Mainfrankensäle Veitshöchheim: BAP-Sänger Wolfgang Niedecken verewigte sich bei seinem literarisch-musikalischen Special rund um Bob Dylan im Goldenen Buch der Gemeinde Veitshöchheim
Im Goldenen Buch der Gemeinde Veitshöchheim verewigte sich am Samstag vor seinem Auftritt in den Mainfrankensälen Wolfgang Niedecken, Frontmann der von ihm 1976 gegründeten Kölschrockband BAP, eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Rockbands. Von den 23 BAP-Alben erreichten neunzehn die Top 10, zwölf wurden Nummer 1 der Charts.
Mit auf dem Foto rechts der Geschäftsführer des Mainfränkischen Literaturfestivals (Mainlit) Jochen Bähr. Mainlit veranstaltet heuer vom 23. September bis zum 05. November bereits zum vierten Mal das von VR-Bank und Mainpost gesponserte Mainlit Literaturfestival, in diesem Jahr unter anderem mit dem bekannten Autor Ferdinand von Schirach, dem Physiker und Astronom Harald Lesch und eben nun am Samstag erstmals in den Mainfrankensälen Veitshöchheim mit dem Sänger Wolfgang Niedecken. Dieser nahm auf seiner Gitarre spielend die rund 750 Gäste lesend und singend auf seiner "Bob Dylan-Reise" mit.
Interessiert verfolgt der aus Schritt und Tritt von seiner Hündin "Numa" begleitete Rocksänger, wer sich vor ihm schon alles im Goldenen Buch der Fränkischen Fastnachtshochburg verewigt hat, so vor ihm vor kurzen auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius.
Mitgebracht hatte Bürgermeister Jürgen Götz, ein passionierter Saxophon-Spieler, aus seiner Schallplattensammlung "BAP – live - bess demnähx" aus dem Jahr 1983, die Niedecken sehr gerne mit seinem Autogramm versah.
Wie der 72jährige Rockmusiker dem Publikum in den Mainfrankensälen offenbarte, begleiteten ihn Bob Dylans Songs ein Leben lang, spielte er diese schon als Kneipenmusiker am Beginn seiner über 50jährigen Musiker-Karriere und dann ebenso auch mit seiner mittlerweile seit 47 Jahren existierenden Band BAP.
Die Lieder seines großen Idols, so der Sangespoet, hatten ihn einst bewogen, vom Maler zum Musiker zu werden. Er hatte nämlich Freie Malerei und Kunstgeschichte studiert und zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland.
Auf einem Roadtrip von der amerikanischen Ost- an die Westküste machte sich Wolfgang Niedecken 2017 mit einem Fernsehteam auf Spurensuche nach Bob Dylan:. Für die fünfteilige ARTE-Reihe "Bob Dylans Amerika" besuchte er Orte wie New York, Woodstock, Minnesota, New Orleans und Kalifornien, an denen sein "Meister" gelebt hat.
Er sprach mit Fotografen und Journalisten, traf grantelnde Krabbenfischer, besuchte den berühmten Keller der Music Inn in New York, fiel in San Francisco unter die Räuber und erlebte auf der Pilgerfahrt zu seinen Sehnsuchtsorten bewegende Begegnungen und Momente, etwa, als er in New Orleans für ein Fähr-Ticket seinen ersten Rentnerrabatt bekam.
Die Corona-Pandemie hatte für Niedecken den Verzicht auf eine Tour zum Album "Alles fließt" (2020) sowie auf eine groß angelegte Feier zu seinem 70. Geburtstag in der Köln-Arena 2021 zur Folge. Er nutzte die Zeit, über diese Reise das in der Musikbibliothek des Kiepenheuer & Witsch-Verlags veröffentlichte Buch "Wolfgang Niedecken über Bob Dylan" zu schreiben.
Niedecken berichtete weiter, wie es dann zur Tournee "Dylanreise" mit inzwischen schon 80 Gigs kam. Am 11. September 2021 hatte er zum 80. Geburtstag Dylans im großen Konzertsaal der Hamburger Elbphilharmonie einen Abend zu Ehren des Geburtstagskindes gestaltet, in dem er aus seinem Buch las. Da viele seiner eigenen Lieder nie ohne das Werk Bob Dylans entstanden wären, machte Niedecken auch Musik, begleitet von seinem alten Freund, dem WDR-Big-Band-Arrangeur und Pianisten Mike Herting.
Niedecken: "Ich stellte mir dann die Frage, warum ich für nur ein Konzert ein komplettes Programm mit Lesung, Erzählung und Live-Musik zusammenstellen sollte. Also ging ich zusammen mit meinem alten Bandkollegen Mike Herting am Flügel auf Dylanreise."
In Veitshöchheim musste der Musiker allerdings ohne seinen Pianisten Mike Herting auskommen, da dessen Frau zwei Tage zuvor verstorben war. Der Deutsch-Rocker spricht mit seiner im Alter etwas brüchig gewordenen Sprachstimme gut die Hälfte seiner knapp drei Stunden auf der Bühne, rezitiert aus seinem Buch anekdotisch sein eigenes Leben und dessen Berührungspunkte mit Dylan. Mal amüsant, mal nachdenklich, zog er das Publikum in seinen Bann, Bob Dylan als einen Menschen schildernd, der zeitlebens auf der Suche nach dem Sinn des Da-Seins ist, der sich seit Jahrzehnten auf seiner "Never-Ending-Tour" befinde.
Niedecken sang mit seinem rauchigen Timbre Dylan-Songs teils in Englisch, teils in Kölsch, wechselte öfters im Song die Sprache, wurde beispielsweise „Like A Rolling Stone“ zu „Wie ne Stein“. Für fränkische Ohren war das Englische mitunter leichter zu erschließen als der Kölner Dialekt. Etwa ein Dutzend Dylan-Lieder, teils Hits, teils weniger geläufige Werke, hat er so wirkungsvoll neu arrangiert. Ganz toll ankamen dabei Stücke wie „With God On Our Side“ oder „My pack Pages“ ("Vill passiert sickher"), besonders schön die wehmütige Version von „Forever Young“ ("Für immer jung"), einfach bewegend „One More Cup of Coffee“, besonders mitreißend „Mighty Quinn“ ("Quinn, dä Eskimo").
Niedecken nannte seine Dylanreise eine "Pilgerfahrt zu den Sehnsuchtsorten seiner Jugend", angefangen vom Urknall, den er mit 15 Jahren in seiner Schülerband mit "Like A Rolling Stone" erlebte. "Das war so unfassbar anders als alles, was ich bis dahin kannte," erzählte er in den Mainfrankensälen. Noch an demselben Tag habe er entschieden, den freien Posten des Sängers in der Band zu übernehmen.
So ist seine durch starke autobiografische, persönliche Züge geprägte Lesung zugleich auch eine Reise zu sich selbst. Der Dylan-Kenner beeindruckte mit vielen Anekdoten, so auch zum „Knockin’ on Heaven’s Door" - die Zugabe an diesem Abend -, als im Mai 1998 BAP zusammen mit Bob Dylan und der „bekannten Coverband Genesis“ bei Rock am Ring und Rock im Park spielte. Folkig klang sein Geburtstagsständchen „Leev Frau Herrmanns“, das er als Zivi für eine 93jährige Dame komponierte, die er im Seniorenheim kennengelernt hatte. Es war sein erstes Lied auf Kölsch.
Niedecken ist bekannt für sein soziales und politisches Engagement, für das er 2013 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet wurde.
Fotos Dieter Gürz
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Wie auf Wikipedia zu lesen ist, hat Niedecken in seiner 1990 erschienenen Autobiografie auch über eigene Erlebnisse und Misshandlungen im Internat berichtet. Er wiederholte diese Erzählungen in der Talkshow Maischberger in der ARD im September 2018 und sagte konkret, dass er von einem katholischen Pater nicht nur geprügelt, sondern auch sexuell missbraucht worden sei. Niedecken ist aus der römisch-katholischen Amtskirche ausgetreten. Im Interview bezeichnete er sich als einen „Agnostiker mit Gottvertrauen“. Solange die katholische Kirche ihr System nicht von Grund auf ändere, inklusive Zölibat, würden ihr „die Menschen in Scharen weglaufen“. Und der „Alt-Männer-Verein“ im Vatikan wähne sich immer noch in Zeiten des Absolutismus. Niedecken sieht sich „in der Tradition der meisten Kölner, die, wenn vom Herrgott die Rede ist, ein bisschen strammer stehen“.
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