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Nachhaltigkeit ist Trumpf beim Veitshöchheimer Klärwerk - Beim Tag der Offenen Tür zum 55jährigen Bestehen des Abwasserzweckverbandes ging es auch um den Klimaschutz

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

"Wasser ist eine unserer kostbarsten Ressourcen. Trinkbares Wasser und klare Gewässer sind von hohem Wert," sagte Bürgermeister Jürgen Götz am Samstag beim Tag der Offenen Tür, mit dem der für Veitshöchheim und Margetshöchheim zuständige Abwasserzweckverband "Maintal Würzburg" sein 55jähriges Bestehen beging.

Zahlreiche interessierte Bürger konnten dabei hinter die Kulissen eines regenerativen automatisierten Klärwerkes schauen und wie auf dem Foto zu sehen, von Betriebsleiter Rainer Siebert erfahren, was  mit ihrem Abwasser passiert und dass die 2001 für 8,5 Millionen Euro fertig gestellte Kläranlage in Veitshöchheim seitdem durch fortlaufende Investitionen von weit über einer Million Euro auf dem neuesten technischen Stand ist.

2009 wurden 236.000 Euro in den Neubau eines Edelstahl-Pufferbehälters zur Speicherung von stark belastetem Filtratwasser aus der Schlammentwässerung  investiert und im Dezember 2012 für 55.000 Euro die Prozessleittechnik auf den neuesten Stand der Technik gebracht.

Weiter investierte der Zweckverband 2016 57.000 Euro in die Erneuerung des Belüftungssystems der beiden Belebungsbecken, 45.000 Euro in die Sanierung des Faulturmbauwerks und 110.000 Euro in den Einbau eines neuen Blockheizwerks, 2018 rund 300.000 Euro in die Erneuerung der Klärschlammentwässerung. Letztere ermöglicht es, durch entsprechende Verträge seit Anfang dieses Jahres den im Klärwerk anfallenden Klärschlamm der Verbrennung im Würzburger Müllheizkraftwerk zuzuführen.

 Wie Verbandsvorsitzender Jürgen Götz berichtete, konnten durch diese Investitionen der Strom- und Gasverbrauch und damit die jährlichen Betriebskosten beträchtlich reduziert werden.

Wie die vorstehenden aufgelisteten Maßnahmen sich auf den Stromverbrauch auswirkten, wird in der nachstehenden Tabelle deutlich.

So konnte der Stromverbrauch der Anlage seit 2011 um 335.000 kWh pro Jahr reduziert und damit praktisch halbiert werden. Die kumulierte monetäre Einsparung betrug bis Ende 2018 rund 234.000 Euro.

Auch konnte durch das neue Blockheizkraftwerk der Gasverbrauch von knapp 200.000 kWh im Jahr 2016 auf derzeit 100.000 kWh halbiert werden. 97 Prozent des erzeugten Stroms wird in der Kläranlage verbraucht. Mit dem BHKW werden Klärgas aus dem Faulturm und Erdgas zu Strom und Wärme umgewandelt, so dass die Kläranlage auch bei Stromausfall autark betrieben werden kann.

Die Verbandsversammlung, die sich aus Gemeinderäten der beiden Mitgliedsgemeinden zusammensetzt, sei immer darauf bedacht gewesen, so Götz, hohe Qualität und guten Service zu annehmbaren Gebühren für die Bürger zu liefern. Die Kläranlage, so versicherte der Veitshöchheimer Bürgermeister, arbeite effektiv, kostengerecht und umweltgerecht. Die getätigten Investitionen kämen langfristig sowohl der Umwelt wie den Kassen beider Gemeinden zugute.

Der gemeindliche Klimaschutzmanager Jan Speth präsentierte auf einer Tafel weiter die energetischen Kennwerte der Kläranlage und zeigte den prozentualen Stromverbrauch einzelner gemeindlicher Einrichtungen auf. Rund ein Viertel entfällt auf die Kläranlage.

Bei einer eine Abwasserrallye durch das Klärwerk konnten die Besucher ihr Wissen über die Kläranlage testen bei Fragen zum Gründungsjahr des AZV, für was die Abkürzung BHKW steht, wie lang der Sandfang und wie tief das Belebungsbecken ist, was im Nachklärbecken passiert und wieviel Methangas jährlich im Faulbehälter erzeugt werden. Mitmachen lohnte sich, denn der Klimaschutzmanager hatte eine Menge Preise organisiert.

Dass bei den vielfältigen Aufgaben und Leistungen, die das Klärwerkspersonal wahrzunehmen hat, die Arbeitssicherheit einen großen Stellenwert hat, dokumentieren im Bild v.l.n.r. Tiefbauingenieur Jürgen Hardecker, dem im Veitshöchheimer Rathaus die technische Leitung des Klärwerks obliegt, Veitshöchheims Bürgermeister Jürgen Götz als Zweckverbandsvorsitzender, Altbürgermeister Rainer Kinzkofer, der bei der zu Beginn des Tages der Offenen Tür die Geschichte des Zweckverbandes und den Werdegang der Kläranlage in Erinnerung (siehe auch Blick in die Historie am Ende) rief sowie von der anderen Mainseite 2. Bürgermeister Peter Etthöffer  und Verbandsrat Werner Stadler. Gefährdet sind Klärwärter beispielsweise, wenn sie in einen Schieberschacht einer Abwasserdruckrohrleitung einsteigen. In umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen können nämlich Flüssigkeiten, Gase und Dämpfe durch unzulässige Einleitungen oder bei Störfällen eingebracht werden oder infolge von natürlich ablaufenden chemischen bzw. biologischen Reaktionen entstehen. So muss von jedem Einsteigenden ein Rettungs-Auffanggurt getragen werden. Da die toxische Wirkung von beispielsweise von Faulgasen sehr schnell eintritt und zur Bewusstlosigkeit führt, kann der zweite Klärwärter nicht bis zum Eintreffen der Feuerwehr warten. Der bewusstlose Kollege muss  sofort mit einem Höhensicherungsgerät mit integrierter Rettungshubeinrichtung und Dreibock, wie im Bild zu sehen, aus dem Gefahrenbereich geholt werden.

Für Imbiss und Getränke sorgten bestens die sieben Mitarbeiter des Zweckverbandes - Erinnerungsfoto zum 55jährigen Bestehen mit dem Verbandsvorsitzenden Jürgen Götz, re. und Betriebsleiter Rainer Siebert, 4.v.r.). Auch der im Rathaus für die kaufmännische Leitung des Zweckverbandes zuständige Gemeinde-Kämmerer Erich Müller (li.) half mit und auf dem Foto dazu gesellte sich auch der pensionierte langjährige Betriebsleiter Oswald Bamberger (3.v.r.). Nach 28 Dienstjahren geht der Entsorger Otwin Wolf (am Bratwurststand) im Oktober in den wohlverdienten Ruhestand.

Nach den höchst informativen Führungen gab es  beim Smalltalk an den Biertischen viel zu erzählen.

Die Besucher konnten sich einer Führung anschließen, die in regelmäßigen Abständen stattfand oder sich selbst durch die angebrachten Tafeln an den entsprechenden Stellen informieren.

Ausgerichtet auf 26.000 Einwohnergleichwerte laufen hier aus den beiden Mitgliedsgemeinden Veitshöchheim und Margetshöchheim im Jahresschnitt 1,5 Millionen Kubikmeter Abwasser durch, 4000 Kubikmeter täglich wenn es trocken ist und bei Regenwetter etwa 8000 Kubikmeter. Im  Maschinenhaus sind alle Bauteile gebündelt, die Lärm und Gerüche verursachen wie die Rechenanlagen, Schlammentwässerungsaggregate, Be- und Entlüftungsanlagen, Pumpen, Heizung und ein Blockheizkraftwerk.

 „Hier riecht es ja gar nicht!“, diese überraschende Feststellung war bei den Rundgängen oft zu hören. „Bei allen geruchsrelevanten Einrichtungen erfolgt eine Luftwäsche mit Zwangsentlüftung über einen Biofilter“, so belehrte Abwassermeister Rainer Siebert. Auch bei der Biofiltration in den Belebungsbecken war nichts zu riechen. Die Besucher waren von Ambiente und Technik der Anlage gleichermaßen gleichermaßen beeindruckt. Glasklares Wasser, das über eine Zahnschwelle in den äußeren Ring des Nachklärbeckens floss, offenbarte schon rein äußerlich die optimale Reinigungsleistung des hochmodernen Klärwerkes.

Familien mit Kindern erläuterte die in der Kläranlage beschäftigte Laborantin Conny Leberfinger kindgerecht die Abläufe auf der Kläranlage.

Dank moderner Technik läuft vieles automatisch ab: Die vom Abwasser im Stufenrechen getrennten Feststoffe, als auch der gewaschene Sand aus dem Sandfang (im Bild) und auch der gepresste Schlamm gelangen vollautomatisch über Förderanlagen in separate Container. Biofilter sorgen im Maschinenhaus für eine Luftwäsche. Ein Explosionsschutz öffnet im Notfall automatisch alle Türen.

 

Die biologische Reinigung des Abwassers erfolgt zweistraßig in zwei je 2.800 Kubikmeter großen und 45 Meter langen Belebungsbecken mit vollautomatischen Belüftungsanlagen und Rührwerken. Kompressoren blasen Luft mit 0,5 bar ein, zweimal pro Stunde wird hier das Abwasser umgewälzt und dabei hauptsächlich durch Sauerstoffzufuhr und Bakterien in sehr hoher Konzentration biologische und chemische Prozesse initiiert, die Stickstoff abbauen und Phosphat eliminieren.

Die in den Belebungsbecken gelösten Stoffe werden so in Schlamm umgewandelt, der sich in den Nachreinigungsbecken auf den Bodentrichter absetzt, und durch Kreisräumer abgezogen mittels Pumpwerk in den Faulturm gelangt

 

Faulturm

Das im Faulturm anfallende Gas wird in einem 250 Kubikmeter großen Gasbehälter gesammelt und dann durch das Blockheizkraftwerk in elektrische und thermische Energie umgewandelt.

Die Leit-Zentrale der Kläranlage mit dem Labor im Erdgeschoss rechts - Modernste Steuerungs- und Kommunikationssysteme überwachen alle wesentlichen Anlagenteile und melden eventuelle Störungen rund um die Uhr, nach Dienstschluss per Handy auch an den Bereitschaftsdienst.

Im Labor werden organische und mineralische Substanzen auch mikroskopisch untersucht und so ein sehr detaillierter Nachweis über die Inhaltsstoffe des behandelten Abwassers geführt. So werden Temperatur, Menge, ph-Wert, Trübung, Phosphor- und Stickstoffgehalt vor Auslauf des geklärten Abwassers in den Main genau aufgezeichnet.

 Filterwasserspeicher

Auch die Kläranlage möchte mit einer kleinen angelegten Blumenwiese einen Beitrag zum Artenschutz leisten.

 

Werdegang des Abwasserzweckverbandes und der Veitshöchheimer Kläranlage

Am 16. Oktober 1964 gründeten die Bürgermeister Erwin Vornberger (Veitshöchheim), Ludwig Volk (Margetshöchheim) und Josef Meichsner (Zell) den Abwasserzweck-Verband.

Im Gründungsjahr des Verbandes war der Bau einer gemeinsamen Kläranlage in Veitshöchheim technisch und wirtschaftlich die effizienteste Lösung. Damals entsorgten die beiden Gemeinden auf der anderen Mainseite ihre Abwässer noch ausschließlich über Hauskläranlagen.

In Veitshöchheim war dagegen die Kanalisation im Altort bereits 1957 abgeschlossen. Das Abwasser floss über eine mechanische Klär-Anlage in Höhe des Mainsteges dem Main zu. Ab 1960 kam es jedoch in Veitshöchheim in Verbindung mit dem Bau der Kaserne zu umfangreichen Erschließungsmaßnahmen. Das Kanalnetz erweiterte sich um elf auf 27 Kilometer. In der Gartensiedlung erschloss die Gemeinde 30 Hektar Bauland aus eigenem Besitz. Es gab daher bereits 1962 eine fertige Planung zur Errichtung einer zweiten Kläranlage am Mainufer an der südlichen Gemarkungsgrenze zur Stadt und auch der Grunderwerb hierfür war bereits 1960 erfolgt.

Erdgas-Maindüker

1964, als Veitshöchheim erstmals die 5.000 er Einwohner-Grenze überschritt, verwarf  man dann jedoch wieder diese Planung. Der damals von der Ferngas Nordbayern geplante Bau eines Maindükers. ermöglichte es, für alle drei Kommunen recht kostengünstig in Veitshöchheim nördlich des Bahnpostens eine Zentralkläranlage zu bauen.  Den Veitshöchheimern zugute kam, dass der Bund wegen des Anschlusses der Kaserne die 2,55 Millionen Mark teure Kläranlage in beträchtlicher Höhe mitfinanzierte. Im Oktober 1970 konnte das  neue  auf  22.000 Einwohnergleichwerte ausgelegte Klärwerk mit biologischer Nachreinigung seinen Betrieb aufnehmen.

Ein Jahr später war wegen freier Kapazitäten auch der Anschluss der Gemeinde Erlabrunn im Gespräch. 1981 fand eine erste Erweiterung des Klärwerks mit Kosten von 1,3 Millionen Mark ihren Abschluss

Schon ein Jahr später stellte ein Gutachter eine erneute Überlastung fest, insbesondere war verfahrens-technisch ein Stickstoffabbau nicht möglich. So beauftragte der Verband schon im Jahr 1987 das Bad Kissinger Ingenieurbüro Niemetz- Hoßfeld-Fischer mit der Erweiterungsplanung, doch erst 1995, als Veitshöchheim mit Nebenwohnungen schon mehr als 10.000 Einwohner zählte,  machte man Ernst damit.

Auf Empfehlung der Wasserbehörden führte der Verband zwecks Eindämmung der hohen Ab-wasserreinigungskosten erstmals in Bayern einen beispielhaften Planungswettbewerb auf europäischer Ebene durch. Der Freistaat übernahm 95 Prozent der Wettbewerbskosten von 507.000 Mark.  Unter 49 Bewerbern siegte im Oktober 1996 das Nürnberger Ingenieurbüro Müller/Schneeberg/Kraus.

Zell schert 1999 aus

Für viel Diskussion sorgten dann ein Jahr lang die Verhandlungen über einen alternativen Anschluss der Verbandsgemeinden an das Klärwerk der Stadt Würzburg  Im Gegensatz zu Zell, das Anfang 1999 aus dem Verband austrat, sahen die Gemeinderäte von Veitshöchheim und Margetshöchheim darin keine Kostenvorteile. Auch aus Gründen der Bürgernähe und der größeren Einflussmöglichkeit auf Umwelt und Gebühren waren sich die beiden Kommunen im März 1998 einig, den ersten Preisträger mit der Planung zu beauftragen und  nach dem Ausscheiden von Zell die Einwohnergleichwerte von 32.000 auf 26.000 zu reduzieren.

Einweihung einer hochmodernen Anlage 2001

Nach dem ersten Spatenstich im September 1998 konnte im Mai 2001 mit der Bevölkerung die Einweihung einer  hochmodernen Anlage mit innovativer Technik, optimaler Wasserreinigung und Energienutzung sowie äußerst wirtschaftlichen Betriebsabläufen groß gefeiert werden.  Von der Altanlage an gleicher Stelle aus dem Jahr 1968, die nicht mehr in der Lage war, die seit 1991 gesetzlich geforderte Nährstoffelimination zu  erbringen, war bis auf den Faulturm fast nichts mehr übrig geblieben. Dem planenden Ingenieurbüro war es hervorragend gelungen, auf dem 9.082 Quadratmeter großen Betriebsgrundstück trotz der räumlichen Enge durch Main, Bahn und Wohnbebauung eine komprimierte und dennoch großzügig wirkende Anlage mit modernem Outfit zu schaffen.

Dass die Gemeinden Margetshöchheim und Veitshöchheim sich nicht wie Zell der Würzburger Kläranlage anschlossen, sondern ihre eigene Anlage modernisierten, stand in beiden Gemeinden trotz des enormen Aufwandes von 8,5 Millionen Euro außer Frage. Der Freistaat schoss 1,7 Millionen Euro zu und erstattete dem Verband 0,9  Millionen Euro Abwasserabgabe. 

Fotos (c) Dieter Gürz

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