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Bistumshistoriker zur Struchholz-Chronik: Es ist schade, dass an diesem großartigen Werk ein so kleinlicher Parteienhader sich entzündet hat.

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Die Gemüter erhitzt derzeit in Veitshöchheim die Debatte um die neue Ortschronik von Thomas Strucholz (siehe dazu die Beiträge auf Veitshöchheim News unter der Kategorie  "Brauchtum/Heimatpflege".

Dazu ging soeben bei mir eine E-Mail-Zuschrift des Bistumshistorikers und langjährigen Leiters des Diözesanarchivs Erik Soder von Gueldenstubbe ein.

soder.jpgZitat: "Es ist schade, dass an diesem großartigen Werk ein so kleinlicher Parteienhader sich entzündet hat. Der Streit wirft wahrlich kein gutes Licht auf den Gemeinderat. Hoffen wir, dass die Stimme der Vernunft doch noch zu einer gerechteren Lösung verhilft."

Zur Versachlung übersandte er gleichzeitig seinen Kurzvortrag zur Buchpräsentation, der nachstehend in voller Länge abgedruckt ist:

Worte zur Buchvorstellung Ortschronik von Veitshöchheim,

Verfasser: Thomas Struchholz

vorgestellt am 25. Juli 2012 in den Mainfrankensälen von Veitshöchheim

 

Liebe Veitshöchheimerinnen und Veitshöchheimer,

geschätzte Geschichtsfreunde,

verehrte Zuhörerschaft!

 

Veitshöchheim ist einmalig. Nicht jede Stadt, schon gar nicht jede Gemeinde verfügt über so viele Glanzpunkte, vorbildliche Einrichtungen, über ein so reiches kulturelles

Leben, eine so aktive Einwohnerschaft.

Von den wichtigsten Besonderheiten, die ihnen natürlich alle bestens bekannt sind, seien nur beispielhaft die Kirchengebäude, das Schloß, der singuläre Hofgarten, die ehemalige Synagoge, mit der einzigartigen Genisa, vorbildlich zum Museum und Treffpunkt jüdischer Kultur und Religion ausgebaut, die „Landesanstalt“ mit ihren vielen Studierenden, mit ihrer weit berühmten Pflanzenzucht und den botanischen Forschungsmöglichkeiten, das Gymnasium und die sonstigen Schulen, namentlich auch der St. Markushof in Gadheim, die wichtigen sozialen Einrichtungen, wie das St. Hedwigsheim, die Mainfrankensäle, die Garnison und vieles andere mehr.

Gewiss ist das Erscheinungsbild von Veitshöchheim zwischen Bergen und Fluss als solches schon sehr eindrucksvoll, vom Altort bis zu den jüngeren Siedlungen und dem jahrhundertealten, inzwischen eingemeindeten Filialort Gadheim.

Aber Vieles möchte man auch genauer wissen, möchte hinein blicken in die reiche und abwechslungsreiche Geschichte des Ortes und seiner näheren Umgebung, man will natürlich auch Manches erfahren von dem, was das Ortsgeschehen heute prägt, von von der althergebrachten Landwirtschaft bis zur technischen und wirtschaftlichen Entwicklung unserer Tage vom Gemeinderat und den kommunalpolitischen Aktivitäten zum regen Vereinsleben, von den Kulturdenkmälern zur hervorragenden Gastronomie, bis hin zum Dialekt, zu Brauchtum und zu den weithin bekannt gewordenen Festivitäten im Laufe des Jahres, vor allem in der sogenannten fünften Jahreszeit.

Solche berechtigten Wünsche erfüllt das umfangreiche Werk, das heute Abend der Verfasser, Herr Thomas Struchholz, mit Freude und Erleichterung, aber gewiss auch mit einem gewissen, berechtigten Stolz seiner Heimatgemeinde vorstellen kann.

 

Es ist höchst erstaunlich. Was hier ein Einzelner geschafft hat, wo anderwärts eine Schar von Experten jahrelang Material zusammenträgt und sich manchmal mühsam zusammenrauft, bis eine einigermaßen vergleichbare Orts- oder Stadtgeschichte zustande kommt.

 

Ich habe als ehemaliger Diözesan-Archivar und jetziger Bistumshistoriker – ebenso wie die anwesenden Archivkollegen - ungezählte solcher Arbeiten begleitet und unterstützt, an einer ganzen Reihe auch selbst mitgearbeitet, - wie jüngst an der Stadtchronik von Gerolzhofen, früher schon an der mehrbändigen Stadtgeschichte von Würzburg (herausgegeben von Dr. Ulrich Wagner) oder der von Heidingsfeld (herausgegeben von Dr. Rainer Leng) insgesamt oder auch redigiert, wie die Chronik von Retzbach, einer Ihrer schönen Nachbargemeinden, wie ich beispielsweise auch für Thüngersheim geforscht habe.

 

Verehrte Damen und Herren,

vielleicht fragen Sie jetzt, was mich mit Veitshöchheim und seiner Geschichte verbindet? Es ist Einiges:

Als ich 1977 das damalige „Bischöfliche Ordinariatsarchiv Würzburg“ übernahm, fand ich bereits das dort deponierte Pfarrarchiv von Veitshöchheim und die Kirchenbücher oder Matrikeln dieser alten und bedeutenden Pfarrei vor. Pfarrer Ludwig Schneider ließ sie seiner Zeit während einer Umbauphase des Pfarrhauses sicherheitshalber nach Würzburg verbringen, wo diese umfangreichen und wertvollen Dokumente heute noch als Dauerleihgabe der Pfarrkirchenstiftung liegen. Mein Amtsvorgänger Hans Peter Aug hat den Archivbestand geordnet und dankenswerterweise auch ein recht brauchbares Bestandsverzeichnis geschaffen. So lernte ich Ihre bewährte Chronistin, Frau Vera Struchholz kennen, die oft unsere, allmählich dann zum Diözesan-Archiv erweiterte Dienststelle besuchte, um in den einschlägigen Archivalien über ihren Heimatort zu forschen. Oft brachte sie auch ihren Sohn Thomas mit, dessen ortsgeschichtliches Interesse im Laufe der Zeit wuchs, der damals schon wichtige Dokumente fotografierte oder Kopien davon anfertigen ließ.

 

Als 1989 der erste Band der „Unterfränkischen Geschichte“ erschien, behandelt ich darin die Christianisierung Mainfrankens und streifte dabei auch Ihre Ortspatronin St. Bilhildis, die ich in meinen Abhandlungen und Vorträgen zur Geschichte von Frauen in Franken ebenfalls mehrfach würdigte.

Bis zum Jahre 1985, als wir unsere Matrikelabteilung eröffnen konnten, habe ich selbst viele familiengeschichtliche Anfragen nach Veitshöchheiner Vorfahren beantwortet.

Zum 800jährigen Jubiläum der urkundlichen Ersterwähnung hat Pfarrer Herbert Neeser mich 1997 um einen Vortrag im Pfarrheim gebeten über die Pfarr- und Ortsgeschichte.

2004 durfte ich im Jüdischen Kulturzentrum auf Einladung der Simon-Höchheimer-Gesellschaft einen Vortrag über Tilman Riemenschneider halten, vermittelt durch Frau Radegundis Villinger-Schmeller.

Auf Bitte des Kunstschätze-Verlages Zwicker-Berberich in Gerchsheim stellte ich dem Pfarrer Neeser für seinen Kirchenführer ein Manuskript zu den Sakralräumen in Veitshöchheim und Gadheim zur Verfügung.

Ebenfalls ungedruckt ist die Geschichte der Salesianer Don Boscos in Würzburg mit ihrem Caritas-Don-Bosco-Berufsbildungswerk, das neben seinem Hauptstandplatz auch den St. Markushof in Gadheim als wichtigen Bestandteil aufgebaut hat.

 

So war es verständlich, dass ich Herrn Struchholz gerne zusagte, als er mich bat, seine im Entstehen begriffene Ortschronik von Veitshöchheim fachlich zu begleiten, ebenso wie es unabhängig davon mein Historikerkollege, Herr Oberstudiendirektor Dieter Brückner tat. Es war eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit und ich freue mich mit Ihnen, dass das umfangreiche Werk heute Abend der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann.

 

Freilich kennen Sie alle die Erfahrung, die der Volksmund so treffend ausspricht: „Wer sein Haus an die Straße baut, hat viele Bauherren.“

Mag ein Werk, das mit soviel Einsatz, Umsicht und nicht zuletzt mit sehr viel Heimatliebe in arbeitsreichen Jahren entstanden ist, noch so abgerundet und gelungen erscheinen, es wird, wie alles menschliche Tun nicht alle Menschen gleichermaßen befriedigen. Dem Einen ist es zu umfangreich und zu schwer, dem Anderen fehlen irgendwelche wichtigen, unverzichtbar scheinende Themen oder sie finden das eine oder andere Thema zu wenig sachgerecht abgehandelt. Dem Einen sind es zu viele Bilder, dem Anderen wird es vielleicht zu viel Text sein. Man hätte das Buch auch anders gliedern können. Herr Struchholz hat weitgehend nach dem zeitlichen Ablauf der Geschichte gegliedert, nicht wie es auch vorstellbar gewesen wäre nach Sachgebieten, oder das Ganze auf mehrere Bände aufteilen. Es gibt – wie immer - viele Vorschläge und Möglichkeiten. Aus den „Möglichkeiten“ aber ein handfeste Realität werden zu lassen, das bringen nicht Alle zustande.

Ich sage es etwas scherzhaft: „Allen Menschen recht getan...“ kann nicht einmal der Herrgott.

Daher empfehle ich Ihnen als Freund Ihrer so schönen und vielgestaltigen Gemeinde:

nehmen Sie das Werk von Herrn Struchholz positiv an, so wie es nun einmal geworden ist. Es gibt kein besseres, wenigstens nicht zur Zeit.

Wer sich berufen fühlt, weiter zu forschen, wer neue Themen aufgreifen will, wer die Kenntnisse über Geschichte und Gegenwart von Veitshöchheim und dem eingemeindeten Gadheim wissenschaftlich vertiefen und erweitern will, das steht in einem freien Land jedermann und jederfrau frei.

 

Weil ich über drei Jahrzehnte Mitarbeiter einer großen Behörde bin und mit der Schriftgutverwaltung einigermaßen vertraut, kann Ihnen aus Erfahrung sagen, dass Behörden nichts lieber produzieren als beschriebenes und bedrucktes Papier. Ich verrate ihnen daher kein Geheimnis, wenn ich Ihnen freundlich mitteile, dass in Registraturen und Archiven noch so mancher unentdeckter und unerforschter Regalmeter ruht. Wir werden in der Forschung nie an ein Ende kommen und die Urteile über unserer Vergangenheit und unsere Gegenwart werden so unterschiedlich ausfallen, wie es Menschen gibt, die sich darüber Gedanken machen.

 

Aber das Opus immense, das umfangreiche Werk von Thomas Struchholz ist nun vollendet und wunderschön in Buchdeckeln eingefasst. Es wartet auf Lesende und Kaufende. Sie werden auf jeden Fall gewinnen: Einheimische und Ausgewanderte werden sich wiederfinden in ihrer Liebe zur Heimat, werden sich an fast Vergessenes erinnern, manch neue Erkenntnis gewinnen und können über den Tellerrand blicken, grössere Zusammenhänge wahrnehmen, Entwicklungen leichter verstehen. Gäste können Veitshöchheim, seine reiche Kultur und Kunst besser und intensiver kennen lernen oder ihre Urlaubserlebnisse sich zu Hause erneut in Erinnerung rufen.

 

Jemandem, der das zu bewirken versteht, gebühren unsere Anerkennung und unser Dank.

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