Wenn der Flügel am Flügel sitzt … »Heinrich Schütz goes Jazz« in der Bücherei im Bahnhof Veitshöchheim
Am Donnerstagabend, 10.10.24, wurde das Lesecafé der Bücherei im Bahnhof erneut zum Jazzkeller umfunktioniert. Gut 40 Zuhörerinnen und Zuhörer – darunter ein Ehepaar aus Hamburg, das seinen (etwas verregneten) Urlaub in Veitshöchheim verbrachte – waren gekommen, um eine besondere Art des Crossover aus Barockmusik und Jazz zu erleben.
Michael Flügel am Flügel, Hubert Winter am Saxophon, Dominik Raab (der für den kurzfristig verhinderten Paul Höchstädter eingesprungen war) an den Drums und Andreas Kurz am Kontrabass boten eine Jazzversion von Stücken aus den Davidpsalmen, den musikalischen Exequien und den Madrigalen eines der bedeutendsten Komponisten des Frühbarock.
Heinrich Schütz lebte von 1585 bis 1672. In jungen Jahren komponierte er Madrigale in italienischer Sprache, später vor allem geistliche Vokalmusik, teils zu lateinischen, teils zu deutschen Texten. Ebenso schuf er weltliche musikalische Werke (Singspiele und Ballette), die jedoch verloren gegangen sind. Lange Jahre stand Schütz im Dienst des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. in Dresden, zunächst als Hoforganist, ab 1621 als Hofkapellmeister. Ab 1618 waren sein Leben und Schaffen geprägt von den Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges, der Deutschland in jeder Hinsicht, natürlich auch kulturell, verwüstete.
Wie aber kommt man auf die Idee, zwei historisch so weit voneinander entfernt liegende Epochen auf diese Weise zu verbinden? Laut Michael Flügel handelte es sich um einen jener Zufälle, die am Ende oft zum Salz in der Suppe des Lebens werden.
Im Rahmen einer Geburtstagsfeier sollte das Quartett sein ganz »normales Jazz-Programm« spielen. Mit einer Ausnahme: Der Jubilar wollte das Tenorsolo aus »Unser Leben währet 70 Jahr« in einer Jazzversion hören.
So fing Flügel an, sich mit Heinrich Schütz aus dieser Perspektive zu beschäftigen und entdeckte dabei durchaus zeitenüberspannende Verwandtschaften: So ist etwa durch den Basso continuo und das eher harmonische Denken im Barock die Musik dem Jazz durchaus nahe.
Auch den für letzteren typischen »Walking bass« gibt es im Barock schon – denken wir etwa an den »Basso ostinato« in Pachelbels berühmten Kanon in D. Zudem wurden in der Zeit zwischen Renaissance und Barock die Grundpfeiler der europäischen Harmonik gelegt, die wiederum die Grundlage für den Jazz bildet, der die Harmonik ja besonders intensiv ausleuchten möchte: »Von daher ist die Rückbesinnung auf die Wurzeln hier durchaus ein spannendes Unterfangen.« Auf diese Weise entstand aus einer einzelnen Nummer ein ganzes Programm.
Ein lohnenswertes Unterfangen, denn das Resultat ist eine musikalisch runde Sache auf höchstem künstlerischem Niveau. Das Publikum ging begeistert mit und verlangte am Ende lautstark nach einer Zugabe, die trotz der relativ späten Stunde gerne gewährt wurde.
Es hat großen Spaß gemacht – auf ein Wiedersehen im Bib-Bahnhofsjazzkeller Veitshöchheim!
Last but not least geht ein herzlicher Dank an die Kollegin Martina Edelmann für die gemeinsame Organisation sowie an Steffi und Kurt für das Betreuen der Getränkebar, die die Veranstaltung abrundete (Bassist Andreas Kurz: »The more we drink, the better we play; the more you drink, the better we sound.«) Danke auch an Vicky fürs »Cotonsitting«.
Text: Büchereileiterin Dr. Astrida Wallat - Fotos Dieter Gürz