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Judith Faltl, die neue Geschäftsführerin der Berufsförderungswerk Würzburg gGmbH in Veitshöchheim stellt sich vor - Im Fokus: die berufliche Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Seit Anfang des Jahres 2022 wird das BFW von einer Frau geführt. Judith Faltl, 52 Jahre, bislang Vorsitzende des Aufsichtsrats des BFW, wurde von  der Gesellschafterversammlung im Bewerbungsverfahren um die Position der Geschäftsführung, die Karsten Hohler Ende 2021 abgab, ausgewählt.

Judith Faltl ist die erste Frau, die als selbst Betroffene die Geschäftsführung eines Berufsförderungswerks übernimmt. Zugunsten dieser neuen Aufgabe gab sie ihre bisherige hauptberufliche Tätigkeit im IT-Sektor nach über 25 Jahren auf. Ihre Ehrenämter im Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB), sie ist seit 2003 dessen ehrenamtliche Landesvorsitzende, will sie weiterhin gerne wahrnehmen. Für den BBSB gestaltete sie politische Kampagnen mit dem Ziel, die Teilhabemöglichkeiten blinder und sehbehinderter Menschen stetig zu verbessern. Im Jahr 2013 gelang es so in Bayern das Taubblindengeld einzuführen und 2018 das Sehbehindertengeld durchzusetzen.

Beruflich leitete Faltl zuletzt als Senior IT Consultant bei der internationalen Unternehmensgruppe "msg group It" mit Sitz in Ismaning (9000 Mitarbeiter und 1,1 Mrd. Umsatz 2020 mit Standorten in 28 Ländern) Projekte in der Branche Automotive und Manufacturing. Deren Socialmedia-Aktivitäten hat sie auf- und ausgebaut. Zuletzt steuerte sie im Bereich Public Sector IT Projekte im Kontext barrierefreie Gestaltung von Webseiten, Software und Dokumente.

Sie sagt: „Als blinde Softwareentwicklerin sind mir die Chancen und Risiken der digitalen Transformation absolut bekannt, und ich weiß aus eigener Erfahrung und zahlreichen Gesprächen, wie wichtig blinden und sehbehinderten Menschen berufliche Teilhabe ist."  Deshalb bringe sie sehr gerne ihr Wissen und ihre Erfahrung aus 30 Jahren IT-Projekten und 30 Jahren politischer Netzwerkarbeit in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe hier in das Berufsförderungswerk Würzburg ein.

Faltl: "Anfang Januar bin ich nun hier gestartet und wurde von eine sehr freundlichen, engagierten und kompetenten Team aufgenommen." Ihr Dank gilt Karsten Hohler, der das BFW in den letzten vier Jahren mit viel Sachverstand und Herz geführt hat und nun in den Ruhestand gegangen ist.

In ihrem ersten Monat als Geschäftsführerin im BFW war ihr noch Manfred Gerlinger als Leiter operative Geschäftsfelder eine wertvolle Hilfe. Nach 40jähriger engagierter Tätigeit für das BFW trat auch er nun Ende Januar in den wohlverdienten Ruhestand.

So stehen nun in den nächsten Wochen und Monaten einige personelle Themen auf ihrer Agenda. Faltl: "Ich will den Schwung in meinem Team aufnehmen und an weiteren beruflichen Perspektiven für blinde und sehbehinderte Menschen mitwirken und in Kooperationen aktiv gestalten."

Faltls Rück- und Ausblick

Die Corona-Pandemie bestärkte auch im BFW im vergangenen Jahr die Digitalisierungswelle. Die im Februar in Veitshöchheim startenden Angebote Blindentechnische Grundrehabilitation, Fachinformatiker Anwendungsentwicklung, Fachinformatiker Systemintegration, Kaufmann/-frau für Büromanagement, Kaufmann/-frau im Gesundheitswesen und Telekommunikationsoperator/-in liefen alle hybrid ab. Gleiches galt für den im März folgenden Grundkurs Physikalische Therapie, für den im April startenden Rehabilitationsvorbereitungslehrgang, die neuen Office Agenten, die Verwaltungsfachangestellten im kommunalen Dienst und alle folgend startenden Kurse. Es begannen auch wieder Sprachkurse für blinde und sehbehinderte Migranten beginnen.

Im Projekt Inklusive Wege 4.0 arbeitete das BFW weiterhin daran, die Ausbildungen mehr und mehr zu digitalisieren und permanent entstehen neue Lernangebote für die Teilnehmer und Kunden auf BFW online, der barrierefreien eLearning-Plattform. Neu sind beispielsweise ein Word 2016 Aufbaukurs, ein Word Profikurs und ein Kurs zum Erlernen des Tastaturschreibens. Auch externe Partner nutzen mittlerweile die BFW-Lernplattform. So sind seit einiger Zeit DVBS und  PRO RETINA mit einem kostenfreien Modul zum Thema Arbeitsassistenz auf der Plattform vertreten.

Grenzen der Digitalisierung sieht das die Geschäftsführerin in den Bereichen Assessment, Belastungs- und Sehhilfenerprobung, Sehhilfen- und Hilfsmittelberatung, bei den Integrationskursen für Migranten und bei der Bearbeitung und Bewältigung der psychischen Beeinträchtigung und Behinderung. Online neue Arbeitstechniken ermitteln und erproben ist, wegen der fehlenden Technik beim Teilnehmenden, nicht möglich. Menschen, die weder Deutsch, noch teilweise lesen und schreiben können, können nicht in einer digitalen Welt, zu der sie häufig noch keinen gesicherten Zutritt haben, unterstützt werden.

Für die Be- und Verarbeitung der psychischen Beeinträchtigung/Behinderung sind im Einzelgespräch und als Gruppenangebot digitale Begleitungs- und Unterstützungsangebote realisierbar. Wesentlich für die Behinderungsbewältigung ist aus BFW-Sicht allerdings auch der alltägliche und ganz natürliche Kontakt zu Gleichbetroffenen im Ausbildungsalltag und in der Freizeit. Hier werden Vorgehensweisen/Strategien ausgetauscht, erprobt, gefestigt.

Um das eigene Handeln zu überprüfen und zu optimieren startete das BFW gemeinsam mit der Julius-Maximilian-Universität Würzburg das Projekt "Digitales Lernen von Menschen mit Sehbeeinträchtigung in der beruflichen Wiedereingliederung (DigiSeb)".

Die BFW-Aktivitäten rund um digitale Lehr- und Lernformate zur beruflichen Rehabilitation werden dabei über 18 Monate hinweg durch den Lehrstuhl für Sonderpädagogik der Universität Würzburg wissenschaftlich evaluiert. Faltl: "Wir erwarten uns Optimierungspotential für unsere digitalen Lehr- und Lernangebote und Impulse für die wohnortnahe berufliche Rehabilitation."

Weitere Informationen zum Projekt siehe nachstehender Link:

Gartenschauen in Bayern sind ohne die Inklusive App BFW SmartInfo für die Geschäftsführerin gar nicht mehr vorstellbar. Und so machte BFW SmartInfo im Jahr 2021 Station auf der Gartenschau Lindau. Die App gab an wichtigen Orientierungspunkten wie an den Eingängen, an Wegkreuzungen oder bei den Veranstaltungsorten unaufgefordert per Sprache oder in Großschrift Informationen an die Nutzer weiter. Objektbeschreibungen wurden ebenso vorgelesen wie Hinweise zur Orientierung oder Veranstaltungsangebote.

Jüngstes Kind des BFW aus dem Jahr 2021 ist der AdA-Schein. Er ist der Beweis für die bundesweit anerkannte und einheitliche Qualifikation „Ausbildung der Ausbilder (m/w/d)“. Der Ausbildereignungsschein bestätigt die Fähigkeit, Ausbildungsinhalte einer Ausbildung unmittelbar und im wesentlichen Umfang vermitteln zu können. Mit dem ADA-Schein wird am BFW Würzburg die Umschulung in Berufen mit IHK-Abschluss begleitet.

Fotos Dieter Gürz

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