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Harmonie von Käse und Wein - eine hochinteressante, außergewöhnliche Weinprobe mit Professor Klaus Wahl im Fürstbischöflichen Zehntkeller Veitshöchheim

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

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Zu einer außergewöhnlichen Weinprobe mit dem pensionierten Leiter der Abteilung Weinbau und Viezpräsident der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau, Veitshöchheim hatten Burkard Löffler und Bernd Wiek vom Verschönerungsverein 42  illustre Gäste in den historischen fürstbischöflichen Zehntkeller der LWG in der Herrnstraße eingeladen, darunter auch eine zehnköpfige Weinbruderschaft aus Osnabrück.

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Beide hatten im letzten Jahr einen runden Geburtstag gefeiert und wollten ihrem Freundeskreis einmal etwas Besonderes gönnen.

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Allein schon das anheimelnde Ambiente des historischen Kellers mit Kerzenlicht an den alten Holzfässern sorgte für eine festliche Stimmung.

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Ein Weinexperte par excellence

"Professor Wahl ist der beste Spezialist, was den Wein anbelangt, den wir in Franken haben und auch wie er den Wein nahebringt, ist einmalig." Diesen von Löffler in seiner Begrüßung verteilten Vorschusslorbeeren wurde denn auch der Professor vollauf gerecht.

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Das in der Einladung angepriesene Kalte Buffet entpuppte sich als Teller mit sechs kleinen Scheiben geschmacklich höchst unterschiedlicher, sternförmig platzierter Käsesorten. Viele dachten schon, dies sei die Vorspeise. Doch der Professor bat mit den Worten "Nichts bewegt sich ohne meine Erlaubnis auf dem Teller" um Geduld und Disziplin beim Verzehr.  Mit den Worten "Ich muß Sie enttäuschen, es wird weniger Vergnügen, sondern mehr Arbeit sein" warnte er sogar davor, ein vergnügliches Ereignis zu erwarten. Gleichwohl gab er Rainer Maria Rilkes Gedicht  "Aus dunklem Wein und tausend Rosen rinnt die Stunde rauschend in den Traum der Nacht"  als Motto des Abends aus. 

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Der Weinexperte kredenzte in sechs Gängen zehn großartige Wein-Sorten aus Franken, aber auch aus Südbaden, Südtirol und Chile, mit höchst unterschiedlichen Ausprägungen. Bei jedem Gang hatten die Weinliebhaber abzuwägen und zu beurteilen, ob und wie die gereichten Wein- und Käsesorten mit einander harmonieren. Wahl´s These: Ein Käse sollte vom Wein nicht unterdrückt oder verfremdet werden. Ein jeder war so gefordert, konzertriert mit seinen Sinnen umzugehen und zum Einsatz zu bringen, um sich den Wein bewusst zu machen und die Kombination von Käse und Wein auf der Zunge zu erleben.

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Sensorisches Wein-Weisheiten

Dazu galt es, den jeweiligen Käse im Mund aufzuarbeiten, Wein drüber laufen zu lassen und dann eine individuelle Beurteilung abzugeben, welcher Wein als Essensbegleiter eine harmonischere Wirkung erzielt. Unterschiede seien da, weil ein jeder anders schmecke und rieche und es deshalb nie ein absolutes Urteil gebe.

Der Professor hatte sich zum Ziel gesetzt, dass seine Gäste eine höhere Stufe der sensorischen Wein-Weisheiten erreichen.  Vor allem wünschte er sich eine neue Offenheit, wenn es um Wein und Essen geht. So sei ein Bacchus eine phantastische Ergänzung für ein süß-saures ostasiatisches Gericht, auch wenn man ansonsten eine Abneigung gegen diesen Wein habe.

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Wahl brachte so seinen Gästen auch das Einmal-Eins des Weingenießens nahe, referierte beispielsweise über die Bedeutung des Säuregehaltes und vor allem das geruchliche  Wahrnehmen der Duftnote. Hier gelte es, zunächst die flüchtigen Verbindungen durch Vorbeiführen des Weines vor die Nase wahr zu nehmen, in der Fachsprache olfaktorische Wahrnehmung genannt. In der zweiten Phase folgt nach Schwingen des Glases und starker Verwirbelung des Weines  das intensive Schnüffeln der Duftnoten in der vomeronasalen Zone der Nase unter deutlicher Beteiligung des Zwerchfells. Schließlich gelangen beim längeren Schlürfen und Bewegen des Weines im Mund weitere Duftaromen über den Gaumen in den Riechkanal, auch retronasale Wahrnehmung bezeichnet.  Im Bekanntenkreis, so der Weinfachmann, könne nun ein jeder mit folgender Beurteilung und Fachkenntnissen verblüffen: "Olfaktorisch gibt der Wein ganz schön was her, vomeronasal steigert er sich enorm, aber retronasal ist er der Wahnsinn."

Gesundheitlicher Nutzen

Der Professor philosophierte zwischendurch auch immer wieder mit einem Augenzwinkern für die Gäste aus dem Teutoburger Wald über die hervorragende gesundheitliche Bedeutung des Franken-Weins.

Wahl: "Wir haben über Jahrhunderte hinweg festgestellt, dass ein moderater, regelmäßiger Frankenwein-Genuss eine Frau jünger aussehen lässt,  bei ihr besser die Haut durchblutet, den Teint verschönert, leuchtende Augen und einen lachenden Mund verschafft, die Klarheit der Gedanken verschärft und die Sinne sensibilisiert."

Im Hinblick auf Verträglichkeit sei der Frankenwein eine gesundheitliche Größe, die man nicht vernachlässigen sollte.

Ein Ah und Oh konnte man in der Runde vernehmen, als der Experte folgende Erkenntnisse preisgab:

Er verringere bei moderatem Umgang (das sind laut Wahl eine tägliche Quote von anderthalb Schoppen regelmäßig) das Herz-Kreislauf-Risiko. Eine englische Studie habe bei Damen bei Genuss die ganze Woche wie auch  nur am Wochenende eine Verringerung des Risikos von 30 %, bei Männern nur am Wochende von 20 %, bei konsequentem Genuss die ganze Woche  dagegen von über 40 % ermittelt.

Auch sehr ernst zu nehmende Veröffentlichungen würden auch Krankheiten im Alter wie Alzheimer, Parkinson und Altersdemenz durch eine moderate Vorbeugung mit fränkischem Wein vermindert werden können. 

Weiter zitierte der Professor einen Lungenexperten, der herausfand, dass einem Glas Wein die Wirkung wie ein einstündiger Waldspaziergang zukomme.

In medizinischen Kreisen noch nicht so bekannt seien daneben die positiven Beziehungen von Wein und Augenkrankheiten wie Grauer und Grüner Star. Bei stark erhöhtem Augendruck bekämen nach einem Notfallplan der Augenklinik Patienten einen Weinbrand-Drink, eine nach Gewicht definierte Menge, weil er den Augendruck in kürzester Zeit um 20 Prozent reduziere.

Wahl: "Wer auf diese Erkenntnisse nicht reagiert, ist ein schleichender Selbstmörder!" (Beifall)

Dass der Wein in geselliger Runde eine lockere Atmosphäre schafft und die Mitteilungsbereitschaft beflügelt, konnten alle  an diesem Abend spätestens nach dem dritten Durchgang erleben.

 

Genuss exquisiter Käse- und Weinspezialitäten

  1. Zum Auftakt servierte Wahl gleich mit einem  Heublumen-Bergkäse und einem 2011er "Weißen Burgunder, Kabinett trocken" aus Thüngersheim ein gelungenes Beispiel für eine harmonische Verbindung von Speis und Trank. Es war dies ein reifer Wein mit einem angenehm dezenten Bukett, mit schöner, nicht überbetonter Säure, im Abgang mit fein herber Art, auf der Zunge mineralisch, nicht zu körperbetont. Der nicht zu lange gereifte Käse war mit seiner nicht zu starken Würze auf der Zunge friedlich und konnte seine Eigenart durchspielen. Der Wein ergänzte ihn und führte zu einem stimmigen Bild, machte den Käse fülliger und fügte ihm eine feine Aromawürznote hinzu.
  2. Es folgte als Käse ein Brie de Meaux, ein Weiß-Schimmel-Käse aus Rohmilch nördlich von Paris. Es ist einer der laut Wahl erstklassigsten Käse, die die Welt zu bieten hat, der mit seiner feinpilzigen Stärke unverwechslbar auf der Zunge zerschmilzt.
    Er berührte zunächst einen 2011er "Frank + Frei"-Müller-Thurgau trocken mit sechs Gramm Restsüße aus Eschendorf. Ihn charakterisierte der Professor als eine ausgesprochen raffinierte Duftkombination von Früchten und Blüten, ein Hauch von Apfel, Ananas und Zitrus, also einem vielfältigen Bukett, einer sehr schönen, appetittlichen Säure, der filigran über die Zunge springt und sich leicht verabschiedet. Er ist in den Augen von Wahl ein ungemein attraktiver Müller-Thürgau.
    Diese lebendige Art stand neben einem  2011er Rosenrot Cuvee aus Auernhofen mit klassischem zartem Erdbeerduft, den der Genuss der auf dem Teller liegenden Erdbeere noch verstärkte. Der trockene Rosé brachte mit seinen roten Trauben auf der Zunge eine anderen Säure mit, der im Abgang mit einem Hauch von feinherb etwas länger anhielt.
    Hier erzielte der Müller-Thurgau aufgrund seiner sanfteren und fruchtigeren Begleitung bei der Abstimmung leichte Vorteile. Dieses Ergebnis war für Wahl zugleich aber auch die Bestätigung, dass beide Weine ihre Berechtigung haben und sich in ihrer Wirkung durchaus unterscheiden. Für ihn brachte der Rosé die Feinbitternote des Käses länger zur Geltung, was er aber als ausgesprochen appetittlich heraus stellte.  
  3. Die nächste Runde hatte einen ganz besonderen Reiz, was die Weine angeht. So offenbarte der 2011er Sauvigon blanc trocken aus dem Hause Burrlein in Mainstockheim eine unverwechselbare, ausgesprochen charaktervolle, klassische Sortenart mit einer vegetativen Note mit Grünpflanzen, Kräutern, herbe Grapefruit und Paprika in der Nase.  Auf der Zunge wirkte er elegant mit schöner, reiner Säure, als echter Kabinett nicht zu schwer.
    Aus dem Winzerkeller Sommerach stand ihm zur Seite ein ausgesprochen gängiger  2011er Sommeracher Katzenkopf Rosé trocken, der rote Früchte enthält und etwas höher in der Restsüße ist. 
    Sie widmeten sich dem Genuß eines Picandou, einem edlen Ziegen-Rohmilchkäse mit einer wundervoll lebendigen Frische und zarten Aromen. Beide Weine schnitten in der Gästegunst als gleichwertig geeignete Partner ab.
  4. In vierten Durchgang servierte Wahls Team zwei gandiose und kostbare Tropfen, die nach seinen Worten schon allein das Kommen rechtfertigten. Es war dies ein 2005er Grauer Burgunder Spätlese trocken des Volkacher Weingutes Graf von Schönborn. Es war dies ein wuchtiger Typ mit goldig-intensiver Farbe, der nicht zu lange im Barrique-Fass war und keinerlei Zeichen von Alterung aufwies. Er roch schon ungewöhnlich und vielfältig. So wie sich seine Tropfen lange im Glas hielten, passierte auch im Mund Grandioses: Mit faszinierender Glattheit floss die Spätlese mit deutlich über 100 ° Öchsle elegant um alle Ecken und Kanten der Zunge und im Mund.
    Als extreme Schönheit bezeichnete der Professor den charaktervollen 2011er Rosenmuskateller DOC der Südtiroler Weinkellerei Kurtatsch, eine mit ihrem klaren Wildrosen-Bukett bei uns nicht anzutreffende Rarität
    Dazu gesellte sich mit dem sich bewegenden, sehr würzigen Epoisses aus dem Burgund ein (laut Wahl) Käse der dritten Dimension.
    Wahl: "Hier treffen Ideologien zweier Weine mit aparter, aber völlig unterschiedlicher Wirkung auf einen Käse. Der Rosenmuskateller setzte mit seiner Grund-Süße einen deutlichen Akzent, der den Käse ausgesprochen interessant verlängerte, aber ihn möglicherweise etwas verwirrte. Trotz seiner Schwere habe sich dagegen der Grauburgunder sehr wohl mit dem Epoisses vertragen. Beide seien aber geleichermaßen unbestritten phantastische Ergänzungen dazu.
  5. Beim fünften Durchgang galt es, über den fränkischenTellerrand hinausblickend, das magenfreundliche Zusammentreffen zweier Rotweine mit einem trockenen, dezenten Pecorino Sardo-Schafs-Käse aus Sardinien zu beurteilen.  Aus dem Kaiserstuhl in Südbaden kam der liebenswerte, schlanke 2009er Oberrotweiler Spätburgunder Kabinett trocken mit einem schönen Kirscharoma, schön fruchtig und im Abgang dezent im Gerbstoff. Dazu gesellte sich als Gegenpart ein 2010er "Altue" Reserva Cabernet Sauvigon Valle Central aus Chile, im Duft in Richtung Paprika gehend, Hauch von Süße, kellerwirtschaftlich perfekt bereitet. 
    Dazu
    eine Wahl'sche Weisheit: 80 Prozent der Käsesorten lieben Weißwein, nur wenige kommen wie der Pecorino Sardo mit Rotwein zurecht.
  6. Den krönenden Abschluss bildeten eine Roquefort-Schafsmilch-Variante  und ein 2009er Cuvee blanc Auslese Barrique aus Nordheim, ein Experiment des Winzers Manfred Braun, einer der erfolgreichsten LWG-Schüler,  den Wahl mit Freude anbot und wie folgt würdigte: "Der Cuvee blanc spielt auf der Zunge den Auslesetyp mit einem ausgesprochen kernigen Wirkungs-Grad wieder. Seine feine Säure hält die Süße in Grenzen, geprägt von einer konzentrierten Art von reifen Rosinen, zarten Anklängen des Holzes, damit würzig, einfach ein Wein, der äußerst ungewöhnlich ist."
    Dazu gesellte sich der Roquefort, als einer der markantesten Käsearten aus dem französischen Zentralmassiv, mit Blauschimmel und salzig, der am Gaumen schon arbeite und viele Menschen schockiere. Diese Kombination im Test brachte die Erkenntnis, dass der Roquefort trotz der Mächtigkeit des Weines das Zepter in der Hand behält und Einfluss nimmt.
  7. Als Dreingabe gab es am Schluss noch ein Dessert: Zu Resten vorgenannter Weine konnte man einen  von Wahls Frau Hausgemachten Pfefferminz-Apfel-Kuchen  genießen.

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Wahl lobte denn alle Gäste, sich vorbildlich in die Struktur des Abends eingefügt zu haben.

Nicht zuletzt durch den ständigen Genuss frischer Baguette- und Brotscheiben waren am Ende der fast dreistündigen Zeremonie auch alle vollauf gesättigt und gingen durch die sensorischen Erfahrungen in ansprechender Atmosphäre und Wahls Früchtelobgesang in bester Laune nach Hause.

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