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Faust und Musik - In der Veitshöchheimer Bücherei im Bahnhof ging eine ungewöhnliche Darbietung über die Bühne

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Am Mittwochabend kamen die nur wenigen Zuhörer in der intimen Atmosphäre des Lesecafés der Bücherei im Bahnhof eine Stunde lang in den Genuss einer ungewöhnlichen Darbietung der 1808 von Johann Wolfgang von Goethe veröffentlichten Tragödie "Faust I", die als das bedeutendste und meistzitierte Werk der deutschen Literatur gilt.

Unter dem Titel "Faust - Musik und Rezitation" stellten Musikerduo Rainer Schwander (Sopransaxophon) und Bernhard von der Goltz (sechs- und zehnsaitge Gitarre) gemeinsam mit dem Schauspieler Martin Menner unter Beweis, dass Musik und Texte aus „Faust I“ sehr gut zusammenpassen.

Das Projekt „Faust - Musik & Rezitation“ wurde erstmalig vom 16. bis 18. März 2018 in Würzburg beim  von Martin Männer organisierten Faust-Fest im Theater am Neunerplatz Würzburg präsentiert. Bernhard von der Goltz hatte damals zu Faust I passend einige Musikstücke komponiert, so auch "Mephisto", das er erstmals beim Sommerkonzert 2017 im Veitshöchheimer Synagogenhof, damals noch als Trio zusammen mit Rainer Schwander und Helmut Kandert darbot.

Beim Faustfest kam die Garnierung seiner Musikstücke mit Textzitaten aus Faust I durch Männer beim Publikum so gut an und die Akteure hatten so viel Spaß dabei, dass sie beschlossen, diesen Auftritt für ein längeres Programm auszubauen, das sie nun im Lesecafé der Bücherei präsentierten.

Die Protagonisten von Goethes Bühnenklassiker weisen beinahe alle Gegensätzlichkeiten des menschlichen Gemüts in einem dynamischen Miteinander auf. Die beiden Veitshöchheimer Musiker, die als "Schwander-Goltz-Duo"schon seit 42 Jahren zusammen  auftreten, machten die emotionale Welt aus „Faust I“ mit den Mitteln und instrumentalen Möglichkeiten eines Duos erlebbar.

Jedes Musikstück wurde textlich durch den Schauspieler Martin Menner begleitet, der charakterisierende Passagen aus „Faust I“ vortrug. Und weil die Handlung von Goethes Text nicht chronologisch erzählt wurde, verwoben sich so Musik und Rezitation. So wurden für das Publikum auf musikalische Weise die vielfältigen Gefühlswelten der Hauptfiguren von Goethes Bühnenklassiker erlebbar, so die des tief deprimierten und lebensmüde gewordenen Forschers und Lehrers Heinrich Faust, der dem Teufel Mephisto seine Seele verspricht, wenn es diesem gelingen sollte, ihn von seiner Unzufriedenheit zu befreien und für stetige Abwechslung zu sorgen. Zurück in einen jungen Mann verwandelt, schwängert Faust die  junge Margarete, führt den Tod von Gretchens Mutter und Bruder herbei, bis diese ihr uneheliches Kind aus Verzweiflung tötet und halb wahnsinnig geworden nach Verhaftung der Hinrichtung entgegensieht, Mephisto sie ihrem Schicksal und der Gnade Gottes überlassen muss.

Zu den Stücken, die Bernhard von der Goltz komponiert hat, ist nicht eine einzige Textstelle charakteristisch, wenn es um Szenen und Stimmungen sowie um Personen geht. Männer hat hier vielmehr verschiedene, vor allem Personen betreffende Textstellen vereinigt. So ist in einer Passage über den schlauen, listigen, emotionslosen und wortgewandten Mephisto seine Selbsteinschätzung zu hören ("Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft"), wie schrecklich Margarete ihn findet und was schließlich Faust von ihm hält: "Es muss auch solche Käuze geben, des Chaos wunderlicher Sohn."

Mit gekonnter schauspielerischer Mimik, Gestik und stimmlich ausdruckstark rezitierte Männer in raschen Schritten, eben noch den Faust, dann schon Mephisto, dann wieder Gretchen und wieder umgekehrt.

"Da steh ich nun ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor", so gibt Faust von sich, nachdem er Philosophie, Juristerei und Theologie studiert hat, sich Magister und Doktor nennen darf und sich nun der Magie ergibt. Wenn auch Goethes Sprache nach über 200 Jahren so manchem von uns fremd erscheint, so kann man mit seinen auch in Faust I enthaltenen Sprüchen zur passenden Zeit punkten.

Margarete wiederum sagt zu sich, als Faust ihr den Hof macht: "Bin doch ein arm und unwissend Kind, weiß nicht, was er an mir find."

Die beiden Musiker ziehen zwischen den Textpassagen die Zuhörer mit exzellentem, leidenschaftlichem und höchst melodiösem Instrumentalspiel in ihren Bann. Immer wieder wechselt Bernhard von der Goltz seine Gitarren, so auch den satten Klang seiner zehnsaitigen Gitarre voll auskostend.

Meist dominiert Rainer Schwander schon allein aufgrund der Lautstärke seines  klarinettengleich klingenden Sopransaxophons, während Bernhard von der Goltz mit seiner Gitarre für sanftere Töne sorgt, aber auch immer wieder Solokostproben seines virtuosen, exzellenten Gitarrenspiels einstreut. Ihre melodiöse Musik lädt immer wieder zum Träumen und Entspannen ein.

Bedrohlich und ohrenbetäubend wird es dagegen, als Rainer Schwander die Klangschale zum Klingen bringt, während Faust den Erdgeist beschwört, von diesem aber zurückgewiesen wird.

 

Gegen Ende zu wird es volkstümlich, als Rainer Schwander zum Akkordeon greift, während Faust in der wieder erwachen Natur unter dem einfachen Volk weilt und versöhnlich von sich gibt: "Hier ist des Volkes wahrer Himmel, zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!"

Die Zuhörer konnten dieses berühmte Zitat Goethes auch auf diese wunderbare Stunde beziehen, die ihnen das Trio bereitet hatte, das sich nach nicht enden wollendem Beifall mit einer nicht eingeplanten Zugabe verabschiedete.

Fotos (c) Dieter Gürz

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