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Berufsschul-Integrationsklasse blickte hinter die Kulissen der LWG - Ziel: Begeisterung für grüne Berufe wecken mit Praxisbeispielen

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

40 Schülerinnen und Schüler der Integrationsklassen der Berufsschule Kitzingen/Ochsenfurt informierten sich über den Einstieg in die Grünen Berufe.

40 Schülerinnen und Schüler der Integrationsklassen der Berufsschule Kitzingen/Ochsenfurt informierten sich über den Einstieg in die Grünen Berufe.

Staunende Augen und viele Fragen: Das hatten die rund 40 Schülerinnen und Schüler der Integrationsklassen der Berufsschule Kitzingen/Ochsenfurt. Die jungen Flüchtlinge besuchten am Dienstag, den 23.05.2017, den Campus der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) und informierten sich über die einzelnen Fachbereiche und Ausbildungsmöglichkeiten.

Mit einem Blick in die Praxis wurden am Nachmittag zudem die Informationen durch Besuche von Baustellen der Firma H&M Gartengestaltung (Rimpar) und einem Betriebsbesuch bei der Firma Garten Lindner in Ochsenfurt vertieft. Gefolgt waren sie dabei der Einladung des Gartenbauzentrums (GBZ) Bayern Nord am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen (AELF KT). Der Bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner sieht in den Asylbewerbern mit Bleibeperspektive die Landwirte und Gärtner von Morgen. „Eine fundierte Ausbildung im Agrarbereich ist gerade für praktisch oder technisch begabte Asylsuchende der optimale Start ins Arbeitsleben und damit ein wertvoller Beitrag zur Integration“, so Helmut Brunner.

Direkt vor Ort: Ausbilder Joachim Hörnig (li.) und Azubi Garnik Harunyan (daneben) stellen den Ausbildungsberuf Winzer am „lebenden Objekt“ im Weinberg Wölflein vor.

Direkt vor Ort: Ausbilder Joachim Hörnig (li.) und Azubi Garnik Harunyan (daneben) stellen den Ausbildungsberuf Winzer am „lebenden Objekt“ im Weinberg Wölflein vor.

Schnupperrunde direkt vor Ort im Weinberg

Garnik Harunyan ist doch ein bisschen nervös. Die Handgriffe des 22-jährigen Auszubildenden des LWG-Fachbereiches Weinbau sitzen normalerweise. Doch normalerweise hat Garnik Harunyan auch keine 40 Zuschauer – höchstens seinen Ausbilder Joachim Hörnig, der ihm über die Schulter schaut und praktische Tipps gibt. Doch seine Erklärung zur Erkennung von Frostschäden überzeugt: „Sind die Augen des Weinstockes, also die Knospen aus denen sich später Blätter, Ranken und schließlich die Blüte entwickelt, nicht mehr saftig grün, sondern braun, ist kein Austrieb mehr zu erwarten.“ Mit bis zu -4 °C war die Nacht auf den 20. April 2017 entschieden zu kalt. Bis zu 1/3 Ertragsverlust wird alleine in diesem Weinberg erwartet. Seit 2015 absolviert Harunyan eine Ausbildung zum Winzer und stellte seinen persönlichen Wunschberuf unter realen Bedingungen – direkt im Weinberg am Wölflein (Veitshöchheim) – den wissbegierigen Schülerinnen und Schülern der Integrationsklasse vor. Ein Arbeitsplatz direkt unter dem freien Himmel, bei Wind und Wetter, ist nicht jedermanns Sache: „Über die Hälfte meiner Lehrzeit verbringe ich vor Ort in den Weinbergen. Da heißt es auch mit anpacken, wie beispielsweise beim Pflanzen von Jungreben oder dem Aufbau der Drahtanlagen“, betont der Auszubildende. Schmutzige Hände und manchmal auch einen Muskelkater am Feierabend gehören da schon einmal dazu.

Seine Leidenschaft für den Weinbau wurde bereits früh geweckt. Bereits in seiner Heimat Bergkarbach, einer zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittenen Region, interessierte er sich für den Weinbau. „Ich fand es schon immer spannend, wie aus Trauben Wein wird“, erinnert sich Harunyan rückblickend. Jetzt erlernt er seinen Traumberuf von der Pike auf. „Die Kombination aus der theoretischen Wissensvermittlung in der Berufsschule und schließlich die praktische Umsetzung direkt im Weinberg ist genau das, was die Ausbildung so interessant und spannend macht“, schwärmt der LWG-Azubi. „Wie viele Trauben erntet man im Durschnitt auf einem Hektar Weinberg?“, möchte Garnik Harunyan schließlich von den Schülerinnen und Schülern wissen. „Bis zu 12.000 kg Trauben aus denen rund 9.000 Liter Wein gepresst werden“, erklärt er schließlich seinen Zuhörern stolz. 

Integration durch Ausbildung

„Integration passiert nicht von alleine“, ist sich Michael Braun, LWG-Sachgebiet Strukturentwicklung und Qualifizierung, sicher. Neben dem Willen zur Integration beim Asylsuchenden selbst kommt es vor allem auch auf das ´echte´ Integrationsangebot des Umfeldes an. „Neben dem privaten Umfeld, beispielsweise am Wohnort oder der Freundeskreis, bietet gerade eine Ausbildung die ideale Integrationsmöglichkeit“, betont Michael Braun. Doch damit dies auch gelingt, spielen die Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle: Neben der deutschen Sprachkenntnis für das grundsätzliche Verstehen sind vor allem die Unterstützung und das Verständnis der Arbeitskollegen mitentscheidend, damit der Grundgedanke der Integration, also eine nachhaltige Aufnahme in das bestehende Team, gelingt. „Das Team unterstützt dabei nicht nur im Arbeitsalltag und steht als ´Pate´ zur Seite, sondern vermittelt auch die Werte, die unser Selbstverständnis und Berufsumfeld prägen“, so Braun. Damit steht dem späteren, erfolgreichen Berufseinstieg dann nichts mehr im Wege.

Blick in die Praxis ist unverzichtbar

„In der Theorie ist alles doch ein wenig anders als in der Praxis. Umso wichtiger ist es daher, für die Schülerinnen und Schüler neben den Berufsinformationen an der LWG, auch durch Betriebs- und Baustellenbesuche Material, Maschinen und Arbeitsabläufe im Gartenbau praxisnah kennenzulernen“, so Joachim Lukas. Er ist einer von drei Bildungsberatern am GBZ Bayern Nord. Diese staatlichen Bildungsberater sind Ansprechpartner für die Berufsausbildung im Gartenbau in Ober- und Unterfranken. Mit der Vorstellung der grünen Berufe soll das Interesse an einer Ausbildung im grünen Bereich bei den jungen Menschen geweckt werden. Die Kampagne des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nimmt nun mehr und mehr Fahrt auf: „Alleine im Bereich Gartenbau konnten wir bisher 35 Flüchtlinge für einen Ausbildungsstart begeistern. Die Bandbreite der bisher abgeschlossenen Ausbildungsverträge reicht dabei vom Garten- und Landschaftsbau bis hin zum Zierpflanzenbau.“ Damit diese Erfolgsgeschichte auch weitergeht, haben die Bildungsberater noch einiges zu tun: Nämlich auch weiterhin gezielt über die grünen Berufe zu informieren und die Leidenschaft für einen Ausbildungsstart zu wecken. „Nur wer sich im Vorfeld ausreichend informiert, findet auch den für ihn passenden und damit erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben“, ist sich Joachim Lukas sicher.

Nabi Karimi absolviert seit Herbst 2016 eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner. Hier beim Aufbau der Bruchsteinmauer des Schauweinberges am LWG-Campus in Veitshöchheim.

Nabi Karimi absolviert seit Herbst 2016 eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner. Hier beim Aufbau der Bruchsteinmauer des Schauweinberges am LWG-Campus in Veitshöchheim.

Informationen aus erster Hand

In der Landespflege beantwortete Nabi Karimi die Fragen der interessierten Schülerinnen und Schülern. Seit September 2016 absolviert der gebürtige Afghane eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner an der LWG. „Viele Asylsuchende wissen gar nicht, welche Vielfalt an Ausbildungsberufen und welche Möglichkeiten des Berufseinstiges in Deutschland existieren“, betont Karimi. So hatte der heute 18jährige in seiner Heimat keinerlei Berührungspunkte mit dem Gartenbau, zumal in seiner Heimatregion neben langen Wintermonaten die Trockenheit im Sommer vorherrschte. „Eine Ausbildung oder ein Schulsystem wie in Deutschland gab es bei uns nicht“ erinnert sich der LWG-Azubi. Nach seiner Flucht in den Iran kam Nabi Karimi mit der Arbeit in einem Gewächshaus zum ersten Mal mit dem Gartenbau in Berührung. „Dort war ich verantwortlich für die Bewässerung und Temperaturüberwachung. Eine Verantwortung dafür zu haben, dass die Früchte und Pflanzen wachsen und gedeihen – dass macht mich noch heute glücklich“, so Nabi Karimi. Doch der Aufenthalt im Iran ist nur von kurzer Dauer: Nach einem Zwischenstopp in der Türkei strandet der Flüchtling im Herbst 2014 schließlich am Hauptbahnhof Würzburg. „Zusammen mit zwei Freunden wollte ich eigentlich bis nach Schweden – die Zugtickets haben aber nur bis Würzburg gereicht“. Rückblickend betrachtet jedoch ein Wink des Schicksals, ist sich Nabi Karimi heute sicher. Untergebracht in einer Wohngemeinschaft fängt er schließlich an, im Garten Tomaten und Gemüse anzupflanzen. Das große Interesse für die Gärtnerei bleibt auch seinem damaligen Betreuer nicht verborgen. „Ich weiß noch, wie er mich gefragt hat, ob ich mir ein Praktikum im Gärtnereibereich vorstellen kann“, so Karimi. Kurze Zeit später absolviert er tatsächlich ein einwöchiges Praktikum im Bereich Landespflege der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim. Trotz des großen Interesses und der Begeisterung für das Berufsfeld ist ein unmittelbarer Ausbildungsstart aber zunächst nicht möglich. Denn was fehlt, ist ein Schulabschluss. „In Afghanistan habe ich lediglich vier Klassen besucht. Erst nachdem ich meinen Mittleren Schulabschluss nachgeholt habe, konnte ich schließlich den Ausbildungsvertrag unterschreiben“, so Karimi stolz. Seinen interessierten Zuhörern gibt Karimi mit auf dem Weg, dass vor allem das Erlernen der deutschen Sprache die Grundvoraussetzung, nicht nur für einen erfolgreichen Start in die Berufswelt ist. So feilt der Afghane, seitdem er ins Land gekommen ist, an seinen Sprachkenntnissen. „Neben den Intensivkursen und den Deutschkursen der Mittelschule haben mit vor allem meine Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen geholfen“, betont Nabi Karimi.

Bei einem Rundgang über den LWG-Campus in Veitshöchheim hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, alle Fachbereiche der Landesanstalt kennenzulernen.

Bei einem Rundgang über den LWG-Campus in Veitshöchheim hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, alle Fachbereiche der Landesanstalt kennenzulernen.

Ausbildung an der LWG hat Zukunft

Neben Einblicke in die Fachbereiche Weinbau und Landespflege lernten die Schülerinnen und Schüler bei einem Rundgang auf dem Campus Veitshöchheim auch die übrigen Fachbereiche, und damit das vielfältige Ausbildungsangebot, der Landesanstalt kennen. „Uns ist es wichtig, dass wir uns ganzheitlich präsentieren und so ein Interesse für die Möglichkeiten der Berufsausbildung in einem unserer Bereiche wecken. Vielleicht hat der ein oder andere bereits Überschneidungspunkte wie Nabi Karimi und möchte diese bei uns in einer Ausbildung weiter vertiefen“, so Dr. Hermann Kolesch, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau. Die Rahmenbedingungen dafür sind auch für das kommende Ausbildungsjahr bereits gelegt: Denn die LWG ist ein Ausbildungsbetrieb mit 25 Azubis und bildet jährlich aus – und vielleicht kommt es ja zu einem Wiedersehen mit einem der 40 begeisterten Schülerinnen und Schülern.

INFOBOX Gartenbau l

Wer Gärtner/-in werden möchte, muss sich für seine Ausbildung zunächst für einen der sieben Fachrichtungen entscheiden. So stehen für den Berufseinstieg Baumschulen, die Friedhofsgärtnerei sowie der Garten- und Landschaftsbau, aber auch die Bereiche Gemüsebau, Obstbau, Staudengärtnerei und Zierpflanzenbau zur Auswahl. Die Ausbildung umfasst jeweils drei Jahre und findet im dualen System (Ausbildungsbetrieb und Berufsschule) statt.

Kampagne „Grüne Berufe“ l

Mit der Infokampagne des Bayerischen Landwirtschaftsministers Helmut Brunner, sollen gezielt Asylbewerber mit Bleibeperspektive für die grünen Berufe, wie Landwirt oder Gärtner, gewonnen werden. Dabei wird direkt in den Integrationsklassen für die Berufsfelder geworben und mit der Vermittlung von Praktika ein Blick in die Berufspraxis gegeben. Um den sprachlichen Zugang zu erleichtern, werden zudem die vorhandenen Infobroschüren zu den Agrarberufen in die wichtigsten Herkunftssprachen übersetzt.

 

Fotos: © AELF Kitzingen und LWG

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