Ein neues Veitshöchheimer Kleinod entsteht - Für jedermann offener Bürgergarten der Architektin Karin Kissel am Mainufer mit Strabo-Heilkräutern aus dem 9. Jahrhundert nimmt immer mehr Gestalt an
Architektin Karin Kissel erläutert im Bild Bürgermeister Jürgen Götz den Umgriff des eigentlichen Zentrums des Bürgergartens, den sie mit Holzlatten abgesteckt hat. Hier soll streng nach historischen Vorbild von Abt Walahfrid Strabo vom Kloster Reichenau aus dem 9.Jahrhundert einen Hortulus, einen Heilkräutergarten mit 24 Beeten mit je einer Heilpflanze entstehen.
Ein für jedermann offener Bürgergarten beginnt in Veitshöchheim Gestalt anzunehmen. Davon konnte sich nun auch Bürgermeister Jürgen Götz überzeugen, als ihn die Initiatorin, die Architektin Karin Kissel vor Ort mit einem im Garten frisch gepflückten Naturblumen-Strauß begrüßte. Wie sie freudig sagte, habe sich der Bürgermeister von Beginn an offen für ihre Idee und bereit gezeigt, ihr einen zur Neuverpachtung bereit stehenden Kleingarten einige Meter nach der Kläranlage, von Bahnlinie und Mainuferweg begrenzt, zur Verfügung zu stellen und für das Projekt als Schirmherr zu fungieren.
Herzstück des Bürgergartens soll streng nach historischen Vorbild von Abt Walahfrid Strabo vom Kloster Reichenau aus dem 9. Jahrhundert ein Hortulus (Gärtlein) mit 24 Beeten mit je einer Heilpflanze sein. Die Liste reicht von Schlafmohn, weiße Lilie, echter Wermut, Andorn, Königswurz, Katzenminze, Schafgarbe, Odermennig über Heilziest, Eberraute, Flaschenkürbis, Melone, Salbei, Raute, Kerbel bis hin zu Sellerie, Liebstöckel und Fenchel. Erkennbar ist derzeit schon der mit Holzlatten abgesteckte Umgriff. Für die Realisierung ist Kissel auf Sponsoren angewiesen sein, denn allein das Holzmaterial für die 24 Beeteinfassungen kostet über 500 Euro.
Mit dem Bürgergarten geht für Karin Kissel ein Lebenstraum in Erfüllung. Die Architektin, die Zeit ihres Lebens bis heute Wohnhäuser plante, hat zu Gärten, die nach ihren Worten die Augen und unsere Seele erfreuen, Duft verströmen und in seinen Farben leuchtet, einen besonderen Bezug.
16 Jahre richtete sie mit dem Bau von Villen für wohlhabende Bauherrn im Raum Frankfurt auch deren Gärten ein. Eigene gesundheitliche Probleme vor Augen, befasste sie sich in dieser Zeit autodidaktisch auch mit der Naturheilkunde und Kräutern. Bei der Bewirtschaftung ihres 1.200 Quadratmeter großen Gartens in Mainz lernte sie den Umgang mit der Natur kennen, wie Pflanzen auch ohne Spritzen gedeihen und wie sie zusammengehören. Nach einem Umweg über Weimar wurde sie dann 2006 im Raum Würzburg ansässig. Bei der inzwischen 83 Jahre alten Franziskanerin Leandra Ulsamer, die überregionale Bekanntheit erlangte als Leiterin des Kräutergartens im Kloster Oberzell und durch ihre Zusammenarbeit mit dem Würzburger Medizinhistoriker Johannes Gottfried Mayer auf dem Gebiet der Klostermedizin, durfte sie vier Jahre mitarbeiten. Wie Kissel sagt, war diese ihr eine strenge Lehrmeisterin.
Da sie im täglichen Leben immer wieder viele einsame Menschen antraf, kam ihr die Idee gemeinsam mit interessierten Bürgern ein kleines Naturzuhause, einen Ort der Begegnung zu gestalten, der darüber hinaus auch nützlich, lehrreich und schön sein soll. Ihr schwebte ein Platz vor, wo man in Stille Pflanzen im Wachsen, in der Form beobachten und weit oben am Himmel den Flug der Vögel verfolgen oder Spinnenleben und mehr in den Beeten erforschen kann.
Ihre Suche nach einem geeigneten Garten war dann im Veitshöchheimer Rathaus erfolgreich. Die Gemeinde konnte ihr den Garten am Main nach der Kläranlage zur Neuverpachtung anbieten, von dem sie aufgrund seiner Lage und seines Zuschnitts sofort begeistert war, auch wenn er total verwildert und zugewachsen sich wie ein Urwald darstellte. Es standen drei alte Obstbäume, ein großer Walnussbaum, eine Reneklode und zwei Weiden. Der Boden war „steinreich“ und mit Unkraut gesegnet.
Eine große Hilfe beim Urbarmachen der Gartenfläche zu Beginn waren die Mitarbeiter des Veitshöchheimer Bauhofes, ohne deren immensen Vorarbeiten hätte kein Garten entstehen können.
Marc Sitkewitz, Leiter der in Veitshöchheim ansässigen Bezirksgeschäftsstelle des Vogelschutz-Landesbundes, stiftete drei komfortable Vogel-Villen. In einer konnte der Bürgermeister bereits den Nachwuchs von Blaumeisen sichten.
Mit Hacken und Spaten entstanden die ersten mittleren Beete, heilige Kräutlein mischen sich hier mit Rosen und Blumen. Auch die gute Brennnessel und Knoblauch dürfen hier dazwischen stehen bleiben. Wichtig erschien Karin Kissel der weich mit Häcksel ausgelegte Zugangsweg, der vom neuen Zaun und neuen Eingang über den Brunnen ins Herz des Gartens führt.
Der Bürgermeister sicherte Kissel die Hilfe seines Bauhofes bei der Erstellung eines nostalgischen Brunnens aus Natursteinen mit Schwengelpumpe über dem bereits vorhandenen Brunnenschacht zu.
Erste Nutzbeete sind angelegt worden mit Einsaat von historischen Erbsen. Viele Nutzbeete müssen aber noch bearbeitet und bepflanzt werden.
Durch Bürgerspenden erhielt Kissel Bruchsteine, Gartengeräte, Gartentische/Stühle und zum Entspannen eine schöne Gartenliege. Auch ein geschützter Abstell-Anzuchtbereich ist im Entstehen. Von fleißigen Gartenfreunden wurde ein Steingarten angelegt, der noch auf Ideen und Mitmachen in der Gestaltung wartet. Hier ist auch eine kleine gepflasterte Terrasse geplant, deren Realisierung ebenfalls kräftige Mitmacher benötigt. Hier soll dann gemeinsames Zusammensitzen mit oder ohne Schoppen gepflegt werden.
Im Zentrum: Heilkräuter-Bereich nach historischem Muster des Benediktiner-Abtes Walahfrid Strabo vom Kloster Reichenau (Bodensee) aus dem 9. Jahrhundert mit 24 Beeten
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Gerade begonnen hat Karin Kissel mit dem eigentlichen Zentrum, das sie als "Herz des Bürgergartens" bezeichnet. Hier soll streng nach historischen Vorbild von Abt Walahfrid Strabo vom Kloster Reichenau aus dem 9. Jahrhundert ein Hortulus, ein Heilkräutergarten mit 24 Beeten mit je einer Heilpflanze entstehen. Erkennbar ist derzeit schon der mit Holzlatten abgesteckte Umgriff.
Das zwischen 830 und 840 entstandene Lehrgedicht „De cultura hortorum“, kurz „Hortulus“ (Gärtlein) des Abtes ist die erste Kunde vom Gartenbau in Deutschland. In 444 Hexametern beschreibt er 24 Heilkräuter, Küchen- und Zierpflanzen, die noch heute die Gärten bereichern. Seinen Beinamen „Strabo“ (das heißt „Schieler“) hat der vorzügliche Beobachter wegen eines Augenfehlers erhalten.
STRABO – Garten - Beeteinteilungen der Pflanzung:
Beet Nr. 1 - papaver somniferum / Schlafmohn
Beet Nr. 2 - lilium candidum / weiße Lilie
Beet Nr. 3 - rosa / Rosen
Beet Nr. 4 - rafanum raphanus sativus - Rettich
Beet Nr. 5 - absinthium artemisia / echter Wermut
Beet Nr. 6 - marrubium vulgare / Andorn
Beet Nr. 7 - costus sanssurea lappa / Königswurz
Beet Nr. 8 - sclarega- salvia sclarea /Musketellersalbei
Beet Nr. 9 - nepeta cataria / Katzenminze
Beet Nr.10 - ambrosia achillea millefolium / Schafgarbe
Beet Nr.11 - agrimonia enpatoria / Odermennig
Beet Nr.12 - vettonica stachys betonica / Betonie - Heilziest
Beet Nr.13 - artemisia abrotanum / Eberraute
Beet Nr.14 - mentha / Minze versch. Sorten
Beet Nr.15 - cucurbita lagenaria / Flaschenkürbis
Beet Nr.16 - peponis -cucumis melo / Melone
Beet Nr.17 - salvia officinalis +s. tomentosa / Salbei
Beet Nr.18 - ruta graveolens / Raute
Beet Nr.19 - gladiola iris germinica / purpurfarbigeGladiolen od. Italianis od. Abessin.
Beet Nr.20 - puleium pulegium mentha / Poleiminze
Beet Nr.21 - anthriscus cerefolium / Kerbel
Beet Nr.22 - apium graveolens / Sellerie
Beet Nr.23 - lybisticum - levisticum officinale / Liebstöckel
Beet Nr.24 - foeniculum vulgare / Fenchel
Der leidenschaftlichen Gartenliebhaberin Karin Kissel ist klar, dass ein Garten zu bestellen auch Mühe und Arbeit, sehr viel Disziplin erfordert. Dazu haben alle Pflanzen ständig Durst und wollen liebevoll und achtsam gegossen werden. Besonders in der warmen Jahreszeit, wo alle anderen fröhlich und unbeschwert in die Ferien fahren, fordert der Garten nach ihren Worten die volle Aufmerksamkeit. Sie würde sich deshalb über Gartenfreunde freuen, die bereit sind zum Mitmachen und Mitgestalten. Auch ist sie bei der Erstellung des historischen STRABO-Gartens auf Sponsoren angewiesen sein, denn allein das Holzmaterial für die 24 Beeteinfassungen kostet über 500 Euro.