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Veitshöchheimer Klimaschutz-Vorbildprojekt: Bürgermeister verlieh Klima- und Umweltschutzpreis 2022 mit einem Preisgeld von 3000 Euro an die Eheleute Hirn/Simmelbauer

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Foto von der Verleihung des Klima- und Umweltschutzpreises 2022 mit einem Preisgeld von 3000 Euro an die Eheleute Dr. Rainer Hirn und Margret Simmelbauer im Veitshöchheimer Rathaus am 16. Januar 2023 durch Bürgermeister Jürgen Götz, Klimaschutzmanager Jan Speth und Umweltreferent Günter Thein (Foto Dieter Gürz)

Die Bürgerschaft zum sparsamen und nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen anzuhalten, ist schon seit über drei Jahrzehnten ein besonderes Anliegen der Gemeinde Veitshöchheim. Um Ideen, Maßnahmen oder Aktionen für den Natur- und Umweltschutz auszuzeichnen, hatte die Gemeinde  auf Anregung des Agenda 21-Arbeitskreies bereits 1989 einen Umweltschutzwettbewerb ausgeschrieben und so beispielsweise Michael Hepf und Matthias Schäfer als Preisträger des Wettbewerbs 2004 gekürt.

Im Vollzug des von der Gemeinde Veitshöchheim als erste Kommune in der Region beschlossenen kommunalen Klimaschutzkonzeptes (Energieleitplan)  hatte die Gemeinde 2013 den weiteren Wettbewerb ENERGIE SPAREN – ENERGIE EFFIZIENT NUTZEN – ERNEUERBARE ENERGIEN VERWENDEN ausgeschrieben. Den Hauptpreis von 1.000 Euro für den klimafreundlichsten Haushalt Veitshöchheims gewannen im April 2014 die Eheleute Margret Simmelbauer und  Rainer Hirn (siehe nachstehender Link auf Bericht vom 21.1.2014).

Bei den Wettbewerbssiegern fiel vor allem ins Gewicht, dass sie im Gebäudesektor sogar einen Minuswert verbuchen konnten. So haben sie mit viel Eigenleistung ihr 30 Jahre altes Haus in ein Plus-Energiehaus verwandelt, das heißt mit Vollwärmeschutz, Dreifachverglasung, Zentrale Lüftungsanlage, Direktverdampfer-Erdreich-Wärmepumpe, 20 kWp-Photovoltaik-Anlage auf allen Dachflächen und Wassererwärmung durch Solarthermie ausgestattet. So war ein Gasanschluss nicht mehr nötig. Es wurde im Gegenteil im Jahr doppelt so viel Energie erzeugt wie der Haushalt selbst verbraucht. Das Ehepaar setzte damit bereits das im 2010 verabschiedeten Klimaschutzkonzept enthaltene langfristige Ziel einer CO2-neutralen Gemeinde um.

Eineinhalb Jahre später konnte deshalb Rainer Hirn im Juli 2015 auch  den Bürgerenergiepreis der Bayernwerke AG und Regierung von Unterfranken für die „Sanierung eines Einfamilienhauses zum Plus-Energiehaus“ in Höhe von 3.000 Euro in Empfang nehmen (siehe nachstehender Link auf Bericht vom 15.7.2015).

Der Gemeinderat verabschiedete neuerdings am 13. April 2021 vom Klimaschutzmanager ausgearbeitete Richtlinien mit dem Auftrag, alle zwei Jahre einen mit 5.000 Euro dotierten Klima- und Umweltschutzpreis zu verleihen. Bei der ersten Preisverleihung  für das Jahr 2022 am 16.1.2023 bedauerte Bürgermeister Jürgen Götz, dass nur die Bewerbung der Eheleute Margret Simmelbauer und Rainer Hirn für ihr Projekt „Altbausanierung in Richtung Plusenergie und Autarkie“ einging.

Investitionen seit 2017

Seit dem Gewinn des Klimaschutzpreises 2013 hat Professor Dr. Rainer Hirn, Elektrotechnik-Dozent an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt in seinem Reiheneckhaus in der Seinsheimstraße die Energie-Effizienz weiter gesteigert, so 2017 durch den Einbau einiger Stromzähler und Entwicklung einer Smart-Phone App zur übersichtlichen Anzeige der aktuellen Stromverbräuche zur Stromeinsparung und Entwicklung einer automatischen PV-Überschussregelung für eine Wallbox.

Im Jahr 2018 installierte er dann eine 11 kW-Wallbox, verkaufte seinen Diesel-PKW und leaste dafür für einen e-Golf,  den er 2022 durch das kleinste Tesla Model 3 mit einem über 500.000 Kilometer haltbaren LFP-60 kWh-Akku (ohne Kobalt und Nickel) ersetzt.  2020 tauschte die Familie ihren Zweitwagen, einen Diesel-Smart ForTwo mit einem vier Jahre alten  e-Smart aus einer Mietwagenflotte aus.

2019 errichtete der Elektrotechnik-Experte einen 45 Quadratmeter großen Kalt-Wintergarten, legte zur Reduktion der Sehnsucht seiner Familie nach Fernreisen einen mediterranen Garten an, installierte dazu einen Drei-Personen-Whirlpool, der ausschließlich über Sonnenkollektoren beheizt wird und deshalb nur fünf Euro Stromkosten pro Jahr verursacht. Hirn: "Unser Ziel war, aufzuzeigen, dass man nicht auf alles verzichten muss."

2021 schließlich installierte der Professor in Eigenleistung eine zweite PV-Anlagemit  9,9 kWp auf dem Nebendach.
 

Eine Jury, der neben dem Bürgermeister Umweltreferent  Günter Thein, Klimaschutzmanager Jan Speth, Mitarbeiter des Bauhof, Rainer Berger und Jürgen Eppel von der LWG und Wolfgang Kloppsch von der BN-Ortsgruppe angehörten, zeigte sich laut Bürgermeister von der Bewerbung der Ehleute Simmelbauer-Hirn sichtlich beeindruckt, wie die Familie fortlaufend seit 2007 mit einer beachtenswerten Akribie ihren gesamten Haushalt auf regenerative Energien umgestellt und das eigene Reiheneckhaus so zu einem Veitshöchheimer Vorbildprojekt im Hinblick auf Klima- und Umweltschutz entwickelt hat.

Nach all den umgesetzten Maßnahmen ist aus dem ehemaligen Altbau aus dem Jahr 1981 heute ein rein strombasiertes Plusenergie-Haus entstanden, das im Jahr acht Mal so viel Strom in das öffentliche Netz einspeist als es vor alllem in den Wintermonaten aus ihm bezieht. Besonders bemerkenswert an diesen Zahlen ist, dass in diesen Zahlen nicht nur der übliche Betrieb des Hauses, sondern auch der Betrieb der Wärmepumpe und der beiden e-Autos bereits abgedeckt sind.

Bürgermeister Jürgen Götz: "Wir waren alle überzeugt, einen würdigen Preisträger für 2022 gefunden zu haben." Da die Familie bereits 2013 den Wettbewerb gewonnen hatte , habe sich das Preisgericht jedoch dazu entschieden, nicht den vollen Preis in Höhe von 5.000 Euro auszuzahlen, sondern diesen entsprechend den Richtlinien auf 3.000 Euro festzulegen. 

Sehr erfreuliche Energiebilanz der Familie Hirn/Simmelbauer

Nachdem die Familie seit über zwölf Jahren fein säuberlich an jedem Monatsende alle ihre Energieverbräuche protokollierte, ist über die Zeit ein sehr wertvoller Datensatz entstanden, aus dem man die Effektivität jeder nach und nach dazugekommenen energetischen Maßnahme direkt ablesen kann. Im vergangenen Jahr konnte die Familie Simmelbauer-Hirn nun auf folgende sehr erfreuliche Energiebilanz blicken:

  • 🌴 Stromerzeugung:                               18.000 kWh
  • 🌴 Erdgas- und Heizölverbrauch:           0 kWh
  • 🌴 Kraftstoffverbrauch:                          0 Liter
  • 🌴 Strombezug aus dem öffentl. Netz:  1.700 kWh
  • 🌴 Stromeinspeisung ins öffentl. Netz:  13.700 kWh

Für die Familie ist es besonders erfreulich, dass bei einem so energieeffizienten Haus und der Installation einer so großen Photovoltaikanlage nur noch 1700 kWh im Jahr aus dem Stromnetz bezogen werden müssen, um das komplette Haus inkl. Heizung und Mobilität zu betreiben.
Der dazu insgesamt benötigte Strom von 6000 kWh verteilte sich auf 2600 kWh für den Haushalt, auf 1000 kWh für die Wärmepumpe und auf 2400 kWh für die Elektroautos (was einer jährlichen Fahrleistung von 12.000 km entspricht).

Rainer Hirn: "Das eigentlich Erstaunliche an diesen Zahlen – auch für Experten – ist, die Tatsache, dass man auch ohne saisonale Energiespeicherung, also ohne großen Speicher, der den überschüssigen Solarstrom aus den Sommermonaten für die Wintermonate zur Verfügung stellt, mit so geringem Netzbezug auskommen kann, ohne größeren Verzicht üben zu müssen."

Der pro Jahr immer noch notwendige Netzbezug von 1700 kWh setze laut Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) beim aktuellen deutschen Strom-Mix während seiner Erzeugung knapp 750 kg CO2 frei. Verteilt auf drei Personen, die im Haushalt der Familie Simmelbauer-Hirn derzeit wohnen, seien das 250 kg CO2 pro Kopf. Für den Experten ein fast verschwindend kleiner Wert im Vergleich zu den Emissionen von 11,2 Tonnen CO2, die laut UBA (Wie hoch sind die Treibhausgasemissionen pro Person in Deutschland durchschnittlich? | Umweltbundesamt) jeder Bundesbürger insgesamt verursacht.

Familie Hirn/Simmelbauer möchte ein ermutigendes  Zeichen setzen

Am Ende der Preisverleihung war es der Familie Hirn/Simmelbauer ein Anliegen mitzuteilen, dass sie nicht wegen des zu erwartenden Preisgeldes zum zweiten Mal an diesem Wettbewerb teilnahmen, sondern dass sie in diesen doch sehr unsicheren Zeiten mit der Veröffentlichung dieser privaten Zahlen ein ermutigendes Zeichen setzen wollen. Daher haben sie beschlossen, von diesem Preisgeld mit der ganzen Familie einmal schön zum Essen zu gehen und den Rest zu spenden.

Sie möchten

  • 🌴 mit den o. g. beeindruckenden Zahlen zeigen (und belegen), dass man mit guten Ideen, guter Planung, guten Nerven, Engagement, Enthusiasmus und handwerklichem Geschick schon heute extrem viel verändern kann.
  • 🌴 zeigen, dass sie auch nach ihrer erfolgreichen Bewerbung vor neun Jahren noch viele weitere Maßnahmen umgesetzt haben.
  • 🌴 jeden ermutigen, sich diesbezüglich zu engagieren und sich von nichts und niemandem bei seinen Plänen abhalten zu lassen, schon gar nicht von ökonomischen Berechnungen, die die Investitionen in die Zukunft und die Notwendigkeit des Handelns jetzt nicht berücksichtigen– wie man sieht ist nahezu alles möglich …
  • 🌴 jedem Interessierten/Engagierten mit ihren bislang gesammelten Erfahrungen mit Rat und Tat zur Verfügung stehen!
    Was bisher hinsichtlich PV-Anlage und E-Autos bei mehreren Veitshöchheimer Bekannten, Verwandten, Nachbarn und Passanten erfolgte, insbesondere Multiplikation am Tag der Offenen Gärten 2021.
  • 🌴 jeden ermutigen als ersten Schritt auf jeden Fall eine möglichst große PV-Anlage auf sein Dach zu installieren (das geht am einfachsten und am schnellsten) - die nächsten Schritte folgen dann fast von selbst (z. B. die Lust auf ein Elektro-Auto).
  • 🌴 zeigen, dass Klima- und Umweltschutz nicht allein Verzicht bedeutet: Solar-Whirlpool und Tesla.

Sie konstatieren,

  • 🌴 🌴 dass bei dem derzeitigen Fachkräftemangel und den gestiegenen Materialpreisen viele Projekte derzeit nicht durch Handwerker durchgeführt werden können, sondern so wie bei ihnen in Eigenleitung erbracht werden müssen.
    Sie möchten an ihrem Beispiel zeigen, dass das zum sehr großen Teil auch geschehen kann.
  • 🌴 dass sie dankbar sind – nicht ganz ohne Stolz, gerade jetzt zu Zeiten der Energiekrise, im Haushalt von Gas und Öl unabhängig zu sein.
  • 🌴 dass sich die Mühe lohnt und es auch Spaß macht.
  • 🌴 dass sie viel dazu gelernt haben.
  • 🌴 dass sie es ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln schuldig sind.

Klima- und Umweltschutzpreis 2024

Der nächste Klima- und Umweltschutzpreis wird im Jahr 2024 verliehen, Interessierte Hauseigentümer können sich jetzt schon dafür beim Klimaschutzmanager Jan Speth bewerben!

Bürgermeister Jürgen Götz: "Kommunaler Umwelt- und Klimaschutz sind angesichts der globalen Herausforderungen zentrale Aufgaben, denen sich sowohl Politik und Verwaltung als auch die  Bürgerschaft sowie Vereine und Betriebe in Veitshöchheim stellen müssen. Unsere Gemeinde will hierbei ihrer eigenen Verantwortung gerecht werden und mit der Vergabe eines Klima- und Umweltschutzpreises bürgerschaftliches Engagement aktiv fördern und wertschätzen.

Der mit insgesamt 5.000 Euro dotierte Klima- und Umweltschutzpreis ist  thematisch ganz bewusst offen gestaltet, um kein Vorhaben in irgendeiner Form auszugrenzen. Themenbereiche sind beispielsweise einerseits Natur-, Arten- und Landschaftsschutz sowie Klimaschutz, aber andererseits beispielsweise auch Nachhaltige Mobilität, Abfallvermeidung und andere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes stehende Ideen. Detaillierte Informationen finden Sie auf der Internetseite der Gemeinde (siehe nachstehender Link).

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