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Bürger bleiben außen vor - Auftragsvergaben erfolgen in der Gemeinde Veitshöchheim nur noch hinter verschlossenen Türen

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

"In der nächsten Gemeinderatssitzung stehen im öffentlichen Teil lediglich die Protokollgenehmigung der letzten Sitzung auf der Tagesordnung. Im nichtöffentlichen Teil werden drei Auftragsvergaben, die Spenden des Jahres 2019, eine Wohnungsvergabe sowie eine Personalangelegenheit behandelt."

So wurde im Vorfeld die Presse über die Gemeinderatssitzung am 4. Februar informiert. Im Mitteilungsblatt fehlte folglich auch die Bekanntgabe, dass überhaupt eine Gemeinderatssitzung stattfindet.

Im Veitshöchheimer Mitteilungsblatt vom 17. Februar ist nun zusammengefasst zu lesen:

Auszugsweiser Bericht aus der Sitzung des Gemeinderates vom 04.02.2020 - Auszug nichtöffentlicher Teil

Neukonzeption Bücherei im Bahnhof - Auftragsvergabe

Der Gemeinderat nimmt gemäß Art. 37 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung  zur  Kenntnis,  dass  Bürgermeister  Götz  den  Auftrag  für das Regalsystem im Rahmen eines unaufschiebbaren Geschäfts an die Firma Georg Ackermann GmbH, Wiesenbronn, vergeben hat und beschließt,  an diese Firma auch den Auftrag der Tischlerarbeiten der Festeinbauten sowie den Auftrag loses Mobiliar Los 1 (Stühle und Tische) und Los 2: Büromöbel, Sofas und Kleinteile an die Firma VS vereinigte Spezialmöbelfabrik GmbH & Co. KG, Tauberbischofsheim und Los 3: Outdoor Möbel Leseterrasse an die Firma Eurobject GmbH, Veitshöchheim, zu vergeben.

Entgegen jahrzehntelanger Praxis werden nun nicht einmal mehr die Auftragssummen veröffentlicht.

In der Bürgerversammlung hatte Bürgermeister Jürgen Götz erklärt:  "Ich bin davon überzeugt, dass kommunalpolitisches Handeln nur erfolgreich sein kann, wenn es transparent ist. Große Projekte können heute nur gelingen, wenn sie von der Bürgerschaft akzeptiert und mitgetragen werden."

Und nun diese Heimlichtuerei bei kommunalen Bauaufträgen?

"Viele Gemeinden sehen sich durch rechtliche Vorgaben gezwungen, Vergaben hinter verschlossenen Türen zu beschließen" so lautet der Titel von Henry Stern in seinem Mainpost-Artikel vom 10. Februar 2020 (siehe nachstehender Link).

In einem "Rundschreiben" an die Kommunen (siehe nachstehender Link auf pdf.Datei) hat das bayerische Innenministerium im letzten September auf 13 Seiten die aktuelle Rechtslage zusammengefasst. Demnach bleiben Beratungen und Beschlüsse eines Gemeinderats zur Auftragsvergabe zwar grundsätzlich öffentlich. "Im Einzelfall" muss die Kommune allerdings prüfen, ob das "Wohl der Allgemeinheit" oder "berechtigte Ansprüche einzelner" einer Öffentlichkeit im Wege stehen: "Sind diese Tatbestände erfüllt, ist das kommunale Gremium nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, einen Beratungsgegenstand in nicht-öffentlicher Sitzung zu behandeln", heißt es in dem ministeriellen Schreiben.

Das "Wohl der Allgemeinheit" sei etwa betroffen, wenn "mangelnde Vertraulichkeit zu einer Verteuerung" des Auftrags führen würde, erklärt das Ministerium. Im Sinne einzelner privater Bieter sei zudem zu vermeiden, dass "persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse" oder "ihr Know-how und ihre Betriebsgeheimnisse" öffentlich werden.

BGH: Unbegründeter Ausschluss der Öffentlichkeit macht Vergabe nichtig

Aber ein unbegründeter Ausschluss der Öffentlichkeit führt laut aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Rechtswidrigkeit der gesamten Auftragsvergabe – unter anderem, weil "der Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzungen der frühzeitigen öffentlichen Kontrolle" dient.

"Weder die gesetzlichen Vorschriften noch unser Schreiben enthalten eine Weisung, den Namen des Auftragnehmers oder den Auftragswert nach der Zuschlagserteilung nicht zu veröffentlichen", hat laut Zeitungsreporter Stern das  Innenministerium auf Nachfrage erklärt. Allerdings müsse die Kommune jeweils "nach den Umständen des Einzelfalls" entscheiden, "welche Informationen veröffentlicht werden".

Siehe dazu auch den Mainpost-Kommentar von Henry Stern: "Bei kommunalen Aufträgen wird das Geld der Bürger ausgegeben. Damit dies sparsam und sachgerecht passiert, ist eine öffentliche Kontrolle der Vergabe unabdingbar." (siehe nachstehender Link).

Auch für den Veitshöchheimer Geschäftsleiter Daniel Stein ist die Lage unbefriedigend. Aber aufgrund der Ausführungen im Rundschreiben des Ministeriums "Abweichend von der früheren Rechtslage sind demnach künftig sowohl Vergaben von Bauleistungen als auch Vergaben von Liefer- und Dienstleistungen und Konzessionen tendenziell in nichtöffentlicher Sitzung zu beraten und zu beschließen" würden in der Gemeinde Veitshöchheim nun grundsätzlich alle Vergaben nichtöffentlich behandelt.

Am Ende des ministeriellen Rundschreibens heißt es aber auch:

Aufgrund rechtlicher Risiken sollten die Kommunen einen eventuellen Ausschluss der Öffentlichkeit sorgfältig prüfen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzungen auch der bürgerschaftlichen Begleitung der Beratungen und Entscheidungen und damit einer frühzeitigen öffentlichen Kontrolle dient. Eine nachträgliche Veröffentlichung der Vergabeentscheidung kann insoweit nicht wirkungsgleich sein.

Link auf Rundschreiben des Innenministeriums (pdf.Datei)

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