Kommunen dürfen keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber der privaten Wirtschaft haben: In Veitshöchheim greift neues Umsatzsteuerrecht nicht erst 2025, sondern schon 2023
/https%3A%2F%2Fwww.mainpost.de%2Fimages%2Fautoren-dummy.webp)
Neues Umsatzsteuerrecht greift jetzt in Veitshöchheim
'Kommunen dürfen keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber der privaten Wirtschaft haben', so lautet eine EU-Richtlinie, die dazu führte, dass der Bundesgesetzgeber zum Jahresbeginn 2017 zu...
Link auf Mainpost-Online vom 15.2.2023
/image%2F1394268%2F20230214%2Fob_6764dd_besteuerung-der-oeffentlichen-hand-oef.jpg)
Im Vollzug von EU-Recht führte der Bundesgesetzgeber zum 1.1.2017 zur Umsetzung der Wettbewerbsneutralität den § 2 b in das Umsatzsteuergesetz ein, der besagt, dass alle von der öffentlichen Hand erbrachten Leistungen der Besteuerung unterliegen, wenn diese im Wettbewerb mit Privaten am Markt angeboten werden. Begründung: Kommunen dürfen keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber der privaten Wirtschaft haben.
/image%2F1394268%2F20230214%2Fob_0ea56b_besteuerung-der-oeffentlichen-hand-oef.jpg)
Der Gesetzgeber hatte aber den jPöR die Möglichkeit eröffnet, durch eine Erklärung gegenüber dem Finanzamt zunächst bis Ende 2020 und dann nochmals durch das Corona-Steuerhilfegesetz bis Ende 2022 die alte Rechtslage beizubehalten. Davon machte auch die Gemeinde Veitshöchheim Gebrauch.
Wie in der Fachpresse zu lesen ist, kam dann für die gesamte kommunale Welt völlig überraschend eine erneute Verlängerung der Übergangsregelung durch den Bundestag am 2.12., der der Bundesrat am 16.12.2023 zustimmte. Das alte Umsatzsteuerrecht kann so durch die öffentliche Hand ohne weitere Erklärung noch bis bis zum 31.12.2024 weiterhin angewendet werden.
Die Angelegenheit stand nun dennoch auf der Tagesordnung des Gemeinderates am Dienstag. denn der Gesetzgeber räumte den jPöR und damit auch der Gemeinde Veitshöchheim die Möglichkeit ein, gleichwohl schon rückwirkend zum 1.1.2023 durch einen Widerruf der 2017 abgegebenen Optionserklärung das neue Recht nach § 2b UStG anzuwenden.
Der Bayerische Gemeindetag hatte sogleich in einem Rundschreiben am 22. Dezember 2023 seinen Mitgliedern mitgeteilt: "Der Widerruf der Optionserklärung sollte jedoch nur erfolgen, wenn Sie sicher sind, dass der Umstellungsprozess auf § 2b UStG vollständig und erfolgreich abgeschlossen wurde. Insbesondere sollten alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen getroffen worden sein. Zudem sollte eine Umstellung nur erfolgen, wenn sich hieraus keine erheblichen finanziellen oder administrativen Mehrbelastungen ergeben."
Wie die Kämmerei gegenüber den Ratsmitgliedern in der Beschlussvorlage ausführte, hatte die Gemeinde im letzten Jahre mit einer neu geschaffenen Stelle und der Einstellung von Julia Günther die Grundlagen für eine rechtzeitig Umsetzung geschaffen, waren bis Jahresende bereits alle notwendigen Vorarbeiten für die Anwendung des neuen Rechts zum 1. Januar 2023 abgeschlossen, Mieter und ähnliches bereits schriftlich informiert.
Angesichts der komplexen Vorarbeiten mache eine Umstellung auf das neue Umsatzsteuerrecht rückwirkend ab Januar Sinn, argumentierte Bürgermeister Jürgen Götz in der Sitzung. Zu groß sei der Aufwand, jetzt zunächst alles wieder zurück abzuwickeln, um dann später erneut alle nötigen Daten zu hinterlegen.
So beschloss dann der Gemeinderat nach dem Sachvortrag von Bürgermeister Jürgen Götz einstimmig ohne weitere Wortmeldungen die Einführung der Umsatzsteuer nach § 2b UStG ab 01.01.2023.
Auch, weil man durchaus Vorteile dadurch sieht, dass die Gemeinde dann bei Investitionen vorsteuerabzugsberechtigt ist, wie das schon immer bei den gemeindlichen Betrieben gewerblicher Art der Fall ist, so u.a. bei Sportzentrum mit Dreifachhalle, Hallenbad und Freisportanlage, Geisbergbad, Mainfrankensäle, Touristinfo, Ratskeller, Bacchuskeller, Parkdeck Bilhildisstraße, Photovoltaikanlagen und Wasserversorgung. Hier waren die Einnahmen bereits bisher umsatzsteuerpflichtig.
Je mehr für die kommunalen Leistungen an Material eingekauft werden muss, umso geringer schlägt danach die Umsatzsteuer bei der Gemeinde zu Buche. Denn für das Material kann die Vorsteuer abgezogen werden. Somit läuft der Materialeinkauf steuerlich gegen die erbrachten Leistungen. Doch bei personalintensiven kommunalen Dienstleistungen funktioniert dieser Mechanismus nicht.
Welche Kosten die Umsatzsteuer künftig verändert und welche nicht
Für die Gemeinde Veitshöchheim bedeutet die Neuregelung, dass sie nun alle Leistungen, die sie erbringt, danach bewerten muss, ob sie nicht ein privater Dienstleister erbringen könnte. Als Beispiele für die Berechnung der Umsatzsteuer nannte der Bürgermeister Kopien, Kaffee und Getränke in der Bücherei, Kulturveranstaltungen mit Eintritt, der Verkauf von Stammbüchern im Bürgerbüro, die Vermietung von Stellplätzen auf abgeschlossenen Grundstücken oder die Vermietung des Klo-Wagens.
Im Detail muss laut Bürgermeister noch geprüft und ggf. vom Gemeinderat entschieden werden, ob man die Verteuerung durch Zuschlag der Umsatzsteuer wirklich an die Bürger weitergibt, oder diese in die bisherigen Entgelte einrechnet. Bei der Freiwilligen Feuerwehr müsse ggf. zu gegebener Zeit auch die Gebührenordnung geändert werden für Leistungen der Feuerwehr wie z.B. für die Ölbeseitigung.
Ausgenommen von der Umsatzsteuer sind auch weiterhin hoheitliche Aufgaben, also etwa das Ausstellen eines Personalausweises.
Online-Recherchen
Aufschluss über die Besteuerung von Leistungen der öffentlichen Hand geben die aktualisierten Präsentationsfolien der Online-Vorträge des Bayerischen Landesamtes für Steuern zu den Grundzügen der Umsatzbesteuerung (siehe nachstehender Link).
Selbst umsatzsteuerbefreite Leistungen machen viel Arbeit. Denn bei der Umsatzsteuervoranmeldung müssen auch diese Leistungen mitangegeben werden.
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_893955_besteuerung-der-oeffentlichen-hand-oef.jpg)
Durch die Kopplung der Besteuerung an die Körperschaftsteuer waren juristische Personen des öffentlichen Rechts bisher nur in Fällen des Vorliegens eines unternehmerischen Betriebs gewerblicher Art umsatzsteuerpflichtig.
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_7f387f_besteuerung-der-oeffentlichen-hand-oef.jpg)
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_e4b18c_besteuerung-der-oeffentlichen-hand-oef.jpg)
Am idealsten läuft es für die Gemeinde, wenn ihre auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbrachten Leistungen nicht marktrelevant sind – das heißt nur von der öffentlichen Hand erbracht werden können – oder pro Jahr den Wert von 17 500 Euro nicht übersteigen. Denn dann sind diese Leistungen nicht umsatzsteuerrelevant.
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_8a0dba_besteuerung-der-oeffentlichen-hand-oef.jpg)
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_d41b95_03-feuerwehr.jpg)
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_a3ca62_05-gleichartig.jpg)
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_de6e3d_besteuerung-der-oeffentlichen-hand-oef.jpg)
Nach § 4 Nr. UStG sind die Umsätze folgender Einrichtungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts befreit: u.a. Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen und Büchereien, eben so auch deren kulturelle und sportliche Veranstaltungen, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht (Nr. 22 b) und auch die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art (Nr. 22 a).
- Befreiuungen im Kulturbereich: siehe nachstehender Link
Link auf Bundestag-Wissenschaftlicher Dienst: Befreiung kultureller Einrichtungen und Dienstleistungen von der Umsatzsteuer Unter besonderer Berücksichtigung von Bibliotheken
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_b20bd7_04-parkgebuehren.jpg)
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_db7411_besteuerung-der-oeffentlichen-hand-oef.jpg)
Befreit sind auch hoheitliche Hilfsgeschäfte wie die Veräußerung von Gegenständen, die im nichtunternehmerischen Bereich eingesetzt waren, z.B. der Verkauf von gebrauchten Kfz, Einrichtungsgegenständen und Altpapier.
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_5a183b_besteuerung-der-oeffentlichen-hand-oef.jpg)
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_506a5b_01-sporthallen-1.jpg)
/image%2F1394268%2F20230215%2Fob_8b6806_02-basare.jpg)
System der Mehrwertsteuer treibt absurde Blüten
Quelle: KOMMUNAL Zimper Media GmbH, Berlin
Am Beispiel vom Verkauf von Omas Apfelkuchen beim Schulfest lässt sich gut erklären, dass die Prüfung gar nicht so einfach ist:
Die örtliche Schule veranstaltet ein Schulfest und lädt per Amtsblatt alle dazu ein. Die Schüler der Klasse 6a planen in Kürze eine Klassenfahrt und bieten daher auf dem Fest noch einen Kuchenbasar an, um die Fahrt zu finanzieren. Eltern und Oma spenden dafür den Kuchen, der dann für einen Euro das Stück verkauft wird. Fließen nun die Einnahmen aus dem Kuchenverkauf an die Schule, ist es eindeutig umsatzsteuerpflichtig. Organisiert hingegen der Elternbeirat den Kuchenbasar und fließt das Geld an den Förderverein, dann ist es bis zu einer bestimmten Summe nicht umsatzsteuerpflichtig. Wichtig ist auch, welche Zielgruppe mit dem Kuchenbasar angesprochen wird. Handelt es sich um ein „internes Fest“ nur für Schüler und Eltern ist alles gut, wird der Kuchen auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt verkauft ist es hingegen wieder umsatzsteuerpflichtig.
Aber es geht noch absurder: Wird der Kuchen vor Ort verzehrt, fallen 19 Prozent Mehrwertsteuer an. Lässt sich Tante Erna den Kuchen einpacken, um ihn zu Hause zu genießen, werden 7 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Besonders albern wird es, wenn die Schüler auch noch einen Kaffeeautomaten haben. Auf Cappuccino fällt grundsätzlich 19 Prozent Mehrwertsteuer an, trinkt Tante Erna zum Kuchen hingegen einen Latte Macchiato, sind es nur 7 Prozent. Egal, ob sie ihn vor Ort trinkt oder damit über das Schulfest geht und ihn somit „to Go“ bestellt. Der Grund: Latte Macchiato zählt nicht als Kaffeegetränk (19 % Mehrwertsteuer) sondern als Milchgetränk (7 % Mehrwertsteuer). Aber Vorsicht: Ist Tante Erna laktoseintollerant und bestellt den Latte Macchiato mit Sojamilch, fallen wieder 19 % Mehrwertsteuer an. Denn Sojamilch ist kein Grundnahrungs-, sondern ein Genussmittel.