Veitshöchheimer Gemeinderat vertagte nach kontroverser Diskussion Entscheidung über die Neufestsetzung der Friedhofsgebühren
Veitshöchheimer Gemeinderat vertagt nach kontroverser Diskussion die Entscheidung über die Neufestsetzung der Friedhofsgebühren.
https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/debatte-ueber-gebuehren-art-11669177
Link auf Mainpost-Online vom 8.12.2024
Kontrovers diskutiert wurde in der Gemeinderatssitzung am Dienstag der Tagesordnungspunkt "Neukalkulation der Friedhofsgebühren". Einig war man sich, dass dies ein sensibles und heikles Thema ist. Die Meinungen über die Gebührenhöhe gingen aber weit auseinander, so dass die Entscheidung vertagt und die Verwaltung beauftragt wurde, zusätzliche Berechnungen nicht nur wie erfolgt nach unterschiedlichen Kostendeckungsgraden, sondern auch für unterschiedliche pauschale Prozenterhöhungen für die beiden Friedhöfe der Gemeinde zu berechnen.
Ausgangslage
Die Gemeinde Veitshöchheim betrieb bislang den Friedhof an der Martinskapelle und den Waldfriedhof jeweils mit Leichenhäusern als zwei getrennte öffentliche Einrichtungen. Zuletzt kalkulierte die Gemeinde 2017 die Gebühren für die beiden Friedhöfe neu und setzte die so ermittelten Gebühren mit Neuerlass der Friedhofsgebührensatzung vom 6.12.2017 ab dem 1.1.2018 wie folgt fest:
So unterscheiden sich derzeit die Gebühren für Einzel-(42:65 Euro), Doppel- (65:100 Euro) und Kindergräber (13:25 Euro) bei den beiden Friedhöfen erheblich. Lediglich bei der Urnennische sind sie mit 60 Euro deckungsgleich.
Die bisherigen Gebühren decken die tatsächlichen Aufwendungen für den Friedhofsbetrieb aber lediglich zu 21% bis 32% ab. So bemängelte der Bayerische Kommunale Prüfungsverband in seinen Berichten über die überörtliche Rechnungsprüfung als auch das Landratsamt Würzburg in seiner Haushaltsgenehmigung für das Jahr 2024, dass durch Friedhofsgebührensatzung die gemeindlichen Friedhöfe nicht kostendeckend betrieben werden.
Es wurde der Gemeinde Veitshöchheim empfohlen, einen angemessenen Kostendeckungsgrad anzustreben. Die Verwaltung hatte deshalb für Sitzung die Gebühren für die Deckungsgrad-Varianten von 50, 60 und 100 Prozent errechnet (siehe nachstehende Tabellen).
Schon bei einem Deckungsgrad von 50 Prozent würden sich die Gebühren erheblich erhöhen, im Waldfriedhof beispielsweise ein Doppelgrab von 100 Euro auf 189,50 Euro, bei 100 Prozent demnach auf 379 Euro bzw. beide Friedhöfe zusammen auf 273 Euro pro Jahr.
Es besteht nämlich laut Bürgermeister Jürgen Götz die Möglichkeit, die Kosten für beide Friedhöfe in einer Misch-Kalkulation zusammenzufassen und einheitliche Gebühren festzusetzen.
Finanzrechnung Teilhaushalt Friedhofswesen | ||||||
Jahr |
Lfd. Verwaltung | Investition |
Fehlbetrag/Überschuss |
+ Abschreibung | ||
Einnahmen | Ausgaben | Saldo | ||||
2023 | 93.468 | 72.524 | 20.944 | 2.321 | 18.624 | 43.200 |
2022 | 105.285 | 69.229 | 36.057 | 286.851 | 250.795 | 43.200 |
2021 | 101.554 | 68.894 | 32.660 | 651.814 | 619.154 | 43.200 |
2020 | 87.094 | 116.579 | 29.485 | 93.219 | 122.705 | 43.800 |
2019 | 87.030 | 147.218 | 60.188 | 18.355 | 78.544 | 36.000 |
2018 | 95.298 | 71.498 | 24.430 | 7.790 | 16.640 | 35.700 |
2017 | 93.688 | 55.261 | 38.427 | 99.677 | 61.250 | 35.700 |
2016 | 83.952 | 24.638 | 59.264 | 17.660 | 41.604 | 36.300 |
Die vorstehenden Zahlen der Finanzrechnung Teilhaushalt Friedhofswesen wurden den Jahreschroniken der Gemeinde entnommen. Während es in den Jahren 2021 mit 619.000 Euro und 2022 mit 250.000 Euro beträchtliche Fehlbeträge gab, wurde im Jahr 2023 ein Überschuss von 18.624 Euro verzeichnet (hinzukommt in allen drei Jahren noch der gleiche Abschreibungsbetrag von 43.200 Euro). Wie nachstehend erläutert, wurde vor allem im Waldfriedhof viel investiert, 850.000 Euro die Sanierung der Aussegnungshalle und 110.000 Euro in die Erweiterung des Urnengrabfeldes "Lebensfluss".
Auch im alten Friedhof wurde viel investiert, alle Wege erneuert und neben Urnengrabfeldern die Urnenwand erweitert. Beide Friedhöfe sind nun eine Visitenkarte des Ortes mit einem tollen Erscheinungsbild, wie die nachstehenden Fotos offenbaren.
Diese in der Vergangenheit aufgewandten Investitions-Kosten spielen jedoch bei der Gebührenfestsetzung keine Rolle mehr. Nach Art 8 Abs 6 Satz 1 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes, können zwar bei der Gebührenbemessung die Kosten für einen mehrjährigen Zeitraum berücksichtigt werden, der höchstens vier Jahre umfassen soll.
Entstandene Verluste aus den Vorjahren dürfen aber nach Satz 3 dieser Bestimmung bei Bestattungseinrichtungen nicht mehr in zukünftigen Kalkulationszeiträumen eingerechnet werden. Sie sind demnach verfallen.
Mit welchen Einnahmen und Ausgaben der laufenden Verwaltung und mit welchen Investitionsausgaben die Gemeindeverwaltung im nächsten vierjährigen Bemessungsspielraum rechnet und wie hoch der Deckungsgrad bei Beibehaltung der bisherigen Gebühren wäre, das ging aus den übersandten Sitzungsunterlagen nicht hervor, sondern nur, wie hoch die Gebühren bei einer Kostendeckung von 50, 60 und 100 Prozent wären.
Diskussion
Simon Kneitz (CSU) erklärte, seine Fraktion habe Sorge, dass solche Erhöhungen nicht mehr sozialverträglich sind. Er schlug deshalb eine pauschale Erhöhung um 20 bis 25 Prozent vor. Sein Fraktionskollege Jochen Müller brachte ins Gespräch, die Gebühren in den beiden Friedhöfen pauschal mit unterschiedlichen Prozentsätzen zu erhöhen, damit sie sich etwas anpassen, bis man dann künftig auf eine Mischkalkulation übergehen könne. Steffen Mucha (CSU) brachte die weitere Variante einer einheitlichen Gebühr für beide Friedhöfe ein, indem die Gebühren in beiden Friedhöfen pauschal erhöht werden, dann aber die Summe der sich ergebenden Gebühr durch zwei geteilt für beide gilt.
Stefan Oppman (UWG) plädierte für seine Fraktion für einen Deckungsgrad von 100 Prozent angesichts dessen, was in den letzten Jahren in beiden Friedhöfen an Instandhaltung und Unterhalt die Gemeinde gemacht hat und dass der Waldfriedhof nicht nur ein Friedhof sondern Parkcharakter hat und ein Aufenthaltsort ist. Er sprach sich zudem für gleiche Gebühren in beiden Friedhöfen aus,. Auch in den nächsten Jahren würden durch die immer mehr freiwerdenden Grabfelder wieder Planungs- und Investitionskosten entstehen. Schließlich werde auch der Pflegeaufwand für den Bauhof immer größer.
Christina Feiler (Grüne) wollte wissen, wie hoch der Deckungsgrad in anderen Gemeinden sei. Bürgerbüroleiter MartinMarkert berichtete, dass der Referent bei der kürzlich besuchten Fortbildung der Meinung war, dass es schon sehr gut sei, wenn eine Gemeinde eine Kostendeckung von 60 bis 70 Prozent erreiche. Günther Thein (Grüne) sprach sich ebenfalls für gleiche Gebühren in beiden Friedhöfen aus.
Schließlich wurde dem Vorschlag bei einer Gegenstimme zugestimmt, die Entscheidung zu vertagen und die Verwaltung zu beauftragen, getrennt nach den beiden Friedhöfen, auf die bisherigen Gebühren unterschiedliche pauschale Prozent-Aufschläge zu berechnen.
Investitionen Waldfriedhof
Übergabefeier der für 850.000 Euro sanierten 50 Jahre alten Aussegnungshalle im Oktober 2021.
An Allerheiligen 2014 wurde das an den "Lebensfluss" erinnernde modellhafte neue Urnen-Bestattungsquartier im Veitshöchheimer Waldfriedhof ökumenisch eingesegnet. Anstelle der starren Ausrichtung von Urnenwänden oder Grabreihen wurde damals auf einer etwa 1000 Quadratmeter großen, lichtdurchfluteten Fläche des Friedhofes für 120.000 Euro nach der Planung des örtlichen Landschaftsarchitekten Thomas Struchholz ein Quartier mit 135 Urnenerdgräbern und 86 Urnenkammern geschaffen. Wegen der starken Nachfrage wurde dann das Vorzeigeobjekt im Frühjahr 2021 für 110.000 Euro um weitere 87 Doppel-Urnengrabstellen mit Bau einer bis dahin deutschlandweit einmaligen barrierefreien Bestattungsanlage (im Bild) fertiggestellt.
Invstitionen Friedhof an der Martinskapelle
Nach dem Waldfriedhof hat der Bauhof ab 2015 bis 2020 auch im alten Friedhof an der Martinskapelle sämtliche Gehwege mit insgesamt rund 700 laufenden Metern einer "Jungzellenkur" unterzogen. Neben einem neuen Unterbau und neuen Einrandungen wurden sämtliche Pflastersteine nach Ausbau wiederverwendet. Großteils wurden auch die Hecken neu angelegt. Mit Material- und Geräteeinsatz hat der Bauhofleiter insgesamt einen Aufwand von 300.000 Euro errechnet.
Wie schon der Waldfriedhof wies nun im Jahr 2020 auch der alte Friedhof als Visitenkarte des Ortes ein tolles Erscheinungsbild auf.
Da immer mehr Erdgräber aufgelassen werden, eröffnet eine Grabvariante die Möglichkeit, Lücken durch Zusammenfassung mehrerer nebeneinanderliegender aufgelassener Gräber zeitgemäß, platzsparend und relativ kostengünstig für neue Urnengrabfelder zu nutzen.
Der Trend zu Urnenbestattungen hält in Veitshöchheim weiter an. Nachdem im alten Friedhof an der Martinskapelle in der 2005 erbauten Urnenwand von den 78 Kammern nur noch zwei nicht belegt waren, ließ die Gemeinde im ersten Quartal 2023 die Anlage um 56 Kammern erweitern.
Besonderheit von Friedhöfen, die zugleich öffentliche Grün- und Erholungsfläche sind oder denkmalpflegerisch bedeutsam sind
Das Oberverwaltungsgericht Saarland hat sich im Urteil vom 3.12.2012 - 1 A 6/12 - mit der Kalkulation der Friedhofsgebühren befasst mit der Feststellung, dass allgemein anerkannt ist, dass Friedhöfen eine zumeist als öffentlicher Grünwert bezeichnete Bedeutung innerhalb des jeweiligen Gemeindegebietes zukommt. Sie werden vor allem in größeren Gemeinden und Städten als öffentliche Grün- und Erholungsfläche ausgewiesen und unterhalten, weswegen der durch ihre Nutzung als öffentliche Parkanlage entstehende Kostenaufwand nicht den gebührenpflichtigen Friedhofsbenutzern angelastet werden kann. Diesen Anteil bezogen auf den Grünwert der Friedhöfe im Stadtgebiet mit 35 Prozent zu beziffern, erzeugte keine rechtlichen Bedenken. Da der Grünanteil aus Steuermitteln zu finanzieren war, änderte seine Herausrechnung die Kalkulation der Bestattungsgrundgebühren.
Auch der Kommunale Prüfungsverband Bayern erkennt in seinem Geschäftsbericht 2005 „Kalkulation und Bemessung von Leistungsgebühren im Bestattungswesen" (siehe nachstehender Link) an, dass bei großzügig angelegten Friedhöfen mit großen Flächenanteilen von Grünanlagen, Wegen und Gebäuden oder Friedhöfen mit denkmalpflegerischer Bedeutung wie die Martinskapelle im alten Friedhof ein öffentlicher Interessenanteil aus allgemeinen Haushaltsmitteln gedeckt werden kann. Die Gemeinde habe hier einen Ermessen- und Bewertungspielraum.