-Opfer meist nicht an Erwachsene wenden.  

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Dargestellt wurden auch die Rollenverteilung bei Mobbing wie die Täterrolle, die Opferrolle und welche Bedeutung Mitläufer und Beobachter haben.


Die zweite Gruppe stellte dann nach dem theoretischen Einstieg den praktischen Teil der Seminararbeit, nämlich ihre an der Schule durchgeführte Befragung an der Schule vor. Das PC- Fragebogenprogramm GrafStat unterstützte dabei alle Schritte, vom Aufbau des Fragebogens über den Ausdruck eines ausfüllfertigen Formulars bis hin zur Erfassung der Daten und zu vielfältigen Auswertungsvarianten einschließlich Druck, Grafikexport und Dokumentation.

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Befragt und interviewt wurden die fünften bis zehnten Jahrgangsstufen, die fünften Klassen mit einem separaten Fragebogen.

Allgemein fühlten sich hier bis auf ein Prozent der Fünftklässler alle wohl und es wurden viele Freundschaften geschlossen. Eine Angst vor Mitschülern zeichnete sich nicht ab. Gleichwohl wurde bereits ein Großteil beschimpft oder beleidigt. Ein Fünftel wurde bereits körperlich oder verbal angegriffen. Zwei Schüler pro Klasse seien so eingeschüchtert, dass sie sich nicht trauten, mit zu arbeiten oder sich an Lehrer zu wenden.   Die Empfehlung der Arbeitsgruppe: Den Schülern sollte man mehr Ansprechpartner zur Seite stellen.

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Auswertung der anonymen Fragebögen der sechsten bis zehnten Klassen am Gymnasium, das waren 202 Jungen und 152 Mädchen: Positiv fiel auf, dass bis auf acht Schüler die meisten gerne in ihre Klasse gehen und freundschaftliche Kontakte die Regel sind. Anzutreffen waren direkte verbale Angriffe mit Worten, um jemand zu verletzen oder zu kränken wie Beleidigungen, Beschimpfungen und Auslachen und indirekte Angriffe durch das Verbreiten von Gerüchten Unwahrheiten und Lästereien. 124 gaben an beschimpft und 98 beleidigt worden zu sein. Zwölf Prozent der Schüler gaben an, täglich solchen verbalen Angriffen ausgesetzt zu sein, davon rund ein Drittel schon seit mehr als einem Jahr.

Die nonverbalen Angriffe hätten sich durch Gestik, abwertende und geringschätzige Blicke oder durch Nachmachen oder Ignorieren ergeben. 6,3 Prozent der Schüler fühlten sich dadurch täglich angegriffen.

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Es gibt aber auch am Gymnaisum  körperliche Angriffe.Wie die Befragung zeigte, haben zwei Drittel der Schüler überhaupt keine Probleme mit körperlicher Gewalt. Der Rest habe mit unterschiedlichen Formen zu kämpfen. An erster Stelle stehe das Schlagen, dann das Treten, Kneifen und Festhalten, an dritter Stelle die Sachbeschädigung. Solche Angriffe würden 6,5 Prozent der Schüler täglich erleben, davon ein Fünftel seit mehr als einem Jahr. Festgestellt wurde, dass verbale Gewalt häufig körperliche Gewalt vorausgeht und quasi deren Höhepunkt ist.

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Mobbing finde in der Regel in kleineren Gruppen statt. Es könne aber auch eine ganze Klasse beteiligt sein. Es gebe ein Drittel die meist aus Frust selbst zu  Mobbern werden. 61 Prozent der Schüler kennen Mobber und 75 Prozent Opfer.

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Zur Mobbingerfahrung befragt, wurden unter den 354 teilnehmenden Schülern 63 oder 18 Prozent bereits selbst zum Opfer von Mobbingangriffen. Diese Zahl müsse jedoch relativiert werden, da viele den Begriff falsch auffassen und interpretieren. Dies bestätige die Zahl von 84 Prozent, die angaben, keine Angst vor Mitschülern zu haben. Cybermobbing sei an der Schule nicht präsent. Angriffe erfolgten hauptsächlich durch Jungen. Hauptgründe für die Täter seien in erster Linie das Aussehen, dann das Verhalten und zum Schluss Hautfarbe und Herkunft.

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Unter den Befragten fänden zwar viele Jugendliche Mobbing abstoßend.  Aber nur wenige seien bereit, einzugreifen und Hilfe zu leisten, fühlten sich hilflos und machtlos aus Angst, selbst zum Opfer zu werden. Schockierend sei, dass 18 Prozent der Schüler sich mitmachbereit äußerten und weitere 26,4 Prozent sich unentschlossen zeigten. Dauernde Angst vor Mobbingangriffen äußerten dagegen nur sieben Prozent der Schüler. Da sich jedoch über 90 Prozent sehr wohl in ihrer Umgebung fühlen würden, könne man von einem sehr ruhigen und friedlichen Klima an der Schule sprechen.

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Defensivstrategien, mit denen sich Schüler gegen Mobbing zur Wehr setzen sind laut Umfrage in der Reihenfolge mit Worten, Hilfe suchen, körperliche Gewalt und Ignorieren. Dies hänge vom Übergriffsort Klassenzimmer oder Pausenort und vom Zeitpunkt ab, in welchem die Täter eine größere Aufmerksamkeit für ihre Aggressionen haben. Es sei aber um so schlimmer für die Opfer, vor größerem Publikum gedemütigt zu werden.

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Eine wichtige Rolle würden bei Mobbing die Ansprechpartner spielen, in erster Linie das private Umfeld. Positiv überrascht habe, dass viele sich auch an die Lehrer wenden, die so nicht nur als Respekt-, sondern auch als Vertrauensperson angesehen werden.  Schockierend sei, dass von den Mitschülern nach der Umfrage nur 15 Prozent bereit seien, bei einem Mobbingvorfall einzuschreiten. Der Rest sei in seiner Handlungsweise eher unsicher. Hier sei eine Motivierung notwendig.

Die befragten Schüler waren der Meinung, dass nur die Hälfte der Lehrer einschreiten würden. Die Arbeitsgruppe stellte deshalb in Frage, dass die Lehrer gar nicht wissen würden, was für Mobbingfälle es an ihrer Schule gibt.  Da letztere aber nicht befragt wurden, sei deren Einstellung unklar. 

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Schlussfolgerung: Die Analyse der Umfrage habe gezeigt, dass die Gewaltanwendung an der Schule sehr gering sei. Dies sei auf die Vielzahl von Projekten zurückzuführen, die jedes Jahr an der Schule durchgeführt werden, seien es nun Projekttage, Klassenfahrten, Streitschlichter- oder andere Projekte, durch die das Schulklima oder die Klassengemeinschaft gefördert werde. Dennoch sollte an die Hilfsbereitschaft der Schüler appelliert,  daran gearbeitet und die Bedeutung der Ansprechpartner heraus gestellt werden. Eine bedeutende Rolle komme hier auch den Lehrern und Eltern zu.

Zu bedenken ist nach Meinung der Moderatorinnen, dass der Begriff Mobbing häufig auch schon dann verwendet werde, wenn Angriffe einmalig oder nur von kurzer Dauer seien. Nicht einbezogen habe man bei der Umfrage die elften und zwölften Klassen, da hier die Mobbingbereitschaft, auf andere Schüler los zu gehen, sehr gering sei.

Die Frage, ob die Auswertung einen praktischen Nutzen hat, wurde bejaht. Denn natürlich werde man die Ergebnisse an die Beratungslehrer, die Klassenlehrer und an den Schulleiter weitergeben. Die P-Seminaristen hoffen, dass nun noch stärker Wert auf eine frühzeitige Beobachtung gelegt und Interventionsmaßnahmen ergriffen werden.


Die Gruppe drei führte dann nach der Pause die möglichen Methoden der  Prävention und Intervention vor Augen und was dafür bisher am Gymnasium Veitshöchheim getan wurde.

Prävention:

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  Aufgezeigt wurden vorbeugende Maßnahmen in der Klasse, auf Schulebene, auf persönlicher Ebene und im Dialog mit den Eltern und außerdem die Gründe und Auswirkungen von Gewalt und wie man Konflikte gewaltfrei lösen kann.

 

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Ein Rollenspiel verdeutlichte, wie man möglichst nicht vorgehen sollte, Mobbing-Konflikte zu lösen.


 

Interventionsmedhoden:

 

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Farsta

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Anti-Bullying-Konzept nach Olweus

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"No Blame Approach"


Schulverfassung

Nicht erwähnt wurde vom P-Seminar die Schulverfassung des Gymnasiums. In den Jahren 2000-2002 wurde sie von verschiedenen Mitgliedern der Schulfamilie erarbeitet und von der Schulgemeinschaft verabschiedet. Sie lautet:

"Wir – Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen, Lehrer und Angestellte der Schule sowie Eltern am Gymnasium Veitshöchheim – betrachten unsere Schule als unsere Gemeinschaft. In dieser Gemeinschaft sorgen wir dafür, dass sich alle Mitglieder auf dem Schulweg und auf dem Schulgelände sicher und frei bewegen können und sich wohl fühlen. Wir setzen uns dafür ein, dass unser Schulalltag frei ist von jeder Form körperlicher und seelischer Belästigung und Gewalt. Dies betrachten wir als Grundlage für eine freie Entfaltung der Persönlichkeit und für ein gemeinsames Gewinn bringendes Lernen und Arbeiten." 

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